paper place Archiv 1. Quartal 2025

S1-Leitlinie Nachhaltigkeit in der Intensiv- und Notfallmedizin

Die S1-Leitlinie zur Nachhaltigkeit in der Intensiv- und Notfallmedizin ist ein interdisziplinäres Projekt, das erstmals ökologische Nachhaltigkeit systematisch in diesen besonders ressourcenintensiven Bereichen adressiert.

Besonders ist, dass sie auf breitem Konsens verschiedener Fachgesellschaften beruht und praxisorientierte Handlungsempfehlungen gibt – von Materialwahl über Energieverbrauch bis hin zur Prozessoptimierung. Die Leitlinie schließt eine Lücke im deutschen Gesundheitssystem und verbindet medizinische Qualität mit ökologischer Verantwortung. Die Beteiligung des UKW zeigt dessen Vorreiterrolle in nachhaltiger klinischer Praxis.

 

Kochanek, M., Berek, M., Gibb, S. et al. S1-Leitlinie Nachhaltigkeit in der Intensiv- und Notfallmedizin. Med Klin Intensivmed Notfmed (2025). https://doi.org/10.1007/s00063-025-01261-0

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Antibiotic Stewardship und Hygiene: Prävention multiresistenter Erreger

Diese Publikation aus der Zentralen Einrichtung Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship bietet einen umfassenden Überblick über Präventionsstrategien zur Bekämpfung multiresistenter Erreger (MRE) im Krankenhaus.

Besonders hervorzuheben ist die strukturierte Verknüpfung von krankenhaushygienischen Maßnahmen mit jenen des Antibiotic Stewardship, die als komplementäre Ansätze betrachtet werden. Die Arbeit legt einen besonderen Fokus auf die klinische Relevanz neuer Reserveantibiotika und die Notwendigkeit ihrer rationalen Anwendung unter Berücksichtigung molekularer Resistenzmechanismen. Ein weiterer innovativer Aspekt ist die kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Hygienekonzepten wie der Isolierung von Patienten und deren Auswirkungen auf die Versorgungsqualität.

 

Stefanie Kampmeier, Christian Lanckohr. Antimicrobial Stewardship and Hygiene: Prevention of Multidrug Resistant Pathogens. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2025; 60(02): 105-116 DOI: 10.1055/a-2298-3011

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CLE-Diagnostik bei bestrahlter Schleimhaut

Die Studie aus der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie untersucht erstmals die morphologischen Veränderungen bestrahlter Schleimhaut im oberen Atem- und Verdauungstrakt mithilfe der konfokalen Laser-Endomikroskopie (CLE) - ein Verfahren zur optischen Biopsie.

CLE-Bilder, korrespondierende Biopsieergebnisse sowie Ergebnisse der verwendeten Bewertungssysteme für jedes Bild.

Bestrahlte Schleimhaut zeigt deutliche Unterschiede zu gesunder Schleimhaut, darunter unregelmäßige Gewebestrukturen und erhöhte zelluläre Variabilität, was die Abgrenzung zu malignem Gewebe erschweren kann. Die Arbeit bildet eine wichtige Grundlage für die Verbesserung diagnostischer Verfahren bei Patientinnen und Patienten nach Radiotherapie eines Tumors in der Kopf-Hals-Region.

 

Lisa Thesing, Matti Sievert, Bharat Akhanda Panuganti, Marc Aubreville, Till Meyer, Flurin Müller-Diesing, Agmal Scherzad, Stephan Hackenberg & Miguel Goncalves. Characterization of irradiated mucosa using confocal laser endomicroscopy in the upper aerodigestive tract. European Archives of Oto-Rrhino-Laryngology (2025). https://doi.org/10.1007/s00405-025-09318-8

CLE-Bilder, korrespondierende Biopsieergebnisse sowie Ergebnisse der verwendeten Bewertungssysteme für jedes Bild.
LiverPRO Score zur Vorhersage einer signifikanten Leberfibrose in der Primärversorgung

Die zuverlässige nichtinvasive Diagnose einer fortgeschrittenen Lebererkrankung und die Einschätzung des Risikos für Komplikationen sind vor allem in der Erstversorgung nach wie vor schwierig. In einer internationalen Kohortenstudie, an der auch das Deutsche Lebersteatose-Register beteiligt war, konnte Prof. Dr. Andreas Geier und Team zur Entwicklung und Validierung des LiverPRO Scores beitragen.

