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METAHEART: Europäisches Netzwerk zur Erforschung metabolischer Veränderungen bei Herzschwäche

In ihrer Sonderausgabe zu Stoffwechselveränderungen bei Herzinsuffizienz veröffentlicht die kardiologische Fachzeitschrift „Nature Reviews Cardiology“ vier Artikel aus dem EU-geförderten Netzwerk COST Action EU-METAHEART sowie ein Editorial von Prof. Dr. Christoph Maack, dem Vorsitzenden des Konsortiums und Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI).

Ein Herz und ein Schriftzug METAHEART mit Verlauf von blau zu rot
Collage von Katrin Streckfuß-Bömeke mit Bluse und dunklem Blazer und Christoph Maack im Kittel. Im Hintergrund Glasfront des Seminarraums im DZHI.
Prof. Dr. Christoph Maack ist Vorsitzender der COST Action EU-METAHEART, Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke koordiniert im Netzwerk die Short-Term Scientific Missions. © Universitätsmedizin Würzburg / Collage mit Canva
eine hellgraue Landkarte von Europa mit Flugzeugstrecken von Ländern zu anderen Ländern, um die Forschungsaufenthalte zu verdeutlichen.
Durch die Short-Term Scientific Missions (STMS) findet ein großer wissenschaftlicher Austausch innerhalb Europas statt. © Design by Boutik.pt, for the EU-METAHEART COST Action CA22169

Würzburg. Zehn bis 20 Prozent der über 70-Jährigen in Europa leiden an Herzinsuffizienz, auch Herzschwäche genannt. Entweder pumpt ihr Herz nicht mehr stark genug oder es füllt sich nicht richtig. Bei einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF, Heart Failure with reduced Ejection Fraction) liegt in der Regel eine direkte Schädigung des Herzens vor, beispielsweise durch einen Herzinfarkt. Im Gegensatz dazu wird die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion, kurz HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction), häufig durch nicht herzspezifische Begleiterkrankungen wie Adipositas, Bluthochdruck und Niereninsuffizienz verursacht. Aber auch Diabetes ist ein wichtiger Risikofaktor. Umgekehrt kann Herzinsuffizienz Diabetes, Niereninsuffizienz und andere Erkrankungen begünstigen.

COST Action EU-METAHEART: EUropean network to tackle METAbolic alterations in HEART failure

Deshalb wird die Herzinsuffizienz inzwischen nicht mehr als isolierte Organerkrankung, sondern als Systemerkrankung des gesamten Körpers betrachtet. Das Herz steht in ständigem Austausch mit anderen Organen, beispielsweise über Hormone, Entzündungsprozesse und den Stoffwechsel. Der Stoffwechsel, auch Metabolismus genannt, umfasst insbesondere die Umwandlung von Nahrungsstoffen wie Zucker, Fetten und Aminosäuren in zelluläre Energie in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Genau diese metabolischen Veränderungen bei Herzschwäche stehen im Forschungsfokus des Europäischen Netzwerks EU-METAHEART (EUropean network to tackle METAbolic alterations in HEART failure). METAHEART ist eine sogenannte COST Action (CA22169), die am 18. Oktober 2023 in Brüssel ihren Kick-off hatte und vier Jahre lang gefördert wird. COST steht für „European Cooperation in Science and Technology“, und Action für das geförderte Forschungsnetzwerk, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 40 Ländern und mit unterschiedlichen Karrierestufen zu einem gemeinsamen Thema zusammenarbeiten. 

Sonderausgabe von Nature Reviews Cardiology zu Stoffwechselveränderungen bei Herzinsuffizienz 

Einen Überblick über die vier Forschungsschwerpunkte von METAHEART (Zellstoffwechsel im Herzmuskel, Stoffwechselveränderungen auf die Blutgefäße, Immunmetabolismus, Mechano-Energetik bei Herzinsuffizienz) liefert die aktuelle Sonderausgabe der renommierten kardiologischen Fachzeitschrift „Nature Reviews Cardiology“ zum Thema Stoffwechselveränderungen bei Herzinsuffizienz. Sie erschien im Rahmen des Kongresses der Society for Heart and Vascular Metabolism, der vom 22. bis 25. Juni in Bordeaux stattfand. Das Editorial schrieb Prof. Dr. Christoph Maack, Initiator von EU-METAHEART und Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI), an dem er die Translationale Forschung leitet. Neben Maack sind eine Reihe weiterer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Klinikerinnen und Kliniker aus der Universitätsmedizin Würzburg an dem Netzwerk beteiligt. 

Mechano-Energetik: Wenn Pumpfunktion und Energieversorgung aus dem Gleichgewicht geraten

Maacks Forschungsschwerpunkt ist die Mechano-Energetik bei Herzinsuffizienz, die in der vierten Arbeitsgruppe von METAHEART abgebildet wird. Im gesunden Herzen ist die Energieversorgung eng an den ständig wechselnden Bedarf angepasst. Bei Herzinsuffizienz kommt es jedoch zu einem Missverhältnis zwischen Energieversorgung und -bedarf. „Während dies bei Herzschwäche mit reduzierter Pumpfunktion vor allem auf eine verringerte Energieversorgung aufgrund von Defekten der Mitochondrien zurückzuführen ist, wird bei Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion das anfangs noch gut funktionierende Herz mechanisch überlastet, beispielsweise durch hohen Blutdruck oder Übergewicht. In beiden Krankheitsbildern kommt es durch dieses Missverhältnis zu oxidativem Stress, der das Herz wiederum langfristig schädigt“, erklärt Christoph Maack. Klassische Medikamente wie ACE-Hemmer, Betablocker oder sogenannte ARNI helfen vor allem bei eingeschränkter Pumpfunktion. Bei erhaltener Pumpfunktion wirken sie dagegen weniger gut. Maack ergänzt: „Diese Form der Herzschwäche ist derzeit eine unserer größten therapeutischen Herausforderungen.“

