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„Babygesänge“ ist Wissenschaftsbuch des Jahres

Prof. Dr. Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Ihre bahnbrechenden Erkenntnisse über Babylaute fasste sie in dem Buch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ zusammen. Das im vergangenen Jahr im Molden Verlag erschienene Sachbuch wurde nun in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gewählt.

Porträt von Kathleen Wermke am Tisch in ihrem Büro vor dem Bücherregal
Prof. Dr. Kathleen Wermke baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. @ Kathrin Königl
Cover des Buches mit weinendem Säugling
Das Buch "Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird" von Kathleen Wermke (224 Seiten Hardcover, 13,5 x 21,5 cm. EUR 26,00. ISBN 978-3-222-15122-4 Molden Verlag) wurde in Österreich zum Wissenschaftsbuch in der Kategorie Medizin / Biologie gewählt. @ Molden Verlag

Würzburg. In ihrem Sachbuch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ führt Prof. Dr. Kathleen Wermke ihre Leserinnen und Leser auf über 200 Seiten unterhaltsam und fundiert mit zahlreichen Hörbeispielen in die geheimnisvolle Klangwelt der Babys ein. Brabbeln, Quieken, aber auch Schreien und Weinen sind für sie wie Magie. Und diese Magie scheint die Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen am Uniklinikum Würzburg (UKW) auf die Leserschaft übertragen zu haben. Denn Kathleen Wermkes Buch wurde jetzt in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gekürt. 

Ehre und Anerkennung

Die Wahl erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Eine Fachjury aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Wissenschaftsjournalismus, Büchereien und Buchbranche wählt zunächst in vier Kategorien jeweils fünf Bücher aus, aus denen dann in einer Publikumswahl die Siegertitel ermittelt werden. „Ich danke allen, die für mein Buch gestimmt haben. Es ist eine große Ehre für mich und eine Anerkennung meiner langjährigen Arbeit“, freut sich Kathleen Wermke. Auch der österreichische Minister Martin Polaschek vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) freut sich über das große Publikumsinteresse an der Wahl und gratuliert den Autorinnen und Autoren der Siegerbücher: „Die Wahl zum besten Wissenschaftsbuch ist fixer Teil der Wissenschaftskommunikation des BMBWF und ich darf alle Forscherinnen und Forscher ermutigen, ihr Wissen auch weiterhin mit einer breiten Öffentlichkeit zu teilen.“

Babys in Frankreich und Japan weinen anders als in Deutschland

Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Obwohl alle Neugeborenen in der Lage sind, jede noch so komplexe Lautsprache der Welt zu erlernen, zeigen sich kulturelle Unterschiede bereits in den ersten Lauten, die Babys von sich geben. Französische Babys weinen mit Akzent, japanische und schwedische Neugeborene weinen deutlich komplexer als deutsche Säuglinge. In der Lamnso-Sprache der Nso, einem ländlichen Volk im Nordwesten Kameruns, gibt es sogar acht Tonhöhen plus spezifische Tonhöhenverläufe. Die Verhaltensbiologin und Medizinanthropologin schließt daraus, dass bereits im letzten Drittel der Schwangerschaft eine Prägung durch die Sprachmelodie der Mutter stattfindet. Kaum auf der Welt, imitieren die Kinder diese Melodiemuster. Wermke ist überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Säuglingsgesangs dazu beitragen kann, die körperlichen und kognitiven Anstrengungen zu würdigen, die Babys leisten, um mit ihrer Umwelt akustisch in Kontakt zu treten und über die Stimme eine emotionale Bindung zu ihren Bezugspersonen aufzubauen. 

Wertschätzung des musikalischen Urgesangs aus dem sich die gesprochene Sprache entwickelt

Sie versteht ihr Buch keineswegs als Ratgeber zur Sprachförderung. Sie möchte lediglich Erwachsene, nicht nur Eltern, dazu anregen, Babys einfach mal zuzuhören, ihre stimmlichen Botschaften wertzuschätzen und zu akzeptieren, dass diese emotionale Sprache der Weg zur Sprache ist. „Das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen, mit denen Gefühle und Bedürfnisse ausgedrückt werden, sind ein musikalischer Urgesang, der dem Gesang mancher Tiere ähnelt. Aber erst aus dem Babygesang entwickelt sich die gesprochene Sprache“, berichtet Kathleen Wermke, die derzeit mit Unterstützung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung an einem Fachbuch arbeitet. 

Kathleen Wermke forschte und lehrte viele Jahre am Institut für Anthropologie der Charité in Berlin bevor sie im Jahr 2003 an die Poliklinik für Kieferorthopädie des UKW wechselte, um dort in enger Kooperation mit der Kinderklinik, der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und der Kinderneurochirurgie das interdisziplinäre Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen aufzubauen. So entstand im Laufe der Jahre eine weltweit einzigartige Datenbank von Babylauten. Diese Daten ermöglichen es, die normale Sprachentwicklung sowie Einflussfaktoren wie Fehlbildungen, Hörstörungen oder Umweltbedingungen zu analysieren, Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Fördermaßnahmen zu entwickeln.

Alle Wissenschaftsbücher 2025 auf einen Blick: 

  • Naturwissenschaft / Technik: Paulina Rowińska: Mapmatics. Wie Karten unser Weltbild prägen (Aufbau)
  • Medizin / Biologie: Kathleen Wermke: Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird (Molden)
  • Junior-Wissensbücher: Lotte Stegeman, Mark Janssen: Die Gefühle der Tiere. Von eifersüchtigen Affen, ängstlichen Hunden und pfiffigen Ratten (Rotfuchs), ab 8
  • Geistes- / Sozial- / Kulturwissenschaften: Gerhard Ammerer, Nicole Bauer, Carlos Watzka: Dämonen (Verlag Anton Pustet)
     

Text: KL / Wissenschaftskommunikation UKW 
 

Porträt von Kathleen Wermke am Tisch in ihrem Büro vor dem Bücherregal
Prof. Dr. Kathleen Wermke baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. @ Kathrin Königl
Cover des Buches mit weinendem Säugling
Das Buch "Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird" von Kathleen Wermke (224 Seiten Hardcover, 13,5 x 21,5 cm. EUR 26,00. ISBN 978-3-222-15122-4 Molden Verlag) wurde in Österreich zum Wissenschaftsbuch in der Kategorie Medizin / Biologie gewählt. @ Molden Verlag

Nicht nur eine Reaktion, sondern die Ursache

FIBROMYALGIE-SYNDROM: AUTOANTIKÖRPER GREIFEN STRUKTUREN DES PERIPHEREN NERVENSYSTEMS AN

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg zeigt in ihrer in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlichten Studie, dass ein fehlgeleitetes Immunsystem möglicherweise nicht nur eine Reaktion des Körpers auf das Fibromyalgie-Syndrom ist, sondern ursächlich mit den Symptomen zusammenhängt.

