Telefon, Headset und Krankenakte – das sind die drei wichtigsten Arbeitsutensilien der Herzinsuffizienz-Schwester Elisabeth Schupfner. Im Rahmen des Versorgungsprogramms HeartNetCare-HFTM telefoniert sie täglich mehrere Stunden lang mit ‚ihren‘ Patienten. Schwester Elisabeth fragt nicht nur nach Blutdruck, Puls und möglichen Zeichen einer Verschlechterung der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und der körperlichen Belastbarkeit. Sie erkennt sofort, wenn etwas nicht stimmt, passt in Absprache mit den betreuenden Ärzten des Patienten die Therapie an und vermittelt in kritischen Situationen. Oft vertrauen ihr Patienten auch persönliche Probleme an. „Im Laufe der Zeit entwickelt sich häufig ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und ‚seiner‘ Telefon-Schwester“, sagt die Kardiologin Christiane Angermann, Leiterin der Forschungsambulanz des DZHI an der Uniklinik Würzburg. „Dieser Faktor ist für eine erfolgreiche Langzeitbehandlung wesentlich und lässt sich durch telemedizinische Geräte nicht ersetzen.“
Was das Team um Christiane Angermann bislang vermutete, konnte es nun wissenschaftlich belegen: Herzinsuffizienz-Patienten, bei denen eine Depression als Begleiterkrankung vorliegt, können von der persönlichen Ansprache und Unterstützung der Herzinsuffizienz-Schwestern besonders profitieren. Die Sterblichkeit von Patienten mit Begleiterkrankung Depression, die im Rahmen der INH-Studie mit HeartNetCare-HFTM betreut wurden, sank in nur sechs Monaten viel stärker als bei nicht-depressiven Herzinsuffizienten, obwohl auch diese von dem Betreuungsprogramm profitierten. Beide Gruppen, die mit HeartNetCare-HFTM im Betreuungsnetz von Hausarzt, Kardiologe und Herzinsuffizienz-Schwester versorgt wurden, hatten eine im Vergleich zu konventionell behandelten Patienten signifikant geringere Mortalität. „So ein positiver Effekt auf die Sterblichkeit von depressiven Patienten mit Herzinsuffizienz konnte bisher in keiner Medikamentenstudie, bei der Antidepressiva verabreicht wurden, erzielt werden“, sagt Christiane Angermann.
Die Wissenschafter zeigten aber auch, dass es darauf ankommt, wie individuelle Patienten das Betreuungsangebot aufnehmen: Patienten, die keinen Fragebogen zur Ermittlung einer Depression ausfüllen wollten und im Versorgungsprogramm nicht aktiv mitarbeiteten, hatten seltener Kontakt mit der Schwester, und ihre Sterblichkeit verminderte sich nicht. Depressive und nicht-depressive kooperative Patienten nutzten dagegen das Angebot der Herzinsuffizienz-Schwestern etwa gleich häufig. Bei depressiven Patienten drehten sich die Gespräche öfter um Symptome, die mit der Depression in möglichem Zusammenhang standen. Die Schwestern hatten bei dieser Gruppe auch häufiger Kontakt zu Angehörigen und behandelnden niedergelassen Ärzten. „Die Behandlung muss individuell an die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden“, sagt Christiane Angermann. „Patienten und Angehörige können dabei lernen, informiert und eigenverantwortlich mit der Erkrankung umzugehen und sie wissen, an wen sie sich in schwierigen Situationen wenden können.“
Depressive Herzschwäche-Patienten sind nicht selten: Wer an Herzschwäche leidet, erkrankt im Schnitt auch drei- bis fünfmal so häufig an einer Depression wie die allgemeine Bevölkerung. Oft bleibt eine Depression jedoch unerkannt und unbehandelt, wie DZHI-Forscher ebenfalls in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit 864 Herzschwäche-Patienten aufzeigten. Zudem hatten herzinsuffiziente Patienten eine umso schlechtere Prognose, je schwerer ihre begleitende Depression war.