Therapieansätze, die schädlichen Sauerstoffstress in Herzmuskelzellen hemmen

Es gibt jedoch neue Therapieansätze, die gezielt am Stoffwechsel ansetzen und sich auch positiv auf Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion auswirken. Dazu zählen beispielsweise SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten, die ursprünglich für die Behandlung von Diabetes entwickelt wurden. Diese positiven Effekte hängen vermutlich mit einer besseren Energieverwertung im Körper und im Herzen zusammen. Auch bei der Mechano-Energetik spielen die Mitochondrien eine wichtige Rolle. Sind diese energetisch überlastet oder arbeiten im weiteren Verlauf nicht mehr richtig, entstehen vermehrt reaktive Sauerstoffspezies (ROS). Diese stören die elektrische Steuerung und das Zusammenziehen des Herzens, also die elektromechanische Kopplung. Zudem werden schädliche Signalwege aktiviert, die zu Umbauprozessen des Herzens führen und dessen Struktur und Funktion weiter verschlechtern. In Tierversuchen zeigen neue Therapieansätze, die oxidativen Stress in den Zellen hemmen, vielversprechende Ergebnisse. In der Praxis sind diese Therapien allerdings noch nicht angekommen. 

„Trotz bedeutender Fortschritte in der Forschung übersteigt die Komplexität des Stoffwechsels und die wechselseitige Abhängigkeit regulatorischer Mechanismen häufig die Möglichkeiten einzelner Disziplinen und Institutionen. Daher sind Konsortien wie METAHEART so wichtig, in denen Forschungsinitiativen in ganz Europa vernetzt werden“, betont Christoph Maack. 

Einfluss von Stoffwechselveränderungen auf Blutgefäße, Zellstoffwechsel im Herzmuskel und Immunmetabolismus

Die Arbeitsgruppe „Vaskuläre (Dys-)Funktion“, der auch einige Mitglieder der früheren COST Action EU-CARDIOPROTECTION (CA16225) angehören, analysiert den Einfluss von Stoffwechselveränderungen auf die Blutgefäße. Während es bei HFrEF aufgrund von Verengungen oder Verschlüssen oft in den großen Herzkranzgefäßen zu Durchblutungsstörungen kommt, ist bei HFpEF eher die Durchblutung in den kleinen Gefäßen des Herzmuskels gestört. In beiden Fällen bekommt der Herzmuskel zu wenig Blut und Sauerstoff und kann nicht mehr richtig arbeiten. Umgekehrt kann eine Herzschwäche die Durchblutung des Herzens verschlechtern – ein Teufelskreis.

Eine weitere Arbeitsgruppe untersucht, ob und wie Zwischenprodukte des Stoffwechsels die Herzmuskelzellen zusätzlich belastet. Metabolische Zwischenprodukte stehen im Verdacht, die Funktion wichtiger Eiweiße im Herzmuskel zu verändern und den Transport und Austausch von elektrisch geladenen Teilchen - sogenannten Ionen - wie zum Beispiel Kalzium, Natrium und Kalium in und aus den Herzmuskelzellen sowie die Energieübertragung zu stören. Dies erhöht den oxidativen Stress und schwächt das Herz langfristig. In der dritten Arbeitsgruppe, der Arbeitsgruppe „Immunmetabolismus“, steht das Zusammenspiel zwischen Stoffwechselveränderungen und Entzündungsprozessen im Vordergrund. Ist das Herz gestresst, reagiert das Immunsystem. Abwehrzellen wandern in den Herzmuskel ein und können, je nach Stoffwechsel, Entzündungen fördern oder hemmen. Diese Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem werden auch im Sonderforschungsbereich SFB 1525 (Sprecher: Prof. Dr. Stefan Frantz) am Universitätsklinikum Würzburg intensiv erforscht. 

Zukunftsfähigkeit des gesamteuropäischen Wissenschaftsraums stärken 

Insgesamt sind Forscherinnen und Forscher aus 43 Ländern an METAHEART beteiligt, darunter 22 sogenannte ITCs. ITC steht für „Inclusiveness Target Countries“. Diese Länder gehören im Hinblick auf Forschung und Entwicklung zu den strukturschwächeren in Europa. Damit alle gleichermaßen vom wissenschaftlichen Austausch profitieren, müssen bei jeder COST Action mindestens 50 Prozent der beteiligten Länder ITCs sein. Ebenso ausgewogen sollte die Vertretung von Frauen und Männern in den Forschungsnetzwerken und Führungspositionen sein. Ein weiterer wichtiger Punkt der COST Actions ist die Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, den sogenannten YRI, was für Young Researchers and Innovators steht. Damit soll der Wissenstransfer gesichert und die Zukunftsfähigkeit des gesamteuropäischen Wissenschaftsraums gestärkt werden. 

Short-Term Scientific Missions (STSM) 

Eine wichtige und beliebte Maßnahme der COST Actions sind die Kurzzeit-Forschungsaufenthalte, sogenannte Short-Term Scientific Missions (STSM). „Je nach wissenschaftlicher Fragestellung, Versuchsanordnung und Budget können unsere YRIs für einige Wochen ein wissenschaftliches Praktikum in einem anderen Labor absolvieren“, berichtet STSM-Koordinatorin Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke. Die Professorin für Molekulare Pharmakologie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist Expertin für Erkrankungen des Herzmuskels, sogenannte Kardiomyopathien (siehe PM). Durch die STSM findet laut Streckfuß-Bömeke ein großer wissenschaftlicher Austausch innerhalb Europas statt. Ziel ist, dass jede Mission zu einer nachhaltigen Zusammenarbeit zwischen zwei Arbeitsgruppen führt. Es müsse ja kein riesiges Projekt sein, aber eine gemeinsam erarbeitete Abbildung in einem Paper oder ein gemeinsames Review seien schon toll, vor allem, wenn es von YRIs aus einem Eingliederungszielland kommt. 