 

Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

Würzburg. Die Ursachen des Fibromyalgie-Syndroms (FMS), einer Erkrankung mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen, Erschöpfung und häufig psychischen Begleitsymptomen, sind nach wie vor unklar. Während das FMS früher als Erkrankung des rheumatischen Formenkreises („Fibrositis“) angesehen wurde, setzte sich später die Auffassung durch, dass die Beschwerden durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem entstehen, also primär „Kopfsache“ sind. Zu dieser Diskussion konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Klinik für Neurologie seit 2013 wiederholt beitragen, unter anderem mit dem erstmaligen Nachweis, dass kleine Nervenfasern in der Haut beim FMS in ihrer Struktur und Funktion verändert sind.

Bei 35 Prozent greifen Autoantikörper Strukturen des peripheren Nervensystems an

Ihre neuesten Ergebnisse, die eine eindeutige Beteiligung des Immunsystems bei einer Untergruppe der FMS-Patienten und Patientinnen zeigen, hat die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlicht. Die Medizindoktorandin Anastasia Barcic fand heraus, dass bei über 35 % der vom FMS Betroffenen Autoantikörper vorliegen, die gegen Strukturen des peripheren Nervensystems gerichtet sind.

Brennschmerz bei Bindung der Autoantikörper an Nervenzellen mit Capsaicin-Rezeptor

Die naturwissenschaftliche Doktorandin Sabine Seefried vertiefte die Untersuchungen, indem sie durch Immunmarkierungen mit verschiedenen Antikörpern genau bestimmte, an welche Strukturen des peripheren Nervensystems die Autoantikörper der Patientinnen und Patienten binden. Dabei entdeckte sie unterschiedliche Muster, die bestimmte Untergruppen der Betroffenen charakterisierten. Interessanterweise gab es einen Zusammenhang zwischen den betroffenen Strukturen und den Symptomen: In der Patientengruppe, bei der die Autoantikörper an Satellitenzellen banden, also an Zellen, die die Nervenzellen im Spinalganglion umgeben, war die Schmerzintensität höher. In der Gruppe, in der die Autoantikörper an Nervenzellen banden, die den Capsaicin-Rezeptor enthalten, also Sensoren für Schärfe und Hitze, war häufiger ein Brennschmerz vorhanden.  

„Diese und andere Befunde deuten darauf hin, dass die Autoantikörper nicht nur eine Reaktion des Körpers auf die Krankheit sind, sondern wahrscheinlich ursächlich mit den Symptomen zusammenhängen“, fasst Claudia Sommer die neuesten Forschungsergebnisse zusammen.

Weitere Erkenntnisse könnten neue, gezieltere Therapien ermöglichen

Das nächste Ziel der Arbeitsgruppe ist es, herauszufinden, gegen welche Zielstrukturen sich die Antikörper genau richten. Für einzelne Fälle konnte dies bereits gezeigt werden. So wurden zum Beispiel Antigene identifiziert, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen oder im Serotoninsystem, einem wichtigen Neurotransmittersystem. Die genaue Identifizierung der Zielstrukturen würde es ermöglichen, mehr über die Funktion der Autoantikörper und ihre mögliche Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung zu erfahren. Dies könnte auch den Weg zu einer neuen, zielgerichteten Therapie für Betroffene ebnen.

Das Forschungsprojekt wurde vom Evangelischen Studienwerk Villigst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt.
 

Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

„The Brain Makers“ in Würzburg

Die Klinische Neurobiologie, die Neurologie und die Neuropathologie der Universitätsmedizin Würzburg sind Teil einer Dokumentation über den therapeutischen Einsatz der Moleküle, die das Wachstum, das Überleben und die Regeneration von Nervenzellen fördern - angefangen bei Rita Levi-Montalcini, die mit der Entdeckung des Nervenwachstumsfaktors (NGF) den Grundstein für das Verständnis legte, wie Nervenzellen wachsen, sich entwickeln und miteinander kommunizieren, über den ersten klinischen Einsatz von rhNGF bis hin zu neuen Perspektiven in der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.

 

Das Kamerateam posiert mit Michael Sendtner in seinem Büro, Kamera-Equipment steht vor ihnen.
Die Agentur Oneframe drehte für ihre Dokumentation „The Brain Makers“ auch in Würzburg, v.l.n.r.: Ricardo Cesi, Jovica Nonkovic-Jole, Barbara Bernardini, Michael Sendtner © Kirstin Linkamp / UKW
Camelia Monorano steht im weißen Kittel im Hörsaal der Neuropathalogie, vor ihr ein Rollwagen mit drei Tablets voller Gehirnschnitte und einem noch vollständigen Gehirn
Die Neuropathologin Dr. Camelia Maria Monoranu demonstriert, wie ein Gehirn von einem Parkinson-Patienten im Vergleich zu einem gesunden Gehirn aussieht. © Kirstin Linkamp / UKW
Schnitte der Substantia Nigra von gesundem Menschen und Patienten mit Parkinson liegen nebeneinander auf einem Tablett
Bei gesunden Menschen ist die Substantia Nigra durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt (links), bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab (rechts) und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst. © Kirstin Linkamp / UKW
Michael Sendtner wird interviewt, vor ihm steht Assistenz der Arme als Flimklappe benutzt, ganz im Vordergrund ist Rückseite von Kameramann und Regisseurin.
Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW), beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit neurotrophen Faktoren, unter anderem mit ihrer Rolle bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Patienten und Patientinnen mit Parkinson oder Dystonie. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. In den 1950er Jahren entdeckte die italienische Neurobiologin Rita Levi-Montalcini den Nerve Growth Factor (NGF), ein Schlüsselmolekül für die Entwicklung, das Überleben und die Regeneration von Nervenzellen. Für die Isolierung und Charakterisierung des Nervenwachstumsfaktors erhielt Rita Levi-Montalcini 1986 gemeinsam mit Stanley Cohen den Nobelpreis. 