Das am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz entwickelte Versorgungsprogramm HeartNetCare-HFTM ist das erste qualitätsgesicherte, im Rahmen des deutschen Gesundheitssystems entwickelte Versorgungsprogramm für Herzinsuffizienz-Patienten in Deutschland. Der grundsätzliche Erfolg wurde bereits mit der multizentrischen INH-Studie, die aus neun internistischen Kliniken eine große Zahl wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus aufgenommene Patienten rekrutierte, wissenschaftlich belegt: Die Sterblichkeit der Patienten sank hier insgesamt in nur sechs Monaten um 39 Prozent im Vergleich zu solchen Patienten, die eine konventionelle Behandlung erhielten. Die körperliche Fitness verbesserte sich und die Lebensqualität der Patienten stieg. HeartNetCare-HFTM vernetzt die Ärzte im Krankenhaus mit Hausärzten und niedergelassenen Fachärzten. Herzinsuffizienz-Schwestern koordinieren dabei die Behandlung und schulen die Patienten. Die praxisnahe Weiterbildung zur Herzinsuffizienz-Schwester / zum Herzinsuffizienz-Pfleger bietet das DZHI in Würzburg bereits seit einigen Jahren an.
Da für das Betreuungsprogramm anfallende Kosten derzeit noch nicht von den Krankenkassen übernommen werden, kommt HeartNetCare-HFTM bisher nur im Rahmen von Studien zum Einsatz. Eine Anwendung in der Breite böte sich aber zum Beispiel bei Einführung eines Disease-Management-Programms (DMP) ‚Herzinsuffizienz‘ bei Hochrisiko-Patienten auch für die Routineversorgung an, nachdem diese wegen einer Entgleisung ihrer Herzinsuffizienz ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten.
Original-Publikationen:
Gelbrich G, Störk S, Kreißl-Kemmer S, Faller H, Prettin C, Heuschmann PU, Ertl G, Angermann CE. Effects of structured heart failure disease management on mortality and morbidity depend on patients’ mood: results from the Interdisciplinary Network for Heart Failure Study. European Journal of Heart Failure (2014) [Epub ahead of print]
Wallenborn J, Gueder G, Stoerk S, Faller H, Feldmann C, Brenner S., Ertl G, Angermann C. Prevalence of depression, frequency of antidepressant pharmacotherapy and survival in systolic heart failure patients. European Heart Journal (2014) 35 (Abstract Supplement), 836-837
Angermann CE, Störk S, Gelbrich G, Faller H, Jahns R, Frantz S, Loeffler M, Ertl G; Competence Network Heart Failure. Mode of action and effects of standardized collaborative disease management on mortality and morbidity in patients with systolic heart failure: the Interdisciplinary Network for Heart Failure (INH) study. Circ Heart Fail. 2012 Jan;5(1):25-35.
Hintergrund Herzinsuffizienz
Etwa 2 bis 3 Millionen Menschen bundesweit leiden an Herzschwäche (Herzinsuffizienz), vor allem ältere Menschen sind betroffen. Durch die Alterung der Gesellschaft und immer bessere Behandlungsmöglichkeiten für akute Herzerkrankungen hat sie sich in Deutschland und anderen Industrienationen zur Volkskrankheit entwickelt. Meist verläuft sie als chronisch fortschreitende Krankheit, die einer dauerhaften und umfangreichen Behandlung bedarf. Menschen mit einem erhöhten Risiko für Herzschwäche (Stadium A) oder Erkrankte, die an einer frühen, symptomfreien Form der Erkrankung (Stadium B) leiden, können durch frühzeitige Prävention und Behandlung dem Fortschreiten der Erkrankung gegensteuern. Da das Herz in vielfältigen Wechselwirkungen mit anderen Organen steht, ist die Herzschwäche eine Erkrankung, die den ganzen Menschen betrifft.
Weitere ausführliche Informationen über Herzschwäche erhalten Sie auch unter www.herzschwaeche-info.de
Hintergrund Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz
Das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz ist eine Einrichtung der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg und wird vom Bundesforschungsministerium als Interdisziplinäres Forschungs- und Behandlungszentrum gefördert. Seit seiner Gründung im Jahr 2010 erforscht das DZHI die Grundlagen der Herzinsuffizienz und arbeitet an einer verbesserten Behandlung der Erkrankung.
Weitere Informationen um Herzinsuffiziens-Pflege-Symposium finden Sie hier.