Hinsehen statt Übersehen: Vernachlässigte Krankheiten bekämpfen. Vergessene Menschen sichtbar machen.

Über 200.000 Menschen erkranken jedes Jahr neu an Lepra, Millionen Menschen müssen ein Leben lang unter den Folgen Erkrankung leiden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Lepra zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs): Diese haben gemeinsam, dass sie vor allem die Ärmsten in Ländern des Globalen Südens treffen und – obwohl vermeidbar und behandelbar – zu Ausgrenzung, Stigmatisierung, schwersten Behinderungen und (noch größerer) Armut führen können. Um auf das Schicksal von mehr als 1,7 Milliarden Betroffenen aufmerksam zu machen, startet die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe zum Welt-NTD-Tag am 30. Januar und zum Welt-Lepra-Tag am 31. Januar in Anlehnung an eine internationale Kampagne der Organisation „Uniting to Combat NTDs“ eine Aktionswoche unter dem Motto „Hinsehen statt Übersehen. Vernachlässigte Krankheiten bekämpfen. Vergessene Menschen sichtbar machen“. Unterstützt wird sie von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller und dem Deutschen Netzwerk gegen NTDs (DNTDs). 

Ungefähr jeder fünfte Mensch ist von einer armutsassoziierten Krankheit betroffen oder bedroht. Dennoch erhalten die „NTDs“ und die Betroffenen kaum Aufmerksamkeit in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. In der Folge stehen viel zu wenig Mittel für die (dringend notwendige) multisektorale Ursachenbehebung zur Verfügung. „NTDs wie Lepra bekämpfen, heißt Armut bekämpfen“, sagt Burkard Kömm, Geschäftsführer der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. „Dazu müssen die sog. sozialen Determinanten von Gesundheit wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen allgemein verbessert werden.“ Zudem gelte es, die Forschung nach Medikamenten und Impfstoffen zu intensivieren und die nationalen Gesundheitsprogramme zu stärken.“

Die aktuelle Corona-Pandemie verschärfe die Situation. „COVID-19 ist das alles beherrschende Thema, doch für Milliarden Menschen weltweit ist das nur eine weitere Infektionskrankheit, die sie das Leben kosten kann“, so Kömm. Um das Bewusstsein für das riesige globale Gesundheitsproblem NTDs zu wecken, kombiniert die DAHW ihre traditionellen Aktivitäten zum Welt-Lepra-Tag in diesem Jahr mit Aktionen im Rahmen einer internationalen Kampagne zum Welt-NTDTag. „Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen und Institutionen werden wir vom 24. bis zum 31. Januar 2021 über verschiedene Aspekte von Armutskrankheiten informieren und die vergessenen Menschen sichtbar machen.“ Mehr dazu auf www.dahw.de/hinsehen.

Neue Strategien zur Lepra- und NTD-Bekämpfung

Ein Highlight in der Aktionswoche ist die Präsentation der neuen „Roadmap“ für NTDs 2021-2030 der WHO, die auch eng mit der neuen Strategie zur Lepra-Bekämpfung 2021-2030 verbunden ist. An der virtuellen Konferenz am 28. Januar 2021 nehmen Regierungschefs, Gesundheitsminister*innen und zahlreiche Partnerorganisationen teil, die Programme zur Prävention, Kontrolle, Eliminierung und Ausrottung von armutsbedingten Krankheiten unterstützen – so auch die DAHW. Die „Roadmap“ entstand auf Basis eines mehrmonatigen Konsultationsprozesses, Kontakt: Jenifer Gabel, Tel: 0931 7948-130, mobil: 0172 8437186, jenifer.gabel@dahw.de an dem von NTDs betroffene Länder, Geberstaaten und weitere Akteure auf staatlicher, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene beteiligt waren, darunter auch Vertreter*innen der DAHW und lokale DAHW-Partnerorganisationen in den Einsatzländern. Ziel ist es, die sektorübergreifende, integrierte Zusammenarbeit im Bereich der Planung, Logistik, Finanzierung und Implementation von programmatischen Maßnahmen zu verbessern und damit die Wirkung zu erhöhen. Zugleich sollen die Länder selbst mehr Eigenverantwortung übernehmen und dazu – unter stärkerer Berücksichtigung der lokalen und kulturellen Begebenheiten – Unterstützung beim Kapazitätsaufbau erhalten.