„Eigentlich hätte Viktor Hamburger als Dritter im Bunde den Nobelpreis verdient“, meint Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW). „Denn die bahnbrechenden Arbeiten zur Entwicklung und Funktion des Nervensystems fanden im Labor von Viktor Hamburger in St. Louis, USA, statt. Gemeinsam mit Levi-Montalcini prägte der deutsch-amerikanische Entwicklungsbiologe, der einst bei Nobelpreisträger Hans Spemann promovierte, den Begriff Neurotrophin“. 

NGF ist nur der erste Vertreter der Neurotrophine, die für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems entscheidend sind

Neurotrophine wie NGF sind eine Untergruppe der neurotrophen Faktoren, mit denen sich Michael Sendtner seit mehr als 40 Jahren beschäftigt. Dank seiner wegweisenden Studien gehört die Würzburger Universitätsmedizin zu den weltweit führenden Labors auf diesem Gebiet. Um die Perspektiven von Neutrophinen bei der Behandlung von Störungen des zentralen Nervensystems zu beleuchten, drehte Barbara Bernardini, Biologin, Wissenschaftsredakteurin und Filmproduzentin, Anfang 2025 mit der Crew ihrer Agentur Oneframe einen Teil der Dokumentation „The Brain Makers: The Inside Story of the Discovery and Potential of Neurotrophins" in Würzburg. 

Die erste Episode mit dem Titel ‚War, chickens and snakes‘ schildert den schwierigen Weg von Rita Levi-Montalcini, der zur Entdeckung des NGF führte. Erstmals zum Einsatz kam NGF zur Behandlung einer schweren und seltenen Augenkrankheit, die die Hornhaut betrifft. In den 90er Jahren wurde NGF bei einem Mädchen getestet, das zu erblinden drohte. Mit Erfolg. Viele Jahre und Studien später brachte das biopharmazeutische Unternehmen Dompé den ersten rekombinanten menschlichen NGF (rhNGF) auf den Markt, der 2017 in der EU zugelassen wurde. Dompé ist auch Sponsor der Dokumentation. 

Tiefe Hirnstimulation bescherte neurotrophen Faktoren ein Comeback

Kennengelernt haben sich Barbara Bernardini und Michael Sendtner im Juni 2024 in Rom, als der Würzburger auf einem Symposium von Nature Neuroscience einen Vortrag über seine Arbeiten zur Rolle neurotropher Faktoren bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Parkinson- und Dystonie-Patienten hielt. Michael Sendtner und seine Kolleginnen und Kollegen hatten bereits Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München unter der Leitung von Hans Thoenen herausgefunden, dass neurotrophe Faktoren zwar die bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Motoneuronerkrankungen absterbenden Nervenzellen retten können, nicht aber deren Funktion. Klinische Studien haben dies bestätigt. „Damit gerieten die neurotrophen Faktoren zunächst ins Abseits“, blickt Sendtner zurück. „Doch die Entdeckung, dass der Erfolg der Tiefen Hirnstimulation bei neurodegenerativen Erkrankungen mit der Regulation neurotropher Faktoren zusammenhängt, hat sie wieder ins öffentliche Interesse gerückt“.

Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) spielt zentrale Rolle bei der Reaktivierung von Synapsen

Bei einer neurodegenerativen Erkrankung verlieren Nervenzellen nach und nach ihre synaptische Funktion und gehen zugrunde. Würde man erst in diesem fortgeschrittenen Stadium eingreifen, wäre laut Sendtner nichts gewonnen. Vielmehr müsse man bereits in der ersten Phase ansetzen, in der die synaptische Plastizität und Kommunikation gestört ist. Dies sei mit der Tiefen Hirnstimulation möglich. „Der Hirnschrittmacher kann mit milden elektrischen Impulsen die Nervenzellen stimulieren und entsprechend aktivieren, was zu langfristigen Veränderungen der synaptischen Aktivität führt“, sagt Prof. Dr. Jens Volkmann. Der Direktor der Klinik für Neurologie und enge Forschungspartner von Michael Sendtner beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der THS zur Behandlung von Bewegungsstörungen.

Der genaue Mechanismus, warum die Tiefe Hirnstimulation (THS) bei Bewegungsstörungen wie Parkinson oder Dystonien so erfolgreich ist, ist noch nicht vollständig verstanden. Eine Erklärung könnte der Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) liefern. Ursprünglich als Überlebensfaktor angesehen, hat sich der aus dem Gehirn stammende neurotrophe Faktor als Regulator der synaptischen Plastizität erwiesen. Die THS stimuliert die Freisetzung von BDNF, der wiederum den synaptischen Schaltkreis reaktiviert.

Substantia Nigra verblasst bei Morbus Parkinson

In der benachbarten Neuropathologie der Universität Würzburg konnte Privatdozentin Dr. Camelia Maria Monoranu Sendtners Untersuchungen an Tiermodellen anhand ihrer großen Hirnsammlung von Patientinnen und Patienten mit Parkinson bestätigen. Bei Morbus Parkinson sind die BDNF-Rezeptoren fehlreguliert. Camelia Maria Monoranu demonstrierte Barbara Bernardini und ihrem Kameramann im Hörsaal der Pathologie eindrucksvoll den Vergleich von gesundem und krankem Hirn. Dazu trennt sie den Hirnstamm vom Großhirn und hält die Substantia nigra, die als wichtiges Zentrum in motorischen Schaltkreisen eine Schlüsselrolle bei der Einleitung von Bewegungen spielt, in die Kamera. Bei gesunden Menschen ist die streifenartige Struktur des Mittelhirns durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt, bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst.