Drei Tage Training School und zwei Tage Konferenz in Würzburg

Neben den STSM profitieren die jungen Forschenden auch von Konferenzen, Workshops und Trainings. So fand im September 2024 in Würzburg eine dreitägige Training School mit 24 jungen Talenten aus verschiedenen Ländern statt, an die sich eine zweitägige Konferenz anschloss. Die Teams von Christoph Maack und Katrin Streckfuß-Bömeke gaben den YRIs in den Laboren des DZHI Kurse zu den Methoden Ionoptix, Oroboros und Seahorse, die sowohl theoretische als auch praktische Inhalte umfassten. Dabei wurden sie von Vertretern der Gerätefirmen unterstützt, die eigens dafür angereist waren. Zusätzlich wurden Mentoring-Vorträge und -Gespräche für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeboten. 

„In Europa gibt es viele exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet Metabolismus und Herzinsuffizienz. Aber die Fäden laufen oft in Würzburg zusammen. Die Kombination verschiedener Techniken auf dem Gebiet des Metabolismus ist hier einzigartig“, so Katrin Streckfuß-Bömeke, die bis 2021 in Göttingen geforscht hat. „Wir arbeiten mit Humangewebe, Mausgewebe und humanen Stammzellmodellen. Viele Länder haben nicht die Möglichkeit, all diese Modellsysteme und humanen Ressourcen zu nutzen.“

Die COST Action EU-METAHEART wird mit über 200.000 Euro pro Jahr für die genannten Netzwerkaktivitäten gefördert. Für ihr Engagement als Mitglieder des sogenannten Management Committee (MC) erhalten Streckfuß-Bömeke und Maack selbst keine direkten Fördergelder. Ihre Arbeit ist jedoch eine Investition in die Zukunft. So werden Kooperationspartner gefunden und neue Anträge für gemeinsame Projekte eingereicht. „Dieses Niveau, das in so kurzer Zeit erreicht wurde, und der Spirit, mit dem die Leute interagieren, habe ich so noch nie gesehen“, freut sich Katrin Streckfuß-Bömeke. Christoph Maack ergänzt: „Mit EU-METAHEART ist eine ganz neue Community entstanden. Man spürt förmlich, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Themen Metabolismus und Herzinsuffizienz brennen. Jetzt haben sie endlich eine Plattform, auf der sie gemeinsam viel bewegen können.“

Text: KL / Wissenschaftskommunikation 

 

Ein Herz und ein Schriftzug METAHEART mit Verlauf von blau zu rot
Collage von Katrin Streckfuß-Bömeke mit Bluse und dunklem Blazer und Christoph Maack im Kittel. Im Hintergrund Glasfront des Seminarraums im DZHI.
Prof. Dr. Christoph Maack ist Vorsitzender der COST Action EU-METAHEART, Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke koordiniert im Netzwerk die Short-Term Scientific Missions. © Universitätsmedizin Würzburg / Collage mit Canva
eine hellgraue Landkarte von Europa mit Flugzeugstrecken von Ländern zu anderen Ländern, um die Forschungsaufenthalte zu verdeutlichen.
Durch die Short-Term Scientific Missions (STMS) findet ein großer wissenschaftlicher Austausch innerhalb Europas statt. © Design by Boutik.pt, for the EU-METAHEART COST Action CA22169

UKW erneut als größtes Team beim WVV-Firmenlauf ausgezeichnet

330 angemeldete Läuferinnen und Läufer

Das UKW wurde beim WVV Firmenlauf am 26. Juni (Donnerstag) erneut als größtes Team ausgezeichnet. Foto: UKW / Katja Zischler
Das UKW wurde beim WVV Firmenlauf am 26. Juni (Donnerstag) erneut als größtes Team ausgezeichnet. Foto: UKW / Katja Zischler

Würzburg. Starke Teamleistung: Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) wurde beim WVV Firmenlauf am 26. Juni (Donnerstag) mit 330 angemeldeten Läuferinnen und Läufern als größtes Team ausgezeichnet. Auch bei den Firmenläufen in den Vorjahren stellte das UKW das größte Team.

Zudem konnten tolle Platzierungen in den Einzelwertungen und sogar der erste Platz der Teamwertung auf der 7,4 Kilometer langen Strecke erreicht werden. Start- und Zielpunkt war das Dallenbergbad. 

Die Teilnahme des UKW wurde wie in den Vorjahren durch das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) organisiert. Zudem beteiligten sich viele Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Geschäftsbereichen und Abteilungen an der reibungslosen Versorgung und Betreuung des Laufteams vor und nach dem Lauf.

Das UKW wurde beim WVV Firmenlauf am 26. Juni (Donnerstag) erneut als größtes Team ausgezeichnet. Foto: UKW / Katja Zischler
Das UKW wurde beim WVV Firmenlauf am 26. Juni (Donnerstag) erneut als größtes Team ausgezeichnet. Foto: UKW / Katja Zischler

Weniger Schmerz, mehr Lebensfreude – Axia-App-hilft bei axialer Spondyloarthritis

Das Start-up-Unternehmen Applimeda, das von Würzburger Medizinstudierenden gegründet wurde, hat gemeinsam mit der Rheumatologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) sowie Patientinnen und Patienten mit axialer Spondyloarthritis eine digitale Therapiehilfe entwickelt. Die signifikanten Ergebnisse der klinischen Studie zeigen nun, dass die App „Axia” eine sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen Behandlung ist und Betroffene effektiv dabei unterstützt, ihre Behandlung aktiv mitzugestalten und vor allem regelmäßige Bewegung – ein zentraler Baustein der Therapie – besser in den Alltag zu integrieren. Mithilfe der App konnten Symptome gelindert, die Beweglichkeit verbessert und die Lebensqualität deutlich gesteigert werden.

