In Deutschland werden heute wesentlich mehr Operationen angeboten und durchgeführt als früher. Stehen hier wirtschaftliche Interessen der Krankenhäuser dahinter – wie derzeit speziell in einigen Internetforen behauptet wird? Oder gibt es andere, medizinisch fundierte Gründe?
„Tatsächlich wird heutzutage viel – in manchen Krankenhäusern vielleicht sogar zu viel – operiert“, bestätigt Prof. Rainer Meffert, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Würzburg. Auch am Zentrum für operative Medizin (ZOM) des Würzburger Großkrankenhauses herrscht eine hohe Operationsfrequenz. Allerdings wird hier laut Prof. Meffert die Notwendigkeit jedes Eingriffs genau hinterfragt. „Jeder Operateur sollte sich immer fragen, ob er sich selbst oder seine Familienangehörigen anhand der vorliegenden Diagnosen auch operieren lassen würde“, nennt der Chef-Chirurg einen einfachen, aber wirkungsvollen Entscheidungsansatz. „Anschließend muss er sich genug Zeit für seine Patienten nehmen, um die Vor- und Nachteile einer Operation und möglicher nicht-operativer Alternativen in Ruhe zu besprechen. Hierfür stehen wir am Universitätsklinikum gerne zur Verfügung.“
Als einen der wesentlichen Gründe für steigende Operationszahlen sieht Prof. Meffert die kontinuierliche Verbesserung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Eingriffe. Um herauszufinden, ob bei Verletzungen oder degenerativen Schäden an Wirbelsäule oder Gelenken der Nutzen einer Operation ihre Risiken übersteigt, ist eine exakte Bildgebung im Vorfeld der OP essentiell. In Spezialkliniken, wie dem ZOM, stehen hierfür moderneste, hochauflösende Tomographie-Geräte zur Verfügung. Sie ermöglichen den Experten präzise Diagnosen, mit denen sie fundierte Aussagen über den Erfolg eines Eingriffs machen können.
Gelenkstufen erkenn- und behandelbar
Beispiel Handgelenkbrüche: „Zeigten früher die regulären Röntgenbilder zuweilen Unregelmäßigkeiten der Gelenkflächen, wurde dies nicht weiter verfolgt, sondern eine eingeschränkte Beweglichkeit des Gelenks nach der Gipsruhigstellung als schicksalhaft in Kauf genommen“ berichtet Prof. Meffert. „Heute stellen moderne Computertomographen mit hoher Genauigkeit Gelenkstufen durch Bruchstücke dar, die wir dann mit speziellen Operationstechniken und zierlichen Implantaten hochstabil behandeln können.“ In der Folge sei die Rate an Korrektureingriffen deutlich gesunken.
Ähnlich verhält es sich mit Instabilitäten der Wirbelsäule. Die Chirurgen der Würzburger Uniklinik sind heute technologisch in der Lage, die Wirbelkörper operativ zu stabilisieren und aufzurichten, ohne die funktionell wichtige Muskulatur zu stören. Häufig werden so Wirbelsäulenschmerzen umgehend gelindert.
Nicht-operative Alternativen abwägen
Trotz der in den letzten Jahren erzielten Quantensprünge bei den Schlüsselloch-Operationstechniken und bei der Eingriffspräzision rät Prof. Meffert allerdings zu einer weiterhin höchst kritischen Auseinandersetzung mit der Operationsindikation. „Gerade bei Verschleißerscheinungen muss der Nutzen einer Operation sehr genau gegen eine intensive funktionelle und krankengymnastische Behandlung abgewogen werden. In vielen Fällen kommt ein chirurgischer Eingriff erst nach dem Scheitern einer längerfristigen, nicht operativen Behandlung in Frage“, betont der Klinikdirektor.
Weitere Informationen:
Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Würzburg, Tel.: 09 31/20 1-3 75 01, chirurgie2.uk-wuerzburg.de
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Schonende Stabilisierung der Wirbelsäule: Nur vier kleine Hautschnitte sind zum Einführen der Schrauben nötig, das rechte Bild zeigt als hellen Fleck die zusätzliche Auffüllung des geschädigten Wirbelkörpers mit Acryl. 90 Prozent der so behandelten Patienten spüren eine quasi sofortige Schmerzreduktion.
Bilder: Universitätsklinikum Würzburg