BDNF steuert Anpassungsfähigkeit in neuronalen Netzwerken der Motorik

Erst kürzlich hat Michael Sendner gemeinsam mit Daniel Wolf und Maurilyn Ayon-Olivas in der Fachzeitschrift Biomedicines einen weiteren Baustein veröffentlicht, der dazu beiträgt das Rätsel, wie die THS die motorischen Netzwerke im Gehirn beeinflusst und verbessert, zu lösen. Sie zeigten, wie die Oberflächenexpression des Rezeptors für BDNF in striatalen Nervenzellen stark von Dopamin aus der Substantia nigra abhängt. Auf diese Weise beeinflusst Dopamin, wie empfindlich diese Nervenzellen auf BDNF reagieren, das von kortikalen Neuronen freigesetzt wird. Weitere Studien könnten helfen, die zugrundeliegenden Mechanismen noch besser verstehen und dadurch die Effektivität und Zielgenauigkeit der Behandlung verbessern.

Im Laufe des Jahres wird Michael Sendtner als Seniorprofessor in die Neurologie gehen und dort seine Forschung fortsetzen. Ursprünglich wollte er auch Neurologe werden. Sein damaliger Chef an der Neurologischen Klinik der TU München, Albrecht Struppler, interessierte sich sehr für Bewegungsstörungen und schickte den jungen Assistenzarzt in den 80er Jahren zur Grundlagenforschung zu Hans Thoenen ans Max-Planck-Institut, der übrigens auch mit Rita Levi-Montalcini zusammengearbeitet hatte. Aus drei Jahren wurden zehn, sehr erfolgreiche Jahre, wie Sendtner betont. Unter anderem begann er damals, neurotrophe Factoren wie CNTF und BDNF zu isolieren und zu charakterisieren, was zu zahlreichen hochrangigen Publikationen führte. 1995 holte ihn der damalige Direktor der Neurologie, Klaus Toyka, nach Würzburg. Sendtner kam und blieb, trotz mehrerer Rufe aus Erlangen, München und London. „Unsere Arbeitsgruppe ist zwar klein, aber Würzburg ist ein wunderbarer, sehr kollegialer Standort. Durch die hervorragende Zusammenarbeit mit anderen Instituten und Kliniken konnten wir zudem international punkten“, resümiert Michael Sendtner.

Werdegang von Michael Sendtner 

Michael Sendtner wurde 1959 in München geboren, studierte zunächst vier Jahre klassische Gitarre und Laute am Richard-Strauss-Konservatorium und anschließend sechs Jahre Humanmedizin in Regensburg und München. 1984 wurde er Assistent an der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München. . Ein Stipendium führte ihn 1986 an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie, wo er über den ciliaren neurotrophen Faktor (CNTF) forschte. 1992 habilitierte er sich und wechselte zwei Jahre später nach Würzburg. Hier leitete er von 1994 bis 1999 die Klinische Forschergruppe Neurobiologie und war von 2000 bis 2012 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 581 Molekulare Modelle für Erkrankungen des Nervensystems". Seit der Jahrtausendwende ist Michael Sendtner Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am UKW. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation UKW
 

Das Kamerateam posiert mit Michael Sendtner in seinem Büro, Kamera-Equipment steht vor ihnen.
Die Agentur Oneframe drehte für ihre Dokumentation „The Brain Makers“ auch in Würzburg, v.l.n.r.: Ricardo Cesi, Jovica Nonkovic-Jole, Barbara Bernardini, Michael Sendtner © Kirstin Linkamp / UKW
Camelia Monorano steht im weißen Kittel im Hörsaal der Neuropathalogie, vor ihr ein Rollwagen mit drei Tablets voller Gehirnschnitte und einem noch vollständigen Gehirn
Die Neuropathologin Dr. Camelia Maria Monoranu demonstriert, wie ein Gehirn von einem Parkinson-Patienten im Vergleich zu einem gesunden Gehirn aussieht. © Kirstin Linkamp / UKW
Schnitte der Substantia Nigra von gesundem Menschen und Patienten mit Parkinson liegen nebeneinander auf einem Tablett
Bei gesunden Menschen ist die Substantia Nigra durch den hohen Gehalt an Neuromelanin in den Nervenzellen dunkel gefärbt (links), bei Parkinson-Patienten sterben die Nervenzellen ab (rechts) und die „schwarze Substanz“ des Mittelhirns verblasst. © Kirstin Linkamp / UKW
Michael Sendtner wird interviewt, vor ihm steht Assistenz der Arme als Flimklappe benutzt, ganz im Vordergrund ist Rückseite von Kameramann und Regisseurin.
Prof. Dr. Michael Sendtner, Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg (UKW), beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit neurotrophen Faktoren, unter anderem mit ihrer Rolle bei der dysregulierten Plastizität im Gehirn von Patienten und Patientinnen mit Parkinson oder Dystonie. © Kirstin Linkamp / UKW

Regeneration statt Gelenkersatz

KNIEGELENKVERLETZUNGEN MIT LICHTBIOPRINTING BEHANDELN, UM POSTTRAUMATISCHE ARTHROSE ZU VERHINDERN

Das neue EU-Projekt LUMINATE soll den Weg zur in-situ-osteochondralen Regeneration durch Mikroextrusion und filamentiertes Lichtbioprinting ebnen. Mit einem neuartigen Bioprinting-Verfahren namens EndoFLight sollen traumatische Verletzungen direkt im Gelenk behandelt werden, um der Entstehung von Arthrose vorzubeugen sowie teure und invasive endoprothetische Operationen zu vermeiden. Privatdozent Dr. Oliver Pullig und Sebastian Häusner vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) reisten am 13. Januar 2025 zum Kick-off-Meeting nach Pisa.

 

Projektkoordinator mit Würzburger Partnern vor grünem Hintergrund.
Gruppenbild anlässlich des Kick-off-Meetings in Pisa im Januar 2025. Von rechts nach links: Projektkoordinator Prof. Giovanni Vozzi (Universität Pisa), Sebastian Häusner (UKW), PD Dr. Oliver Pullig (UKW), Nicola Knetzger (Fraunhofer ISC), Dr. Christian Lotz (Fraunhofer ISC). © Sebastian Häusner
Grafische Darstellung von EndoFLight
Bioprinting Unit: Schematische Darstellung der Endoflight Bioprinting Unit mit zwei Spritzen (links) zur Applikation der Zellen und des Gels, sowie der endoskopischen Einheit mit speziellen optischen Lichtfasern, welche das Gel punktuell aushärten können. © Dr. Parth Chansoria, ETH Zürich
Logo mit Schriftzug Luminate und vereinfachte grafische Darstellung der Lichtfasern