Patrick-Pascal Strunz steht am Podium auf der Bühne vom EULAR-Kongress in Barcelona.
Dr. Patrick-Pascal Strunz stellte die signifikanten Ergebnisse der Axia-Studie als Late-Breaking Abstract auf dem Europäischen Rheumatologie-Kongress (EULAR) im Juni 2025 in Barcelona vor. © Marc Schmalzing / UKW
Selfie von Marc Schmalzing, der den Arm um Patrick-Pascal Strunz gelegt hat - beide lachen in die Kamera
Die Würzburger Rheumatologen Patrick-Pascal Strunz (links) und Marc Schmalzing freuten sich in Barcelona über die gute Resonanz auf die App für Personen mit axialer Spondyloarthritis (axSpA). © Marc Schmalzing / UKW
Collage mit vier Rahmen von Canva und Screenshots vom Mobiltelefon mit verschiedenen Funktionen der App
Die App „Axia” bietet über 250 physiotherapeutisch angeleitete Übungsvideos, kurze Dehn- und Mobilisationsübungen, eine Wissensbibliothek, interaktive Lernmodule, einen Schmerz- und einen Medikamententracker sowie viele weitere Funktionen. © Applimeda / UKW
Collage Laptop als Rahmen, innen ein Screenshot von der Applimeda-Webseite
Ein spielerisches Belohnungssystem mit Punkten, virtuellen Meilensteinen und dem Maskottchen Bechto sorgt bei Axia zusätzlich für Motivation. © Applimeda / UKW

Würzburg. Bei der axialen Spondyloarthritis (axSpA) handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der Gelenke, die vor allem die Wirbelkörper (griechisch spondylos) entlang der Körperachse (lateinisch axis) betrifft, also primär die Wirbelsäule und die Iliosakralgelenke. Die Erkrankung, auch als Morbus Bechterew bekannt, tritt meist im jungen Erwachsenenalter auf, häufig vor dem 45. Lebensjahr. Typisch sind schleichend beginnende, entzündliche Rückenschmerzen, die vor allem im Ruhezustand auftreten. In Deutschland sind schätzungsweise 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung betroffen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität zu erhalten. Neben einer entzündungshemmenden medikamentösen Therapie ist eine konsequente Bewegungs- und Physiotherapie eine der zentralen Säulen leitliniengerechter Therapie. Oftmals mangelt es jedoch an der notwendigen Unterstützung und Motivation, um die empfohlenen Übungen täglich zu Hause durchzuführen.

Axia bietet über 250 physiotherapeutisch angeleitete Übungsvideos, Wissensbibliothek, Symptom- und Medikamententracker und vieles mehr

Hier setzt die Axia-App an. Die digitale Therapiehilfe für Menschen mit axialer Spondyloarthritis (axSpA) wurde von den Würzburger Medizinstudenten Maxime Le Maire und Tobias Heusinger sowie dem Informatiker Robert Leppich im Rahmen des Start-ups Applimeda sowie in Zusammenarbeit mit der Rheumatologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (DVMB) entwickelt. Die App bietet über 250 physiotherapeutisch angeleitete Übungsvideos, darunter auch sogenannte Alltagsroutinen. Bei diesen werden gezielte Dehn- oder Mobilisationsübungen in alltägliche Aktivitäten wie Zähneputzen oder Kaffeekochen eingebaut. Ein spielerisches Belohnungssystem mit Punkten, virtuellen Meilensteinen und dem Maskottchen Bechto sorgt zusätzlich für Motivation. Neben den Übungen umfasst die App auch edukative Inhalte. In interaktiven Lernmodulen wird medizinisches Wissen zur Erkrankung sowie Tipps zu den Themen Ernährung, Medikamenteneinnahme, Begleiterkrankungen und Alltagserleichterungen vermittelt. Ergänzt wird das Angebot durch Funktionen wie einen Symptom- und Medikamententracker, die Möglichkeit, Schrittzählerdaten einzubinden, sowie Entspannungsübungen.

App erzielt in Studie signifikante klinische Verbesserungen bei Personen mit axialer Spondyloarthritis (axSpA) 

In einer Usability-Studie konnte bereits gezeigt werden, dass sich die Trainingshäufigkeit der Teilnehmenden durch die Nutzung der App deutlich erhöhte – von durchschnittlich einem auf sechs Tage pro Woche. Viele Nutzerinnen und Nutzer berichteten bereits nach kurzer Zeit über eine verbesserte Beweglichkeit und weniger Schmerzen. Diese subjektiven Eindrücke wurden nun durch eine randomisiert-kontrollierte, deutschlandweite Studie mit insgesamt 200 Patientinnen und Patienten mit axSpA bestätigt. In der klinischen Studie erreichte die Gruppe, die zusätzlich zur regulären medikamentösen Behandlung die App „Axia“ nutzte, deutlich bessere Ergebnisse als die Gruppe ohne App. Bereits nach drei Monaten berichteten viele von ihnen von spürbaren Verbesserungen bei ihren Beschwerden, ihrer Beweglichkeit und ihrem allgemeinen Wohlbefinden“, sagt Studienleiter Dr. Patrick-Pascal Strunz. Der Rheumatologe durfte die signifikanten Ergebnisse als Late-Breaking Abstract auf dem Europäischen Rheumatologie-Kongress (EULAR) im Juni 2025 in Barcelona vorstellen (LB0002 2025).

Weniger Krankheitsaktivität und mehr Lebensfreude

Konkret sank die Krankheitsaktivität, gemessen mit dem BASDAI-Score (0–10 Punkte, wobei 10 für maximale Aktivität steht), in der App-Gruppe um durchschnittlich 1,66 Punkte, während sie in der Kontrollgruppe nur um 0,11 Punkte sank. Die Funktionseinschränkung im krankheitsspezifischen BASFI-Score (ebenfalls 0–10 Punkte) nahm um 1,12 Punkte ab, während sie in der Kontrollgruppe nur um 0,06 Punkte zurückging. Auch die Einschränkung der Lebensqualität im ASQoL verbesserte sich um 2,51 Punkte gegenüber 0,16 Punkten. Für die App-Nutzer und -Nutzerinnen bedeutet das mehr Lebensfreude, weniger Einschränkungen im Alltag und einem besseren Umgang mit der Erkrankung. Alltägliche Aktivitäten wie Anziehen, Bücken oder längeres Gehen fielen den Nutzerinnen und Nutzern nach der Anwendung leichter. Viele fühlten sich insgesamt aktiver, beweglicher und leistungsfähiger. Zudem gingen die typischen Krankheitssymptome wie Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit und Erschöpfung in der App-Gruppe merklich zurück. 

