paper place Archiv 2. Quartal 2025

Thrombozytentransfusion: Internationale klinische Praxisleitlinien 2025 von AABB und ICTMG

Eine neue internationale Leitlinie, an der Prof. Dr. Peter Kranke von der Würzburger Anästhesie beteiligt war und die im Mai 2025 im Fachjournal JAMA veröffentlicht wurde, empfiehlt, Thrombozytentransfusionen zurückhaltender einzusetzen, um Nebenwirkungen zu verringern, Ressourcen zu schonen und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.

Die Empfehlungen basieren auf 21 randomisierten und 13 Beobachtungsstudien, die verschiedene Transfusionsstrategien in Bezug auf Sterblichkeit, Blutungsrisiken und Komplikationen untersuchten. Es gibt klare Empfehlungen für bestimmte Grenzwerte, wie zum Beispiel: bei größeren Operationen sollte der Wert von 50.000/μl nicht unterschritten werden, es sollten sich also 50.000 Blutplättchen in einem Mikroliter Blut befinden; bei der Platzierung eines zentralen Venenkatheters an gut zugänglichen Stellen sollte der Wert bei 10.000/μl liegen; bei Chemotherapie oder Stammzelltransplantationen sollte der Wert unter 10.000/μl; und bei Frühgeborenen ohne Blutung unter 25.000/μl liegen. In bestimmten Fällen, wie bei aplastischer Anämie oder bestimmten Operationen, kann auf eine vorbeugende Transfusion verzichtet werden.

Ziel ist es, Thrombozytentransfusionen nicht allein nach Laborwerten, sondern anhand des klinischen Gesamtkontexts – inklusive Symptome, Begleiterkrankungen und Wünschen der Patientinnen und Patienten – zu entscheiden. 

Die Leitlinie betont, dass eine individualisierte, evidenzbasierte Herangehensweise mit klarer ärztlicher Kommunikation zu besseren Ergebnissen und einer effizienteren Nutzung der begrenzt verfügbaren Thrombozyten führen kann.

Metcalf RA, Nahirniak S, Guyatt G, Bathla A, White SK, Al-Riyami AZ, Jug RC, La Rocca U, Callum JL, Cohn CS, DeAnda A, DeSimone RA, Dubon A, Estcourt LJ, Filipescu DC, Fung MK, Goel R, Hess AS, Hume HA, Kaufman RM, Kranke P, Louw VJ, Møller MH, Murphy MF, Muszynski JA, O'Kelly CJ, Pagano MB, Patidar GK, Pavenski K, Poston JN, Saifee NH, Stolla M, Szczepiorkowski ZM, Tobian AAR, Uberoi R, Waters J, Williams B, Wood EM, Zantek ND, Zeller MP, Grossman BJ, Stanworth SJ. Platelet Transfusion: 2025 AABB and ICTMG International Clinical Practice Guidelines. JAMA. 2025 May 29. doi: 10.1001/jama.2025.7529. Epub ahead of print. PMID: 40440268.

Zur Publikation bei PubMed

Wie ein System zur klinischen Entscheidungsunterstützung den Entscheidungsfindungsprozess verändert

Neue Datenauswertungsverfahren und künstliche Intelligenz bieten großes Potenzial für zukünftige klinische Entscheidungssysteme. Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen darüber, wie Entscheidungssysteme den Entscheidungsfindungsprozess beeinflussen und verändern und ob diese Veränderungen als gut oder weniger gut zu bewerten sind.

Ein interdisziplinäres Team aus der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, dem Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie und dem Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion der Julius-Maximilians-Universität Würzburg untersuchte mit qualitativen und quantitativen Methoden die Auswirkungen eines prototypischen Entscheidungssystems auf die Entscheidungsfindung in Anästhesieteams während eines simulierten schweren Zwischenfalls.