Würzburg. Traumatische Verletzungen des Knochen-Knorpel-Gewebes in hochbeweglichen Gelenken wie dem Knie können zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und langfristig zu Arthrose führen. So entwickelt beispielsweise jede zweite Person mit schwerem Kniegelenktrauma innerhalb von zehn Jahren nach der Verletzung eine posttraumatische Arthrose (PTOA). Gegenwärtige Behandlungen, die auf zellfreien Transplantaten oder zellbasierten Therapien beruhen, sind teuer und oft nur begrenzt verfügbar. Letztendlich bleibt häufig nur der Einsatz einer Totalendoprothese, um Schmerzen zu lindern und die Funktion wiederherzustellen. Das Revisionsrisiko dieser Implantate ist jedoch gerade bei jungen, aktiven Patientinnen und Patienten sehr hoch und macht aufwändige Folgeoperationen notwendig. Aus diesem Grund und angesichts der alternden Gesellschaft besteht ein dringender Bedarf an besseren Therapien.

Osteochondrale Läsionen gezielt behandeln und Arthrose vorbeugen

Das neue EU-Projekt LUMINATE (HORIZON-HLTH-2024-TOOL-11) setzt auf Regeneration. Unter der Leitung der Universität Pisa und mit Beteiligung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Kroatien den Niederlanden und Spanien einen personalisierten, einstufigen regenerativen Ansatz, um große osteochondrale Läsionen gezielt zu behandeln, der Entstehung von PTOA vorzubeugen sowie teure und invasive endoprothetische Operationen zu vermeiden. Dies bedeutet, dass die Verletzungen direkt im Gelenk repariert werden, ohne dass ein künstliches Gelenk nötig ist.

Komplexe und stabile Gewebe werden minimalinvasiv an verletzte Stelle im Körper gedruckt

Dazu entwickeln die Forschenden eine neue Bioprinting-Technologie namens EndoFLight, die drei spezielle Verfahren kombiniert: Mikroextrusion, Filament Light und Jetting. Damit können spezielle Materialien, die patienteneigene Zellen und heilungsfördernde Substanzen enthalten sowie ein Gel, das sich wie echtes Gewebe verhält, direkt an die verletzte Stelle im Körper gedruckt werden. Mit hochenergetischen Lichtstrahlen werden so in Sekundenschnelle präzise Gerüste erzeugt, die das Wachstum und die Ausrichtung der Zellen optimal unterstützen. Das Verfahren kann mit einem kleinen Eingriff, ähnlich einer Gelenkspiegelung, der so genannten Arthroskopie, durchgeführt werden. Dabei wird das geschädigte Gewebe mit einem optischen Sensor analysiert, und das Gerät druckt präzise die benötigte Menge an Material.

Vorteile: minimalinvasiv, maßgeschneidert, Schutz vor Arthrose, Kostenersparnis 

„Das Verfahren wird für jeden Patienten individuell angepasst. Der Eingriff ist weniger belastend, und die Heilungszeit ist kürzer als bei großen Operationen. Die schnelle Regeneration der Verletzung schützt das Gelenk und beugt Verschleiß vor. Langfristig können teure Operationen und Folgebehandlungen vermieden werden“, fasst Privatdozent Dr. Oliver Pullig die Vorteile zusammen. Pullig leitet gemeinsam mit Sebastian Häusner das EU-Projekt LUMINATE am ehemaligen Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin, der kürzlich in den Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde integriert wurde. Beide nahmen am Luminate-Kick-off-Meeting vom 13. bis 15. Januar in Pisa teil. Die EU fördert das Projekt mit insgesamt 7,5 Millionen Euro, das UKW erhält davon rund 190.000 Euro. Auch das Fraunhofer Translationszentrum in Würzburg ist mit nicht-invasiver Bildgebung an LUMINATE beteiligt. 
Das gesamte Verfahren wird in vitro und in vivo an Tiermodellen validiert, um nach Abschluss des Projekts den Weg für die klinische Anwendung zu ebnen. “Sollte das Projekt erfolgreich sein, könnte es Millionen von Menschen mit Gelenkverletzungen helfen und gleichzeitig das Gesundheitssystem entlasten“, ist sich Sebastian Häusner sicher. 

Der Weg vom Forschungslabor in die Klinik

Das Team des UKW um Oliver Pullig und Sebastian Häusner steht allen Projektpartnern vor allem beratend zur Seite, wenn es um die Good Manufacturing Practice (GMP) neuartiger Arzneimittel geht. Aus vergangenen und laufenden Produktionen, die derzeit im GMP-Stammzelllabor des UKW stattfinden, kennen sie die hohen regulatorischen Anforderungen und Qualitätsstandards, die neue Therapieverfahren erfüllen müssen. 

Zur Projektseite LUMINATE

Text: KL/Wissenschaftskommunikation UKW

Projektkoordinator mit Würzburger Partnern vor grünem Hintergrund.
Gruppenbild anlässlich des Kick-off-Meetings in Pisa im Januar 2025. Von rechts nach links: Projektkoordinator Prof. Giovanni Vozzi (Universität Pisa), Sebastian Häusner (UKW), PD Dr. Oliver Pullig (UKW), Nicola Knetzger (Fraunhofer ISC), Dr. Christian Lotz (Fraunhofer ISC). © Sebastian Häusner
Grafische Darstellung von EndoFLight
Bioprinting Unit: Schematische Darstellung der Endoflight Bioprinting Unit mit zwei Spritzen (links) zur Applikation der Zellen und des Gels, sowie der endoskopischen Einheit mit speziellen optischen Lichtfasern, welche das Gel punktuell aushärten können. © Dr. Parth Chansoria, ETH Zürich
Logo mit Schriftzug Luminate und vereinfachte grafische Darstellung der Lichtfasern

Fibromyalgie objektiv diagnostizieren

UNTERSCHIEDLICH REGULIERTE KLEINE RNAS AUS BLUT ODER HAUT ALS MÖGLICHE BIOMARKER

Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. Sie fanden heraus, dass bestimmte kleine Ribonukleinsäuren (RNAs) im Blut und in Hautzellen von FMS-Patientinnen erhöht sind und mit der Schwere der Symptome korrelieren. Dieser Nachweis objektiv messbarer Veränderungen im Vergleich zu gesunden Probandinnen und in Abgrenzung zu anderen Erkrankungen kann dazu beitragen, die mit FMS verbundene Stigmatisierung abzubauen, eine schnellere und sicherere Diagnose zu erhalten und neue therapeutische Ansätze zu finden.