Medizinisch messbarer Erfolg der Morbus Bechterew-Behandlung nach ASAS-Kriterien

Ein deutlicher Therapieerfolg zeigte sich auch nach den internationalen, standardisierten Bewertungskriterien der Assessment of SpondyloArthritis International Society (ASAS)*. 51 Prozent der App-Nutzerinnen und -Nutzer erreichten ein ASAS20-Ziel (20-prozentige Besserung), im Vergleich zu neun Prozent bei der Standardbehandlung. 23 Prozent erzielten sogar ein ASAS40 (40-prozentige Besserung), während es in der Kontrollgruppe nur drei Prozent waren. Dabei traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf, sodass die App als sicher und gut verträglich eingestuft werden kann.

Die App erfüllt bereits die Anforderungen der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung und bietet Betroffenen somit eine moderne, leicht zugängliche Unterstützung. Das Team der Rheumatologie und die Entwickler des Start-up-Unternehmens Applimeda hoffen nun, dass die App als „Digitale Gesundheitsanwendung“ (DiGA) bald in die Regelversorgung aufgenommen wird.

* Kriterien nach ASAS (Assessment of SpondyloArthritis International Society): Um die Stufe ASAS20 zu erreichen, muss sich der Zustand in mindestens drei von vier Bereichen – 1. Rückenschmerzen, 2. allgemeines Wohlbefinden, 3. Beweglichkeit bzw. Funktion und 4. Entzündungszeichen wie Morgensteifigkeit – um 20 Prozent verbessert haben. Gleichzeitig darf sich keiner der Bereiche verschlechtern. ASAS20 ist somit ein Maß für eine spürbare, aber noch moderate Verbesserung der Krankheitssymptome. Eine deutliche Verbesserung zeigt das Ziel ASAS40 mit einer Besserung um mindestens 40 Prozent in drei von vier Bereichen an.

Text: KL/Wissenschaftskommunikation
 

Patrick-Pascal Strunz steht am Podium auf der Bühne vom EULAR-Kongress in Barcelona.
Dr. Patrick-Pascal Strunz stellte die signifikanten Ergebnisse der Axia-Studie als Late-Breaking Abstract auf dem Europäischen Rheumatologie-Kongress (EULAR) im Juni 2025 in Barcelona vor. © Marc Schmalzing / UKW
Selfie von Marc Schmalzing, der den Arm um Patrick-Pascal Strunz gelegt hat - beide lachen in die Kamera
Die Würzburger Rheumatologen Patrick-Pascal Strunz (links) und Marc Schmalzing freuten sich in Barcelona über die gute Resonanz auf die App für Personen mit axialer Spondyloarthritis (axSpA). © Marc Schmalzing / UKW
Collage mit vier Rahmen von Canva und Screenshots vom Mobiltelefon mit verschiedenen Funktionen der App
Die App „Axia” bietet über 250 physiotherapeutisch angeleitete Übungsvideos, kurze Dehn- und Mobilisationsübungen, eine Wissensbibliothek, interaktive Lernmodule, einen Schmerz- und einen Medikamententracker sowie viele weitere Funktionen. © Applimeda / UKW
Collage Laptop als Rahmen, innen ein Screenshot von der Applimeda-Webseite
Ein spielerisches Belohnungssystem mit Punkten, virtuellen Meilensteinen und dem Maskottchen Bechto sorgt bei Axia zusätzlich für Motivation. © Applimeda / UKW

CarePath: Weg von reiner Krankheitsbehandlung hin zur integrierten Gesundheitsversorgung

EU-Projekt unterstützt Menschen mit chronischen Erkrankungen bei Durchführung ihrer Behandlung / Care Path Toolbox kombiniert digitale Lösungen und menschliche Unterstützung

Zwei Umrisse von orangefarbenen Herzen und Schriftzug CarePath

Würzburg. Dank medizinischer Fortschritte lassen sich heute viele chronische Erkrankungen erfolgreich behandeln. Doch das allein reicht oft nicht aus. Studien zeigen: Rund die Hälfte der Betroffenen nimmt ihre Medikamente nicht regelmäßig oder nicht wie verordnet ein. Diese mangelnde Adhärenz, also die fehlende Therapietreue, hat verschiedene Gründe: Einige vergessen ihre Medikamente, werden nicht unterstützt oder gar stigmatisiert, andere leiden unter Nebenwirkungen oder können sich die Behandlung nicht leisten und wieder andere verstehen nicht genau, warum die Einnahme so wichtig ist.

Fokus liegt auf Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Hier setzt das neue EU-Forschungsprojekt CarePath an, das gerade gestartet wurde und von der Innovative Health Initiative (IHI) über einen Zeitraum von fünf Jahren mit fast 20 Millionen Euro gefördert wird. Im Rahmen von CarePath entwickeln Fachleute aus Europa und den USA praxisnahe Werkzeuge, mit denen chronisch Erkrankte ihre Behandlung auf eine Weise fortsetzen können, die mit ihren persönlichen Bedürfnissen, Werten und ihrem Wohlbefinden im Einklang steht. Der Fokus liegt dabei auf drei weit verbreiteten Erkrankungen: Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Projekt deckt sowohl die Primärversorgung, beispielsweise in Allgemeinarztpraxen und Apotheken, als auch die Sekundärversorgung in Krankenhäusern und Fachkliniken ab.

