
Zunächst die klassische Frage: Was wollten Sie als Kind werden?
Ich war ein echtes Pferdemädchen und wollte auf jeden Fall mit Tieren arbeiten, also Tierärztin oder Tierpflegerin werden.
Wann kam der Wunsch auf, Biologie zu studieren?
In der Oberstufe. In der elften Klasse ging es zum ersten Mal in Biologie um Zellen und ihre Funktionen. Das hat mich total fasziniert. Hinzukam, dass ich ein bilinguales Abitur mit den Fächern Geschichte und Politik auf Englisch sowie englischem Improvisationstheater gemacht habe. Somit wollte ich Englisch und Biologie kombinieren, was an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) mit einem Bachelor in „Applied Biology“ möglich war. Die H-BRS kann ich jedem empfehlen, der auf Englisch studieren und den Schwerpunkt direkt auf Humanbiologie legen möchte.
Unter Studierenden kursiert der Spruch: „Wer Biologie studiert, wird Taxifahrer.“ Wie haben Sie den Weg in die Forschung geschafft?
Ich hatte einfach großes Glück, meine Berufung zu finden. Ehrlicherweise war ich am Anfang meines Studiums überhaupt nicht gut. Ich wusste einfach nicht, wie man lernt. Im dritten Semester ist der Knoten geplatzt. Zudem kam das Praktische hinzu, darin war ich schon immer sehr gut. Meine Betreuerin der Bachelorarbeit hat mich außerdem mit nach Tokio zu einem Kongress genommen. Ich durfte dort einen Vortrag halten und habe sogar einen Award gewonnen. Ich war hin und weg – das Wissenschaftsvirus hatte mich gepackt.
Was fasziniert Sie an der Forschung?
Forschung ist wie ein Puzzle, bei dem man die Teile hin- und herschiebt, bis sie irgendwann an einer Stelle zusammenpassen, an der man es anfangs gar nicht vermutet hätte. Darüber hinaus liebe ich das eigenständige Arbeiten. Ich kann meinen Tag so strukturieren, wie ich möchte. Natürlich benötige ich zu einem gewissen Zeitpunkt Ergebnisse. Aber den Weg dorthin kann man mitgestalten und frei wählen.

Sie sind in Berlin geboren, im Rheinland aufgewachsen und haben im Ruhrgebiet studiert. Was hat Sie nach Franken verschlagen?
Nachdem ich mein Biologiestudium in Bochum abgeschlossen hatte und ungebunden war, konnte ich für meine Promotion jeden Ort wählen. Als ich mich in Erlangen vorstellte, begeisterte mich das Projekt. Der frisch gefallene Schnee in der Altstadt tat dann sein Übriges und bewegte mich, zu bleiben. Von meinem Doktorvater, Prof. Michael Stürzel, habe ich viel gelernt, aber er hat auch viel erwartet. Dann lernte ich meinen Mann kennen und verliebte mich in ihn und auch seine Heimat.
Im Jahr 2021 kamen Sie dann als Postdoc ans UKW.
Es war ein toller Zufall, dass Astrid Schmieder kurz zuvor von Mannheim nach Würzburg gewechselt war und am UKW eine Arbeitsgruppe aufbaute. Neben einer Stelle für eine technische Assistenz hatte sie eine Postdoc-Stelle ausgeschrieben, auf die ich mich bewarb. Beim Bewerbungsgespräch passte es auf beiden Seiten sofort. Und ja, heute bezeichnen uns viele als „Power-Couple“.
Was gefällt Ihnen an Würzburg?
Ich finde es beeindruckend mit zu erleben, wie sich die Universitätsmedizin in den letzten Jahren in Würzburg entwickelt hat und zu wissenschaftlichen Innovationen maßgeblich beiträgt. Hier arbeitet man mit vielen Leuten zusammen, die eine ähnliche Leidenschaft für die Wissenschaft haben.
Außerdem schätze ich in Würzburg die Kollaborationskultur sehr. Wenn ich eine bestimmte Expertise oder Methode suche, dann werde ich am Uniklinikum oder an der Universität schnell fündig. Ich schreibe eine E-Mail und erhalte tatsächlich zügig eine Antwort, in der meist großes Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet wird.
Wo liegt Ihr Forschungsschwerpunkt?