 

Collage von freigestellten Porträts von Christoph Erbacher und Nurcan Üceyler in weißem Kittel
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. © UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh hält ein Reagenzglas, mit der anderen Hand wird Blut in das Glas pipettiert.
Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. © Anna Wenzl / UKW

Würzburg. Etwa jeder 25. ist vom Fibromyalgie-Syndrom (FMS) betroffen, einer chronischen Erkrankung, die durch Schmerzen in mehreren Körperregionen gekennzeichnet ist. Begleitsymptome sind Erschöpfung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie psychische Belastungen. Da FMS „von außen“ nicht sichtbar ist und der Weg zur Diagnose oft langwierig ist, leiden Patientinnen und Patienten neben den Symptomen oft auch darunter, in ihrer Krankheit nicht verstanden oder akzeptiert zu werden.

Objektiv messbare Marker helfen, Stigma abzubauen

„Die Ursachen des FMS liegen noch im Unklaren, was die gesicherte Diagnose und effektive Behandlung erschwert. Es gibt nur wenige biologische, objektiv messbare Marker für FMS“, berichtet Prof. Dr. Nurcan Üçeyler, leitende Oberärztin in der Neurologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). „Bislang können unsere Therapien symptomatisch und durch Austesten verschiedener multimodaler Ansätze eine Linderung, aber keine Heilung bewirken.“ In ihrer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift PAIN zeigen Nurcan Üçeyler und ihr Team jedoch objektiv messbare Marker, die in Zukunft helfen könnten, FMS schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. Auf Basis der neuen Erkenntnisse könnten zudem neue innovative Behandlungsansätze entwickelt werden, um die Beschwerden zu lindern und die sozioökonomische Belastung für die Gesellschaft angesichts der hohen Prävalenz und der hohen Krankheitslast zu reduzieren.

RNA-Analyse bei Patientinnen mit FMS im Vergleich zu gesunden Probandinnen und Frauen mit Depression und chronischen Schmerzen

Auf der Suche nach messbaren Veränderungen haben die Forschenden kleine, nicht-kodierende Ribonukleinsäuren (RNAs) aus dem Blut und den Hautzellen von FMS-Patientinnen gewonnen. RNAs sind wichtige Informations- und Funktionsträgerinnen einer Zelle. Konkret wurden RNA-Moleküle wie microRNAs und tRNA-Fragmente untersucht, die bei der Steuerung der Zellaktivität und der Genexpression eine Rolle spielen. „Wir haben diese kleinen RNAs nicht nur mit denen gesunder Frauen verglichen, sondern auch mit denen von Patientinnen mit ähnlichem Krankheitsbild, aber anderer Ätiologie, nämlich Patientinnen mit Depression und chronischen Schmerzen“, erklärt Dr. Christoph Erbacher. Der wissenschaftliche Mitarbeiter in der Neurologie und Erstautor der Studie geht ins Detail: „Mit Hilfe moderner RNA-Sequenzierungstechniken konnten wir zeigen, dass einige kleine RNAs wie hsa-miR-182-5p und hsa-miR-576-5p bei FMS-Patientinnen vermehrt im Blut vorkommen. Bei Patientinnen mit schwerer Depression und chronischen Schmerzen sind sie sogar noch stärker erhöht. Auch in Hautzellen und innerhalb der bisher wenig erforschten Klasse der tRNA-Fragmente konnten wir Unterschiede nachweisen.“

„Mehrere kleine RNAs waren mit der Schwere der Symptome assoziiert“

Die Möglichkeit, unterschiedlich regulierte kleine RNAs im Blut oder in der Haut zu bestimmen, stellt somit eine minimalinvasive Perspektive zur Verbesserung der Diagnose dar. Mehrere kleine RNAs wurden auch mit dem Schweregrad der Symptome in Verbindung gebracht, beispielsweise mit der Ausdehnung des Schmerzes im Körper und der empfundenen Schmerzstärke, was zur Verlaufskontrolle der Krankheit oder zur Einteilung der Patientinnen und Patienten in diagnostische und eventuell auch therapeutische Subgruppen genutzt werden kann. Schließlich haben die kleinen RNAs bekannte und teilweise unbekannte Funktionen in den Körperzellen.

RNAs in Hautzellen stehen im Zusammenhang mit Schmerzreizen, RNAs im Blut sind an der Regulation von Immunzellen beteiligt

Interessant ist laut Erbacher auch die Erkenntnis, dass die beschriebenen Veränderungen von microRNAs und tRNA-Fragmenten in den Hautzellen mit den bereits beschriebenen Nervenschädigungen an den kleinen Nervenfasern der Haut zusammenhängen könnten. Diese Nervenfasern vermitteln die Wahrnehmung potenziell schmerzhafter äußerer Reize. Die im Blut von FMS-Patientinnen gefundenen kleinen RNAs sind dagegen an der Regulation von Immunzellen beteiligt, was in Übereinstimmung mit anderen aktuellen Studien eine Beteiligung des Immunsystems an den Symptomen des FMS nahelegt.

Validierung in einer größeren Kohorte und Studie an Männern

Wann können Betroffene und Behandelnde von den Erkenntnissen profitieren? „Bevor zum Beispiel ein Bluttest etabliert werden kann, müssen die kleinen RNAs in einer neuen, größeren Kohorte validiert werden“, antwortet Nurcan Üçeyler. Außerdem sollen die gefundenen Unterschiede auch in der bisher unterrepräsentierten Gruppe der Männer mit FMS untersucht werden. Zudem gilt es zu prüfen, in welchen Immunzellen im Blut diese Veränderungen auftreten und wie sie zum Beispiel die Ausschüttung von Botenstoffen und Antikörpern modulieren.

Dank an Kooperationspartner, Förderer sowie Patientinnen und Probandinnen

Die Studie wurde interdisziplinär gemeinsam mit Grundlagenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Hebrew University of Jerusalem (HUJI) und intersektoral mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des UKW durchgeführt.