CarePath Toolbox kombiniert digitale Lösungen und menschliche Unterstützung 

Kern ist ein digitaler Werkzeugkasten, die CarePath Toolbox, die unter anderem mobile Anwendungen (Apps) bietet. Diese unterstützen Menschen dabei, eine aktive Rolle in ihrer Behandlung zu übernehmen und mit ihrem Behandlungsteam in Kontakt zu bleiben. Mithilfe einfacher Instrumente (sogenannte PROMs = Patient Reported Outcome Measures und PREMs = Patient Reported Experience Measures) sollen das Befinden und die Erfahrungen erfasst werden. Kurze, benutzerfreundliche Fragebögen sollen dabei helfen, zu erkennen, wann jemand zusätzliche Unterstützung benötigt. Das kann zum Beispiel der Fall sein bei Schmerzen, Erschöpfung, Mobilität oder in der Versorgung. Fühlt sich die Person ausreichend gehört, unterstützt und über Behandlungsoptionen informiert? Die Kombination aus digitalen Lösungen und menschlichen Unterstützungssystemen kann auf unterschiedliche Gesundheitsumgebungen zugeschnitten werden.

Um sicherzustellen, dass die entwickelten Werkzeuge tatsächlich hilfreich sind, wird das CarePath-Team zunächst Erkenntnisse von Patientinnen und Patienten, medizinischem Fachpersonal sowie weiteren wichtigen Interessengruppen sammeln. Zudem werden bestehende Strategien analysiert, um zu verstehen, was in welcher Situation für wen am besten funktioniert.

Für die Erprobung der Toolbox wurden aufgrund ihrer vielfältigen Gesundheitssysteme und Bevölkerungsstrukturen die folgenden sechs Länder ausgewählt: Deutschland, Spanien, die Niederlande, Polen, Schweden und Israel.

UKW leitet klinische Validierung der Toolbox und organisiert Hackathons

Aus der Universitätsmedizin Würzburg sind das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI), die Medizinische Klinik und Poliklinik I sowie das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) und das Institut für Medizinische Datenwissenschaften (ImDS) an CarePath beteiligt. Im Arbeitsbereich „Innovation Toolbox” leiten die Würzburger Forscherinnen und Forscher beispielsweise die wissenschaftliche Begleitung und klinische Validierung der Toolbox-Optimierung. „Wir rekrutieren am DZHI Patientinnen und Patienten, mit denen wir die verschiedenen Entwicklungsstufen der Toolbox testen und passgenaue Empfehlungen zur patienten-zentrierten Optimierung erarbeiten”, erläutert der angehende Kardiologe und Projektleiter Dr. Fabian Kerwagen. Insgesamt werden am DZHI sieben bis acht Testzyklen organisiert und koordiniert, in denen die digitale Toolbox von den Patientinnen und Patienten getestet wird, um sie für die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen – in diesem Fall kardiovaskulären Erkrankungen und Herzinsuffizienz – zu optimieren.

In einem weiteren Teilprojekt wird das DZHI gemeinsam mit Prof. Rüdiger Pryss sogenannte Hackathons in Würzburg organisieren. Dabei kommen Patientinnen und Patienten, Selbsthilfegruppen sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizin und Informatik zusammen, um praxisnahe Lösungen zur Verbesserung der Medikamentenadhärenz und -persistenz zu erarbeiten. Der Begriff "Hacken" ist hier also durchaus positiv besetzt und geht auf seinen Ursprung zurück, nämlich dem kreativen Experimentieren mit Technik. Pryss, Professor für Medizinische Informatik am IKE-B und ImDS organisierte im Februar 2024 den ersten Healthcare Hackathon in Würzburg und 2025 einen Folge-Hackathon. Dabei fanden Hackerinnen und Hacker aus Bayern und ganz Deutschland innerhalb kurzer Zeit technologische Lösungen für medizinische Herausforderungen.

Darüber hinaus bringt das Uniklinikum Würzburg (UKW) in zahlreichen weiteren Arbeitspaketen seine klinische Expertise ein.

Adhärenz ist keine Frage der Disziplin, sondern der guten Begleitung

„Mit unserer Toolbox erhoffen wir uns weniger Therapieabbrüche, eine höhere Lebensqualität, bessere Gesundheit und eine langfristige Entlastung des Gesundheitssystems“, sagt Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Herzinsuffizienzambulanz und des Departments für klinische Forschung und Epidemiologie am DZHI. „Adhärenz ist weniger eine Frage der Disziplin, sondern vielmehr der guten Begleitung. Genau das wollen wir mit CarePath bieten: moderne, verständliche und alltagstaugliche Hilfe für Menschen, die ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen möchten.“

Finanzierung und Projektpartner:
CarePath wird von der Innovative Health Initiative Joint Undertaking (IHI JU) im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101192133 unterstützt. Die JU erhält Fördermittel aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont Europa der Europäischen Union sowie von COCIR, EFPIA, EuropaBio, MedTech Europe und Vaccines Europe. Der EU-Zuschuss beträgt 11.300.000 Euro, die Industrie fördert das Projekt mit insgesamt 9.782.965 Euro.