Krebs hat mich in meiner Forschung schon immer begleitet. In meiner Bachelor- und Masterarbeit habe ich mich mit Brustkrebs befasst und in meiner Promotion lag der Fokus auf Darmkrebs. Dabei ging es vor allem um die Diagnostik. Über Astrid Schmieder bin ich schließlich zu den Makrophagen gekommen. Diese zu den weißen Blutkörperchen gehörenden Fresszellen stellen eine wichtige Schnittstelle zwischen der Bekämpfung von Krebszellen und der Aktivierung des Immunsystems dar.
Sie haben gerade das begehrte Young Scientist Fellowship des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung erhalten. Das Stipendium ist mit 100.000 Euro für ein Jahr dotiert. Was bedeutet das für Sie?
Mit dem Stipendium kann ich einerseits meine Stelle finanzieren und andererseits die Methoden bezahlen, die immer aufwändiger und entsprechend kostspieliger werden, um konkurrenzfähig zu sein. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass mein Projekt im lokalen Auswahlprozess in Würzburg Beachtung fand. Als ich dann auch noch die Möglichkeit erhielt, mein Projekt in einer zehnminütigen Präsentation vor einem standortübergreifenden Gremium vorzustellen und schließlich zu gewinnen, war das einfach nur eine tolle Wertschätzung meiner Arbeit.
Worum geht es in dem Projekt?
Unser Ziel ist es, die Erfolgsrate von Immuntherapien gegen das maligne Melanom zu erhöhen. Bei jedem zweiten Betroffenen schlagen Immuncheckpoint-Inhibitoren nicht an. Diese Medikamente verhindern, dass Immunzellen in ihrem Kampf gegen die Krebszellen von diesen ausgebremst werden. Wir konzentrieren uns auf Makrophagen. Im Mausmodell konnten wir bereits über einen bestimmten Signalweg verhindern, dass die eigentlich guten Makrophagen in „Bad Guys“ verwandelt werden. Nun wollen wir den Mechanismus an humanen Geweben testen.
Labor oder Schreibtisch – wo sind Sie lieber?
Mein Herz schlägt für das „Wet Lab“, also die Laborarbeit. Ich liebe es, Experimente zu planen, durchzuführen und das Troubleshooting zu machen. Aber mit steigender Verantwortung nehmen auch die Stunden am Schreibtisch zu, zum Beispiel um Anträge zu schreiben. Da Astrid Schmieder auch klinisch tätig ist, kümmere ich mich auch oft um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das ist eine große Verantwortung, macht aber auch viel Spaß. Selbst in der Elternzeit habe ich es mir nicht nehmen lassen, meine Masterstudentin bis zum Schluss zu betreuen. Sie hat sich viel Mühe gegeben und hat ein großes Potential, da wollte ich, dass Sie eine Note bekommt, die dieser Leistung entspricht.
Sie selbst befinden sich gerade auf der Schwelle von der Nachwuchswissenschaftlerin zur Arbeitsgruppenleiterin. Fühlen Sie sich gewappnet?
Durch meine Teilnahme am zweijährigen MENTORING med PEER-Programm der Uni Würzburg konnte ich wichtige Aspekte für die Führung einer Arbeitsgruppe erlernen und vertiefen. Bei monatlichen Workshops und Trainings zum Erwerb karriererelevanter Schlüsselkompetenzen sowie Informations- und Netzwerkveranstaltungen konnten wir uns vernetzen und in Kleingruppen im Gespräch mit Mentoren individuelle Karrierewege und –ziele kennenlernen. Ich hatte mich bewusst für eine gemischte Gruppe mit Männern und Frauen entschieden, da eine rein weibliche Gruppe auch nicht immer funktioniert und ich gerne viele mögliche Perspektiven und Führungsstile kennen möchte.
Apropos Geschlechterunterschiede: Betreuen Männer anders als Frauen? Und werden Männer anders als Frauen betreut?
Meine Bachelorarbeit wurde von einer Frau betreut, die Master- und Doktorarbeit jeweils von Männern. Und ja, da gibt es definitiv Unterschiede. Frauen fordern nicht nur, sie fördern auch selbstloser und sind oft empathischer. Bei den Männern herrscht bisweilen die Ansicht: Unter Druck entstehen Diamanten. Wir Frauen mussten uns immer etwas mehr beweisen, beispielsweise, dass es sich lohnt, uns auf Konferenzen zu schicken und auch wir mit wichtigen Kollaborationen zurückkommen.
Generell versuche ich aber, nicht in Genderrollen zu denken, sondern orientiere mich an den Fähigkeiten einer Person.
Sie sind Anfang 2025 erstmals Mutter geworden. Wie organisieren Sie Familie und Beruf?