Das Projekt wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Israel Science Foundation, Keter Holdings und der Ken Stein Familienstiftung. Ein besonderer Dank gilt den zahlreichen Patientinnen und gesunden Probanden, durch deren Teilnahme die der Studie zugrundeliegenden Untersuchungen erst möglich wurden.

Publikation:
Erbacher C, Vaknine-Treidel S, Madrer N, Weinbender S, Evdokimov D, Unterecker S, Moshitzky G, Sommer C, Greenberg DS, Soreq H, Üçeyler N. Altered blood and keratinocyte microRNA/transfer RNA fragment profiles related to fibromyalgia syndrome and its severity. Pain. 2024 Dec 6. doi: 10.1097/j.pain.0000000000003499. Epub ahead of print. PMID: 39679614.

 

Collage von freigestellten Porträts von Christoph Erbacher und Nurcan Üceyler in weißem Kittel
Prof. Dr. Nurcan Üçeyler und Dr. Christoph Erbacher von der Neurologischen Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Fibromyalgie-Syndrom (FMS) in der Fachzeitschrift Pain veröffentlicht. © UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh hält ein Reagenzglas, mit der anderen Hand wird Blut in das Glas pipettiert.
Unterschiedlich regulierte kleine RNAs aus Blut oder Haut sind mögliche Biomarker, die in Zukunft helfen könnten, Fibromyalgie schneller und besser zu diagnostizieren und damit unter anderem die Stigmatisierung abzubauen. © Anna Wenzl / UKW

Arachnophobie aus Gehirn löschen

WER HAT ANGST VOR SPINNEN UND MÖCHTE DIESE ANGST DURCH TRANSKRANIELLE MAGNETSTIMULATION ÜBERWINDEN?

Das Zentrum für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Würzburg untersucht in der neuen Studie SpiderMEM, ob die transkranielle Magnetstimulation (TMS) das Angstgedächtnis von Menschen mit Spinnenphobie und Spinnenangst direkt verändern kann. Dafür findet bei allen Teilnehmenden eine TMS statt, bei einem Teil erfolgt diese nach einer kurzen, kontrollierten Konfrontation mit einer echten Spinne. Zusätzlich wird mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht, wie sich das Angstgedächtnis auf neuronaler Ebene während der Studie verändert.

 

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW
Frau hat eine Spule am Kopf, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Im Hintergrund ein Monitor mit Bildern vom Gehirn.
Die Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. © Martin Herrmann / UKW

Würzburg. Die Angst vor Spinnen, auch Arachnophobie genannt, ist weit verbreitet und kann bei manchen Menschen so stark ausgeprägt sein, dass sie den Alltag erheblich einschränkt. Selbst wenn keine Gefahr besteht, geraten die Betroffenen in Panik, wenn sie mit dem achtbeinigen Tier konfrontiert werden. Allein das Wort kann Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern oder sogar Atemnot auslösen. 

Das Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) möchte Betroffenen helfen und entwickelt symptomorientierte Therapien, die mit innovativen Methoden die bewährten Expositionstherapien für verschiedene Ängste erweitern und deren Wirksamkeit verbessern. So wurden in der Studie Spider VR 174 Personen mit Spinnenphobie in einer virtuellen Welt mit den angstauslösenden Tieren konfrontiert, mit dem Ziel, die Spinngenangst langfristig zu reduzieren. In einer anderen Studie wurde das Angstgedächtnis zunächst kurz aktiviert, um dann mit dem Verfahren der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) die Wiederabspeicherung zu unterbrechen. Auf diese Weise können emotionale Gedächtnisinhalte langfristig aus dem Gedächtnis entfernt werden. 

Mit Transkranieller Magnetstimulation das Angstgedächtnis beeinflussen

Die TMS ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. Dabei wird eine Spule am Kopf angebracht, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Die transkranielle Hirnstimulation ist relativ sicher, gut verträglich und bietet vielversprechende Anwendungen in den Neurowissenschaften und der Psychiatrie, insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ansprechen.
Aber kann der moderne Ansatz der TMS das Angstgedächtnis direkt beeinflussen? Und wenn ja, wie? Die Forschung geht weiter. In einer Folgestudie wollen Professor Dr. Martin Herrmann, leitender Psychologe am ZEP, und sein Team bei allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer die TMS anwenden, bei einem Teil nach einer kurzen, kontrollierten Konfrontation mit einer echten Spinne. Zusätzlich wird mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) analysiert, wie sich das Angstgedächtnis auf neuronaler Ebene während der Studie verändert.

Informationen zur SpiderMEM-Studie

„Wer unter Spinnenangst leidet und diese überwinden möchte, ist herzlich eingeladen, mit uns den nächsten Schritt zu gehen und Teil unseres spannenden Forschungsprojektes zu werden“, lädt Lisa Cybinski, Psychologin und Studienleiterin, alle Interessierten ein. Der Zeitaufwand beträgt insgesamt etwa dreieinhalb Stunden ohne MRT bzw. viereinhalb Stunden mit MRT, verteilt auf vier bis sechs Sitzungen innerhalb von drei Wochen und eine weitere Sitzung nach drei Monaten, um den Langzeiterfolg zu beurteilen. 

Interessierte wenden sich bitte unverbindlich an das Studienteam „SpiderMem“ am Zentrum für Psychische Gesundheit, vorzugsweise per E-Mail an Spider_VR@ukw.de oder telefonisch unter 0931/201-77430. Sollte das Team nicht direkt erreichbar sein, hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, Sie werden zeitnah zurückgerufen.
 

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW
Frau hat eine Spule am Kopf, von der aus gezielt magnetische Impulse durch die Schädeldecke (transkraniell) an bestimmte Hirnareale abgegeben werden, um deren Aktivität zu beeinflussen. Im Hintergrund ein Monitor mit Bildern vom Gehirn.
Die Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive und nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation. © Martin Herrmann / UKW

Hochmoderne, gleichberechtigte Krebsversorgung in ganz Europa

Die "Joint Action on Networks of Expertise" (JANE) ist eine von der EU initiierte Maßnahme zur Verbesserung der Krebsversorgung durch die Etablierung von sieben Kompetenznetzwerken (NoEs). Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ist an zwei der insgesamt sieben definierten Kompetenznetzwerke direkt beteiligt: Prof. Anke K. Bergmann arbeitet mit ihrem Team im Netzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben.