Das Akronym „CarePath” steht für „Collaborative action and research for engagement, persistence and adherence in treatment & health”. Start war im Mai 2025. Die Laufzeit beträgt 60 Monate. CarePath wird vom RISE Research Institutes of Sweden AB koordiniert und von Novo Nordisk A/S geleitet. Weitere Informationen zum Projekt und eine Liste der Projektpartner gibt es hier: https://www.ihi.europa.eu/projects-results/project-factsheets/carepath

Text: KL/Wissenschaftskommunikation

Zwei Umrisse von orangefarbenen Herzen und Schriftzug CarePath

Erster Patient der LION-1-Studie erhält Immunzelltherapie gegen neues Zielmolekül

ROR1-spezifische CAR-T-Zellen gehen am Uniklinikum Würzburg nun erstmals in die klinische Prüfung

Studienteam im Klinikflur mit weißen Kittel und Kasacks
Das Team des neu entstandenen Clinical Trial Center des NCT WERA, das an die Early Clinical Trial Unit (ECTU) angegliedert ist, ist für die aufwendige Durchführung der Studie verantwortlich. Auf dem Bild (v.l.n.r.): Simon Elsner, Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, Prof. Dr. Martin Fassnacht, Prof. Dr. Sophia Danhof, Dr. Jessica Peter, Dr. Lukas Scheller, PD Dr. Jochen Frietsch, Anna Krug, Prof. Dr. Hermann Einsele, Sylvia Brand, Martin Kümpel, Prof. Dr. Carmina Fuß. © Christina Borschein / UKW
Zwei Personen mit Reinraumoverall, Maske, Handschuhen etc. im Reinraum
Die klinischen Prüfpräparate für die LION-1-Studie werden im Reinraum am Fraunhofer IZI in Leipzig unter GMP-Standards hergestellt. © Fraunhofer IZI

Würzburg. Im Rahmen der klinischen Phase I-Studie LION-1 wurde der erste Patient mit dem neu entwickelten Medikament behandelt. Bis zu 46 Patientinnen und Patienten erhalten im Verlauf der Studie modifizierte Immunzellen (T-Zellen), die gezielt gegen das Protein ROR1 gerichtet sind, welches bei verschiedenen Krebsarten auf den Tumorzellen vorkommt. So ausgerüstet sollen die T-Zellen die Tumorzellen erkennen und bekämpfen.

Umgesetzt wird die Studie am neu entstandenen Clinical Trial Center des NCT WERA, das an die von Dr. Maria-Elisabeth Goebeler geleitete Early Clinical Trial Unit (ECTU) angegliedert ist. Das Studienteam ist für die aufwändige Durchführung der Studie verantwortlich und koordiniert die beteiligten Fachbereiche, aus denen die Patientinnen und Patienten zugewiesen werden. Studienleiter der LION-1-Studie ist Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II am UKW und Sprecher des NCT WERA.

Weltweit erste CAR-T-Zell-Studie bei Nebennierenkarzinom

Bereits im Vorfeld waren dem ersten Patienten körpereigene T-Zellen entnommen worden, die dann im Labor des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig mit dem sogenannten CAR-Rezeptor (chimärer Antigenrezeptor) ausgestattet wurden. Nun startet die Behandlung: Die umprogrammierten Immunzellen werden per Infusion zurück in den Blutkreislauf gebracht. Dort sollen die ROR1-CAR-T-Zellen die Krebszellen erkennen und zerstören. Der Patient ist an einem Nebennierenkarzinom erkrankt und die aktuellen Standardtherapien wurden bereits ausgeschöpft. „Das ist die weltweit erste CAR-T-Zell-Studie bei dieser seltenen bösartigen Entartung der Nebenniere“, beschreibt der behandelnde Endokrinologe Prof. Dr. Martin Fassnacht.

LION-1-Studie soll die Verträglichkeit der Behandlung abstecken

Prof. Dr. Sophia Danhof ist Fachärztin für Innere Medizin und Professorin für Zelluläre Immuntherapie von malignen Erkrankungen. Sie leitet die Behandlung und beschreibt die Erwartungen an die Studie: „Wir wollen wissen, wie der Körper die neue Behandlung verträgt. Welche Nebenwirkungen können auftreten, und welche Dosis ist die richtige? Gleichzeitig hoffen wir auf erste, wenn auch vorsichtige Anzeichen, dass die Therapie wirkt. Das können beispielsweise Rückgänge im Tumorwachstum, eine Verbesserung des Gesundheitszustands oder messbare Reaktionen im Immunsystem sein.“

Innerhalb der Studie werden zwei Patientengruppen untersucht – eine Gruppe mit Patientinnen und Patienten, die an Blutkrebserkrankungen wie Mantelzelllymphom oder chronischer lymphatischer Leukämie leiden, und eine  Gruppe mit Patientinnen und Patienten, die an soliden Tumoren wie Eierstock-, Brust- oder Nebennierenrindenkrebs leiden. Insgesamt sind bis zu 23 Patientinnen und Patienten pro Gruppe geplant. „Um diese Anzahl zu erreichen, werden neben Würzburg weitere Standorte miteinbezogen,“ so Prof. Danhof.  

ROR1 ist ein vielversprechendes Ziel auch für schwer behandelbare Tumoren

Die Etablierung einer Therapie mit ROR1-CAR-T Zellen wäre ein Meilenstein, da davon auch Krebserkrankte mit soliden Tumoren profitieren könnten. Diese sind mit einer derartigen Immuntherapie bislang kaum behandelbar.

Prof. Michael Hudecek, Sponsorvertreter der Studie, erklärt: „ROR1 ist ein vielversprechendes Ziel, weil es auf vielen Tumorzellen vorkommt, aber selten in gesunden Geweben.“ Das Forschungsteam seines Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie des Uniklinikums hat die ROR1-spezifischen CAR-T-Zellen konstruiert.

Routinierter Partner für die patientenindividuelle Herstellung

Die Herstellung der klinischen Prüfpräparate für die LION-1-Studie erfolgt am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig nach dem pharmazeutischen Standard der Guten Herstellungspraxis (GMP – Good Manufacturing Practice). Das Fraunhofer IZI verfügt über umfassende Erfahrungen mit der Herstellung von CAR-T-Zelltherapeutika und war bereits an der präklinischen Entwicklung der ROR-1-Therapie beteiligt.

In den modernen Reinräumen der Abteilung „GMP Zell- und Gentherapie“ werden zunächst spezifische Immunzellen des Patienten isoliert und angereichert. Anschließend wird die genetische Information für den neuartigen CAR-Rezeptor stabil in das Genom der T-Zellen integriert. Die Zellen werden dann über mehrere Tage hinweg vermehrt. Im Gegensatz zu allen bislang zugelassenen CAR-T-Zelltherapien, kommt dabei die virusfreie Sleeping-Beauty-Transposon-Technologie zum Einsatz.