Die qualitativen Ergebnisse der Gesprächsanalyse und die quantitativen Ergebnisse zur Entscheidungseffizienz und Arbeitsbelastung zeigten, dass das Entscheidungssystem die Teamstruktur, die Kommunikation und die Diagnoseprozesse veränderte. Das Entscheidungssystem homogenisierte die Entscheidungsfindung, stärkte die Einbindung des Pflegepersonals und führte zu Reibungen zwischen analytischem und intuitivem Denken im Anästhesieteam. Die Ergebnisse können bei der Interaktionsgestaltung von zukünftigen Entscheidungssystemen im Gesundheitswesen genutzt werden.

Der Artikel entstand im Rahmen des Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Projekts „Mehr als Sicherheit und Effizienz in der Akutmedizin: Die Erfahrung einer verkörperten Personal-Umwelt Interaktion“ (Projektnummer 425868361) und wurde Ende April im Rahmen der CHI Conference on Human Factors in Computing Systems 2025 in Yokohama, Japan, publiziert. Die ACM (Association of Computing Machinery) CHI Conference on Human Factors in Computing Systems ist mit über 5.000 eingereichten Beiträgen und einer Publikationsrate von 24,9% die renommierteste Konferenz im Bereich Human-Interaction. Der Artikel hat einen Honorable Mention Preis bekommen, den die besten 5 Prozent der eigereichten Beiträge bekommen.

Sara Wolf, Tobias Grundgeiger, Raphael Zähringer, Lora Shishkova , Franzisca Maas, Christina Dilling, Oliver Happel. How a Clinical Decision Support System Changed the Diagnosis Process: Insights from an Experimental Mixed-Method Study in a Full-Scale Anesthesiology Simulation. In the Proceedings of the CHI Conference on Human Factors in Computing Systems Proceedings (CHI '25). Yokohama, Japan, 2025 April. https://doi.org/10.1145/3706598.3713372 

 

Risikofaktoren bei ambulant behandelten Harnwegsinfektionen

Die Risikofaktoren für ungünstige Krankheitsverläufe bei ambulant behandelten Harnwegsinfektionen (HWI) variieren je nach Studie und Leitlinie. Ein Forschungsteam des Instituts für Allgemeinmedizin analysierte deshalb die Daten aus 35 Kohortenstudien mit insgesamt mehr als 1,5 Millionen erwachsenen Patientinnen und Patienten mit HWI in der ambulanten Versorgung. Die Meta-Analyse zeigte: Ein höheres Alter war der einzige konsistente unabhängige Prädiktor für eine erneute Konsultation.

Mensch in Jeans und weißem Shirt  hält Hände gekreuzt über den Schoß
© Canva

Für Krankenhausaufenthalte wurden mehrere Risikofaktoren identifiziert – darunter ein erhöhter Prokalzitonin-Wert (ein spezifischer Biomarker für bakterielle Infektionen), höheres Alter (insbesondere über 65 Jahre), niedriger Blutdruck, hohes Fieber, erhöhte Werte des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP), erhöhte Kreatininwerte (ein Stoffwechselabbauprodukt, das hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird), männliches Geschlecht sowie das Vorliegen eines Diabetes mellitus.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte klinische Merkmale und Laborwerte dabei helfen können, Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko – insbesondere bei Pyelonephritis (eitrige Entzündung des Nierenbeckens und der Niere) – frühzeitig zu erkennen. Die Studie unterstreicht zudem den Bedarf an weiterer Forschung, insbesondere bei Patientinnen mit Zystitis (Harnblasenentzündung), um eine evidenzbasierte Risikostratifizierung und gezielte Therapieentscheidungen in der hausärztlichen Versorgung zu ermöglichen. 

Peter K. Kurotschka; Felix Kannapin, Andreas Klug; Maria Chiara Bassi, Ildikó Gágyor; Mark Ebell. Risk Factors for Poor Prognosis in Adult Outpatient Urinary Tract Infection: Meta-Analysis. BJGP Open 2025, BJGPO.2024.0298. DOI: https://doi.org/10.3399/BJGPO.2024.0298

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Mensch in Jeans und weißem Shirt  hält Hände gekreuzt über den Schoß
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