Kumulatives Risiko für leberassoziierte Ereignisse klassifiziert nach dem LiverPRO Score. Das Diagramm veranschaulicht die gute Trennung von Leberpatienten mit niedrigem und moderatem Risiko von denen mit hohem Risiko, die eine spezialisierte Behandlung benötigen. © The Lancet Gastroenterology & Hepatology 2025 1055-67DOI: (10.1016/S2468-1253(24)00274-7)

Dieser Score ist kostenlos und hilft, Patientinnen und Patienten mit einer erhöhten Lebersteifigkeit (über 8 kPa) zu erkennen, was mit der gleichen Genauigkeit wie der kommerzielle ELF-Test möglich ist. Der LiverPRO Score ist genauer als der bisher verwendete frei verfügbar Fibrose-4 (FIB-4) Index. Zusätzlich kann der LiverPRO Score auch vorhersagen, wie hoch das Risiko für leberbedingte Komplikationen ist. Aufgrund dieser Ergebnisse hat der LiverPRO Score eine europäische CE-Zertifizierung erhalten.

 

Lindvig, Katrine P et al. Development, validation, and prognostic evaluation of LiverPRO for the prediction of significant liver fibrosis in primary care: a prospective cohort study. The Lancet Gastroenterology & Hepatology, Volume 10, Issue 1, 55 – 67

 

Kumulatives Risiko für leberassoziierte Ereignisse klassifiziert nach dem LiverPRO Score. Das Diagramm veranschaulicht die gute Trennung von Leberpatienten mit niedrigem und moderatem Risiko von denen mit hohem Risiko, die eine spezialisierte Behandlung benötigen. © The Lancet Gastroenterology & Hepatology 2025 1055-67DOI: (10.1016/S2468-1253(24)00274-7)
Erhalt der Leberfunktion erhöht Chance auf Mehrfach-Therapie bei Leberkrebs

In den letzten Jahren haben neue Therapien die Behandlung des fortgeschrittenen Leberkrebses (HCC für hepatozelluläres Karzinom) verändert. Eine Kombination aus Atezolizumab und Bevacizumab wurde als neue Erstlinienbehandlung zugelassen, was ein Fortschritt ist, aber auch Fragen zur besten Reihenfolge der Behandlungen aufwirft.

Eine Studie unter der Leitung von Privatdozent Florian Reiter vom UKW und gefördert vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) liefert nun erstmals prospektive Real-World-Daten zur sequentiellen Therapie nach Atezolizumab und Bevacizumab. Die Forschenden zeigen, dass die Mehrheit der Patientinnen und Patienten nicht über die Erstlinientherapie hinauskommt, da die Leberfunktion oft schlechter wird und viele Patienten für eine Zweit- oder Drittlinientherapie nicht mehr geeignet sind. „Besonders relevant ist unser Befund, dass nicht allein Tumorcharakteristika, sondern vor allem der Erhalt der Leberfunktion den Therapieerfolg bestimmt“, sagt Florian Reiter. Das heißt: Patientinnen und Patienten mit schlechterer Leberfunktion hatten weniger Chancen auf eine zweite Behandlung. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, zukünftige Behandlungsstrategien gezielter zu steuern. 

 

Najib Ben Khaled, Valentina Zarka, Bernard Hobeika, Julia Schneider, Monika Rau, Alexander Weich, Hans Benno Leicht, Liangtao Ye, Ignazio Piseddu, Michael T. Dill, Arne Kandulski, Matthias Pinter, Ursula Ehmer, Peter Schirmacher, Jens U. Marquardt, Julia Mayerle, Enrico N. De Toni, Andreas Geier, Florian P. Reiter. Therapeutic Sequences of Systemic Therapy After Atezolizumab Plus Bevacizumab for Hepatocellular Carcinoma: Real-World Analysis of the IMMUreal Cohort. Alimentary Pharmacology & Therapeutics | Pharmacology Journal | Wiley Online Library. First published: 04 April 2025 https://doi.org/10.1111/apt.70090

 

Neue Facette der immunmodulatorischen Funktion von Thrombozyten

Bisher war man davon ausgegangen, dass der entzündungsfördernde Botenstoff Leukotrien B4 (LTB4) ausschließlich von Neutrophilen, einer Art weißer Blutkörperchen, gebildet wird. Eine neue Studie aus der Experimentellen Biomedizin I zeigt jedoch, dass Thrombozyten stärker ins Immungeschehen eingreifen als bisher gedacht.

v.l.n.r.: Prof. Dr. David Stegner, Dr. Tamara Girbl, Tugce Cimen, Christian Hackenbroch. Foto: Kerstin Siegmann/ UKW

Denn auch sie sind in der Lage, LTB4 zu produzieren. Das Team um David Stegner konnte nachweisen, dass LTB4 aus Thrombozyten eine entscheidende Rolle dabei spielt, Neutrophile anzulocken und ihre Bewegung ins Gewebe zu fördern – ein wichtiger Schritt bei Entzündungsreaktionen. 