Nach umfassenden Qualitätsanalysen und der pharmazeutischen Freigabe wird das Präparat zum Prüfstandort zurückgesendet, wo die Behandlung erfolgen kann. Die Herstellung der CAR-T-Zellen für den zweiten Patienten ist bereits abgeschlossen, sodass die Behandlung zeitnah erfolgen kann.

Text: Christina Bornschein / Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie

Mehr zur Studie: Mit LION-1 startet erste NCT WERA-Brückenstudie

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland: Berlin, Dresden, Heidelberg, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln). Der NCT Ausbau im Jahr 2023 von den ursprünglich zwei Standorten Heidelberg und Dresden auf sechs Standorte wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs angetrieben und durch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen unterstützt. Ziel des NCT ist, Innovationen in der Krebsforschung in Deutschland zielgerichtet und schnell in Studien zu überführen, um Krebs nach neuestem Stand der Forschung erfolgreich zu diagnostizieren und unter Beibehaltung einer hohen Lebensqualität zu behandeln. Patientinnen und Patienten sind dabei Forschungspartner auf Augenhöhe.

 

Studienteam im Klinikflur mit weißen Kittel und Kasacks
Das Team des neu entstandenen Clinical Trial Center des NCT WERA, das an die Early Clinical Trial Unit (ECTU) angegliedert ist, ist für die aufwendige Durchführung der Studie verantwortlich. Auf dem Bild (v.l.n.r.): Simon Elsner, Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, Prof. Dr. Martin Fassnacht, Prof. Dr. Sophia Danhof, Dr. Jessica Peter, Dr. Lukas Scheller, PD Dr. Jochen Frietsch, Anna Krug, Prof. Dr. Hermann Einsele, Sylvia Brand, Martin Kümpel, Prof. Dr. Carmina Fuß. © Christina Borschein / UKW
Zwei Personen mit Reinraumoverall, Maske, Handschuhen etc. im Reinraum
Die klinischen Prüfpräparate für die LION-1-Studie werden im Reinraum am Fraunhofer IZI in Leipzig unter GMP-Standards hergestellt. © Fraunhofer IZI

Personalia vom 24. Juni 2025 +++ Wir gratulieren!

Hier lesen Sie Neuigkeiten aus dem Bereich Personal: Neueinstellungen, Dienstjubiläen, Erteilung von Lehrbefugnissen und mehr.

Dr. Andreas Berlin, Funktionsoberarzt, Augenklinik und Poliklinik, wurde mit Wirkung vom 16.06.2025 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet Augenheilkunde erteilt.

Dr. Nora Conrads, Oberärztin, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, wurde mit Wirkung vom 13.06.2025 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet Radiologie erteilt.

Dr. Elisabeth Jentschke, Leitung der Abteilung Psychoonkologie, Comprehensive Cancer Center Mainfranken am Universitätsklinikum, wurde mit Wirkung vom 13.06.2025 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet Psychoonkologie erteilt.

Dr. Sonja Wegener, Medizin-Physik Expertin, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, wurde mit Wirkung vom 13.06.2025 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet Experimentelle Strahlentherapie erteilt.

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 24. Juni 2025

Treffen mit Fachvorträgen zur Amyloidose

Am 23. Juli dieses Jahres findet das Sommer-Präsenz-Treffen zum Thema Amyloidose am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg statt. Die Veranstaltung bietet Fachvorträge, eine 3D-Herz-Simulation und die Gelegenheit zum persönlichen Austausch.

DZHI-Gebäude
Veranstaltungsort für das Sommer-Präsenz-Treffen zum Thema Amyloidose ist das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg. Bild: DIETERLEISTNER@AOL.COM

Würzburg. Bei der systemischen Amyloidose lagern sich fehlgefaltete Eiweiße in verschiedenen Organen ab und beeinträchtigen deren Funktion. Je nachdem, welche Eiweiß-Art sich ablagert, zeigt die Erkrankung unterschiedliche Muster im Organbefall. Am Mittwoch, den 23. Juli 2025 lädt das am Uniklinikum Würzburg (UKW) angesiedelte Interdisziplinäre Amyloidosezentrum Nordbayern alle von der seltenen Erkrankung Betroffenen, deren Angehörige sowie sonstige Interessierte zu einem Infotreffen ins Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI, Haus A15, Am Schwarzenberg 15) ein. 

Über Therapien und Hilfsmittel

Bei der Nachmittagsveranstaltung halten Expertinnen und Experten des Amyloidosezentrums Fachvorträge, in denen sie ihr Wissen zu bewährten und neuen Therapiemöglichkeiten teilen. Außerdem gibt es Tipps zum Beantragen und Nutzen von Hilfsmitteln. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Selbsthilfe am für seine Selbsthilfefreundlichkeit ausgezeichneten UKW erläutert. 

Digitale Herz-Simulation in 3D

Als anschauliche Ergänzung zu den Referaten können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sommer-Präsenz-Treffens mit speziellen Virtual Reality (VR)-Brillen die digitale 3D-Herz-Simulation „Insight Heart“ erleben. Das interaktive Programm verfügt seit kurzem auch über Darstellungen zur Kardialen Transthyretin-Amyloidose (ATTR-CM).

Der fachliche Teil der kostenfreien Veranstaltung beginnt um 15:00 Uhr und geht gegen 16:45 Uhr in einen Imbiss mit gemeinsamem Austausch über. 

Wichtig ist eine Anmeldung bei Gabriele Nelkenstock, der Selbsthilfebeauftragten des UKW, bis 14. Juli unter E-Mail: selbsthilfe@ukw.de.

 

Text: Pressestelle / UKW

DZHI-Gebäude
Veranstaltungsort für das Sommer-Präsenz-Treffen zum Thema Amyloidose ist das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg. Bild: DIETERLEISTNER@AOL.COM