Unser Sohn Gregor wurde im Frühjahr 2025 hier am UKW geboren. Im Januar kehre ich wieder ins Arbeitsleben zurück. Mein Mann übernimmt dann die restliche Elternzeit und damit die Betreuung sowie die Krippeneingewöhnung. Die geteilte Care-Arbeit hatten wir bereits vor der Kinderplanung besprochen. Ich werde teilweise im Home-Office arbeiten und somit versuchen den Wiedereinstieg etwas sanfter zu gestalten. Ich bin gespannt.

Zurück zur Wissenschaft: Was raten Sie jungen Menschen, die Biologie studieren und in die Wissenschaft gehen wollen?
Biologie ist mehr als Häschen zählen und Pflanzen vermehren: Es ist ein kleines Handwerk, das viel Geduld und Resilienz erfordert. Letzteres habe ich in meiner Doktorarbeit gelernt, in der das erste halbe Jahr überhaupt nichts klappen wollte.
Bei der Karriereplanung sollte man auf Verstand und Bauch hören. Nicht jeder hat eine Leidenschaft für die Wissenschaft, möchte immer neue Erkenntnisse erlangen. Dann sollte man sich gut überlegen, ob man im akademischen Bereich arbeiten möchte, denn dieser erfordert extrem viel Eigenmotivation. Inzwischen kann man auch in der Pharmaindustrie gute Doktorarbeiten schreiben.
Ein Tipp für die Karriere?
Man muss den Mut haben, auch mal nein zu sagen und eine Stelle abzulehnen, wenn man das Gefühl hat, dass sie nicht passt. Ich selbst habe sowohl mögliche Doktorarbeiten als auch Postdoc-Stellen abgelehnt. Dabei habe ich auf mein Bauchgefühl gehört. Und tatsächlich war das, was danach kam, besser für mich.
Es kann auch nicht schaden, die verschiedenen Perspektiven zu durchleuchten. Man sollte an dem Projekt arbeiten, für das man brennt, das einen interessiert und motiviert. Einen langweiligen Vortrag brauche ich gar nicht erst anzuhören. Mich hält der innere Wissensdurst am Laufen. Dann sollte man aber auch schauen, wo die Chancen auf finanzielle Förderungen liegen. Als Forschender in der akademischen Welt ist man auf Förderungen angewiesen. Da kann es nicht schaden, sich schon früh zu überlegen, woher die Gelder kommen?
Worauf sind Sie besonders stolz?
Darauf, dass ich nicht aufgegeben habe. In meinem Bachelorstudium gab es die Möglichkeit in einem Fast-Track-Programm das Masterstudium zu überspringen und direkt eine Doktorarbeit zu beginnen. Leider war mein Notenschnitt nicht gut genug. Eine Alternative bot sich dann mit einem Auslandsemester in den Niederlanden und einem Double Degree, wo ich viel über die Organisation eines Labors und eigenständige Hypothesenentwicklung gelernt habe. Manchmal muss man sich auch durchbeißen. Die Methoden meiner Masterarbeit waren nicht bahnbrechend innovativ und es gab kaum relevante Ergebnisse, trotz neunmonatiger Arbeit. Ich hatte Angst, mit meiner Abschlussarbeit nicht konkurrenzfähig für interessante Doktorarbeiten zu sein. Jedoch hatte ich das Präsentieren bis zu diesem Zeitpunkt zu einer meiner Stärken gemacht und konnte somit bei meinen Bewerbungen überzeugen.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie lauten diese?
Auf jeden Fall wünsche ich mir eine gesunde Familie und eine entfristete wissenschaftliche Stelle. Außerdem wünsche ich mir, dass ich mich weiterhin frei entfalten kann. Das war mit Astrid als Chefin, die sehr viel abgefangen hat, bislang wunderbar möglich.
Da waren jetzt keine beruflichen Meilensteine, weder Ruhm noch Ehre dabei?
Nein. Die Professorin, die meine Bachelorarbeit betreut hat, zitierte immer den Satz: „Wir sind die Zwerge auf den Schultern des Riesen der Wissenschaft.“ Sie meinte: „Wir dürfen uns glücklich schätzen, forschen zu dürfen und die Möglichkeit zu haben, Dinge zu entdecken.“ Das empfand ich als eine ganz interessante Sichtweise von einer Person, die die HPV-Impfung entwickelt hat. Ich würde mir niemals anmaßen, zu sagen, ich kann etwas heilen. Jedoch denke ich, dass wir auf einem guten Weg sind.