Klinisch relevant ist, dass bereits erste Hemmer des Enzyms LTA4H, das für die Herstellung von LTB4 notwendig ist, in der klinischen Erprobung sind. Die neuen Ergebnisse liefern eine zusätzliche Erklärung für deren entzündungshemmende Wirkung. Gleichzeitig eröffnen sie neue therapeutische Ansätze, Entzündungsprozesse gezielt zu beeinflussen, ohne die klassische Thrombozytenfunktion zu stören.

 

Christian Hackenbroch, Tugce Cimen, Carina Gross, Stefanie Rubenzucker, Philipp Burkard, Niklas Groß, Robert Ahrends, Tamara Girbl, David Stegner. Neutrophil recruitment depends on platelet-derived leukotriene B4. Blood Adv. 2025 (https://doi.org/10.1182/bloodadvances.2024014947)

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v.l.n.r.: Prof. Dr. David Stegner, Dr. Tamara Girbl, Tugce Cimen, Christian Hackenbroch. Foto: Kerstin Siegmann/ UKW
Nebennierenrindenkarzinom: ein praktischer Leitfaden für Klinikerinnen und Kliniker

Das adrenokortikale Karzinom ist eine seltene bösartige Erkrankung der hormonproduzierenden Nebennierenrinde. Die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist aus mehreren Gründen besonders anspruchsvoll: Dazu zählen das sehr unterschiedliche, oft jedoch aggressive biologische Verhalten des Tumors, hormonelle Überfunktionen wie das Cushing-Syndrom oder eine Vermännlichung (Virilisierung) und die Tatsache, dass es nur ein einziges zugelassenes Medikament gibt (Mitotan).

Das Nebennierenkarzinom ist eine bösartige Entartung einer der Hormondrüsen, die paarig jeweils als kleine Kappen der Niere aufsitzen. Mit 80 bis 120 Neuerkrankungen in Deutschland ist der Tumor sehr selten. Daher gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Das UKW ist derzeit weltweit das größte Zentrum für die Diagnostik, Therapie und Forschung. © Nuklearmedizin Universitätsklinikum Würzburg

Dazu kommt aber auch aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ein weiterhin oft bestehender Mangel an gesicherten Erkenntnissen zur Diagnostik und Therapie, sowie die geringe Zahl an Behandlungszentren mit ausreichend Erfahrung.

In dieser Übersichtsarbeit präsentieren Martin Fassnacht, Soraya Puglisi, Otilia Kimpel und Massimo Terzolo 25 Fragen zu den wichtigsten Aspekten der klinischen Versorgung erwachsener Patientinnen und Patienten mit adrenokortikalem Karzinom, welche sie in der Betreuung dieser Erkrankung in den vergangenen 25 Jahren immer wieder beschäftigt haben. Sie geben persönlichen Antworten und Einschätzungen – gestützt auf veröffentlichte Studienergebnisse ebenso wie auf mehr als 60 Jahre gemeinsame klinische Erfahrung und die Behandlung von über 1.700 Patientinnen und Patienten an zwei spezialisierten Zentren in Deutschland (UKW) und Italien (San Luigi Hospital der Universität in Turin).

 

Martin Fassnacht, Soraya Puglisi, Otilia Kimpel, Massimo Terzolo. Adrenocortical carcinoma: a practical guide for clinicians. Lancet Diabetes Endocrinol. 2025 Mar 11:S2213-8587(24)00378-4. doi: 10.1016/S2213-8587(24)00378-4. Epub ahead of print. PMID: 40086465.

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Das Nebennierenkarzinom ist eine bösartige Entartung einer der Hormondrüsen, die paarig jeweils als kleine Kappen der Niere aufsitzen. Mit 80 bis 120 Neuerkrankungen in Deutschland ist der Tumor sehr selten. Daher gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Das UKW ist derzeit weltweit das größte Zentrum für die Diagnostik, Therapie und Forschung. © Nuklearmedizin Universitätsklinikum Würzburg