Freigstellte Porträts von Hermann Einsele und Anke K. Bergmann vor halb transparenter EU-Flagge
Prof. Anke K. Bergmann arbeitet in der Joint Action on Networks of Expertise (JANE) mit ihrem Team im Kompetenznetzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben. © UKW (Daniel Peter / Anke K-Bergmann) / Canva (Evgenii Illarionov’s Image)

Würzburg. Krebs kennt keine Grenzen. Das Projekt JANE soll sicherstellen, dass Krebspatientinnen und Krebspatienten in ganz Europa Zugang zu den modernsten Krebstherapien haben. Ziel ist es, Innovationen zu fördern, die Überlebensraten und die Lebensqualität von Menschen mit Krebs zu verbessern und gleichzeitig die sozioökonomischen Auswirkungen der Krankheit zu verringern. 
JANE steht für "Joint Action on Networks of Expertise" - eine gemeinsame Aktion für Kompetenznetzwerke in Schlüsselbereichen der Onkologie. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren in JANE-1 eine Vision entwickelt und Missionen definiert wurden, sollen in den kommenden vier Jahren in JANE-2 sieben Netzwerke in die Praxis umgesetzt werden. Die Schwerpunkte liegen auf personalisierter Prävention, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Krebs, Nachsorge, Palliativmedizin, hochtechnologischen medizinischen Ressourcen sowie zwei Netzwerken, an denen die Universitätsmedizin Würzburg maßgeblich beteiligt ist: Omics-Technologien und komplexe Krebserkrankungen sowie Krebserkrankungen mit schlechter Prognose, so genannte Poor Prognosis Cancers (PPCs). 

Schnelle Integration neuartiger Genomtechnologien in die Routine 

Professorin Anke K. Bergmann wird mit ihrem Team zum Kompetenznetz Omics-Technologien beitragen. Omics-Technologien spielen mit ihren fortschrittlichen molekularen Ansätzen eine Schlüsselrolle in der Krebstherapie. Die systematische Analyse biologischer Moleküle wie Gene, Proteine und Stoffwechselprodukte hilft, die Mechanismen von Krebserkrankungen besser zu verstehen und personalisierte Therapien voranzutreiben. Anke K. Bergmann, die seit September 2024 die Professur für Klinische Genetik und Genommedizin am UKW innehat, ist führend im Bereich der Genomtechnologien. „Genomische Profile helfen, die Aggressivität eines Tumors und die Überlebenswahrscheinlichkeit besser einzuschätzen und zielgerichtete Therapien zu entwickeln“, sagt Prof. Dr. Bergmann. "Gemeinsam wollen wir die Integration neuer Genomtechnologien in die Routineversorgung beschleunigen, Herausforderungen bei der Umsetzung meistern und die Präzisionsonkologie durch Spitzenforschung und Ausbildungsinitiativen vorantreiben", nennt die Medizinerin die Ziele des koordinierten EU-Netzwerks.

Poor-Prognosis Cancers (PPCs)

Das Team von Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II am UKW, wird sich auf komplexe Krebserkrankungen und solche mit schlechter Prognose konzentrieren. Im Rahmen des Forschungsschwerpunkts sollen insbesondere Roadmaps für PPC-Netzwerke wie Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs entwickelt werden, wobei der Fokus auf der Früherkennung, umfassenden Behandlungspfaden und translationaler Forschung zur Verbesserung der Überlebensraten liegt.
„Der Beitrag der Universitätsmedizin Würzburg zu dieser Initiative bietet eine hervorragende Möglichkeit, im Rahmen einer europäischen Kooperation neue Behandlungsmöglichkeiten voranzutreiben und innovative Standards in der Diagnostik von bisher schwer behandelbaren Tumorerkrankungen zu setzen“, kommentiert Prof. Dr. Hermann Einsele. 

Gemeinsame Anstrengungen in JANE-2 

Die Gemeinsame Aktion der EU zur Schaffung von Expertennetzwerken zur Krebsbekämpfung (JANE-2), die am 1. November offiziell gestartet wurde, ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Krebs in ganz Europa. JANE-2 wird von der Fondazione IRCCS Istituto Nazionale dei Tumori in Mailand koordiniert und bringt 121 Partner aus 25 EU-Mitgliedstaaten und vier assoziierten Ländern im Rahmen des EU4Health-Programms zusammen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Vorgängerinitiative JANE zielt diese auf vier Jahre (2024-2028) angelegte Initiative darauf ab, sieben bahnbrechende Kompetenznetze (Networks of Expertise, NoEs) in Schlüsselbereichen der Onkologie zu etablieren. Um eine effektive Verbreitung, Nachhaltigkeit und Steuerung der Kompetenznetze zu gewährleisten, setzt JANE-2 auf Synergien mit anderen EU-Initiativen, wissenschaftlichen Gesellschaften und Interessengruppen.

„Krebs ist nach wie vor die zweithäufigste Todesursache in Europa, und es wird erwartet, dass die Zahl der Krebsfälle bis 2050 erheblich ansteigen wird“, sagt Projektkoordinator Paolo Giovanni Casali. „Durch die Bündelung des europäischen Fachwissens in der Onkologie schafft JANE-2 einen Präzedenzfall für eine innovative und koordinierte Krebsbehandlung. Die Initiative zeigt, wie wichtig die EU-Finanzierung ist, wenn es darum geht, die Herausforderungen in der Krebsbehandlung anzugehen, eine qualitativ hochwertige, multidisziplinäre Behandlung bereitzustellen und wirksame Forschung und Ausbildung zu fördern. Webseite: https://jane-project.eu

Wissenschaftskommunikation / UKW
 

Freigstellte Porträts von Hermann Einsele und Anke K. Bergmann vor halb transparenter EU-Flagge
Prof. Anke K. Bergmann arbeitet in der Joint Action on Networks of Expertise (JANE) mit ihrem Team im Kompetenznetzwerk Omics-Technologien an genomischen Technologien und Prof. Hermann Einsele konzentriert sich mit seiner Arbeitsgruppe auf komplexe Krebserkrankungen, die schwer zu behandeln sind oder/und eine schlechte Prognose haben. © UKW (Daniel Peter / Anke K-Bergmann) / Canva (Evgenii Illarionov’s Image)