Coronabedingte Rückschritte

Die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und die Schutzmaßnahmen haben auch auf die Lepra-Arbeit massive Auswirkungen. „Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen erschweren es uns, unseren lokalen Partnerorganisationen und den nationalen Lepra-Kontrollprogrammen aktiv nach Betroffenen zu suchen, um sie frühzeitig zu behandeln und leprabedingte Behinderungen zu vermeiden“, berichtet Burkard Kömm. „Aber auch bereits diagnostizierte Patient*innen mit den benötigten Medikamenten zu versorgen, ist in vielen Projektländern problematisch.“ Seit einigen Wochen komme es inzwischen zu Engpässen bei der Lieferung der Antibiotika-Kombination zur Lepra-Therapie. In der DAHW befürchtet man daher, dass es in den nächsten Jahren wieder vermehrt zu Fällen kommen wird, die man erst entdeckt, wenn die durch Lepra verursachten Nervenschädigungen zu chronischen Beschwerden und Beeinträchtigungen geführt haben.

Lichtblicke in der Krise

Auch im Bereich der Forschung hat Corona den Lepra-Expert*innen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Eigentlich hätte die bald 17-jährige Suche nach einem Impfstoff bereits 2020 in die nächste wichtige Phase eintreten sollen. Der Start der Phase 1b der klinischen Studie – die Testung des Impfstoffkandidaten „LepVax“ in einem endemischen Gebiet – wurde daher auf das Frühjahr 2021 verschoben. Wenn sich die bisherigen Testergebnisse allerdings im weiteren Verlauf der zukünftigen Studien bestätigen, ist mit einer Zulassung des Impfstoffes 2025 rechnen.

Darüber hinaus sind es neue interdisziplinäre und ganzheitliche Konzepte, die Grund zur Hoffnung geben. „Gesundheit ist ein Querschnittsthema, das macht die Coronapandemie deutlich“, konstatiert Kömm. „Daher werden wir neben unserer medizinischen Arbeit weiterhin verstärkt Maßnahmen zur Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) umsetzen.“ Aber auch der transversale Sektor „Empowerment“ (die Ermächtigung der Menschen auf individueller, gemeinschaftlicher und nationaler Ebene) sowie der „One Health“-Ansatz (die Kooperation von Umweltwissenschaften, Human- und Tiermedizin) werden in den DAHW-Projekten eine zunehmend zentrale Rolle einnehmen. 

 

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Das Deutsche Zentrum für sektorübergreifende Bekämpfung Vernachlässigter Tropenkrankheiten (DZVT): Gemeinsam Armutskrankheiten stoppen!

2019 wurde im Beisein des Bundesentwicklungsministers Dr. Gerd Müller in der Würzburger Residenz der Grundstein für das neue „Deutsche Zentrum für die sektorübergreifende Bekämpfung Vernachlässigter Tropenkrankheiten“ (DZVT) gelegt.
In diesem neuen Zentrum werden erstmals Organisationen aus Wissenschaft, Kirche, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen arbeiten, um im Kampf gegen Vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) eine neue interdisziplinäre Forschungsrichtung zu erproben: die Implementationsforschung.
Ziel ist es, die Ursachen für NTDs  in den Einsatzländern der Hifsorganisationen mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren und gemeinsam mit den Menschen und Gemeinden vor Ort und Lösungen zu entwickeln, die das vielschichtige Gesundheitsproblem der armutsassoziierten NTDs nachhaltig und langfristig lösen.
Zwar wurden wirtschaftliche, soziopolitische und ökologische Aspekte von NTDs bereits sporadisch erforscht, jedoch nicht im sektorübergreifenden Zusammenhang und nicht über einen längeren Zeitraum hinweg.
Das DZVT wird neben der erfahrenen medizinischen Expertise auch akademische Disziplinen wie Ingenieurswesen, Soziologie, Biologie und Tiergesundheit zusammen bringen, aber auch den Bereich Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) und die Öffentlich-Private Partnerschaft im Gesundheitssektor (Public-Private Partnerships, PPP).

Gründungsmitglieder des DZVT:

  • Bremer Arbeitsgemeinschaft für Überseeforschung und Entwicklung BORDA e.V.
  • DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V.
  • Deutsche Gesellschaft für Parasitologie
  • Gemeinschaft Sant’Egidio
  • Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
  • Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • Missionsärztliches Institut Würzburg
  • Tierärzte ohne Grenzen