Auch bei einer vollständigen Ertaubung ist es möglich, das Hören wiederherzustellen. Hierzu werden sogenannte Cochleaimplantate (CI) in die Hörschnecke eingesetzt, mit denen der Hörnerv elektrisch gereizt wird. Das Implantat leitet die Hörinformationen über den Hörnerv direkt zum Gehirn weiter – das ertaubte Innenohr wird also überbrückt. An der HNO-Universitätsklinik Würzburg wurde, als einer der ersten Kliniken der Welt, vor 20 Jahren die erste beidseitige Implantation dieser Art durchgeführt. Das anlässlich dieses Jubiläums veranstaltete 12. Wullstein-Symposium brachte im Dezember 2015 viele international renommierte Fachleute in Würzburg zusammen. Die in Fachkreisen weithin bekannte Veranstaltungsreihe ist nach Prof. Horst Ludwig Wullstein benannt, dem Begründer der modernen Ohrchirurgie und Ideengeber zum Bau der weltweit ersten Kopfklinik in Würzburg. Ziel der 2015er „Neuauflage“ war es, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Cochleaimplantation zu diskutieren und neue Entwicklungen auf diesem Gebiet anzustoßen.
Eine Therapiemöglichkeit mit nach wie vor hohem Potenzial
So berichtete beispielsweise Prof. Jill Firszt von der Washington University in St. Louis/USA über die Ergebnisse nach CI-Operation bei einseitiger Ertaubung. Hierbei wurde deutlich, dass das gesunde Ohr zusammen mit dem CI der ertaubten Seite zu einer deutlichen Verbesserung des Hörens führt.
Entwicklungsansätze zur Optimierung des Richtungshörens mit zwei Cochleaimplantaten beleuchteten Prof. Bertrand Delgutte (Boston/USA), Dr. Bernhard Laback (Wien/Österreich) und Prof. Bernhard Seeber (München). Sie zeigten in ihren Vorträgen, dass durch kleine Veränderungen in der elektrischen Reizung durch das CI, dem sogenannten Stimulationsalgorithmus, das Richtungshören wesentlich verbessert werden kann. Dabei konnte sie auch klären, wie diese Verbesserung im Gehirn entsteht.
Privat-Dozent Dr. Andreas Radeloff, Leiter des Hörimplantat-Teams der Würzburger HNO-Uniklinik, schilderte die Vorteile durch die beidseitige Implantation für die bislang fast 200 auf diese Weise in Würzburg behandelten erwachsenen Patienten. Dr. Radeloff: „Die beidseitige CI-Versorgung verbessert das Sprachverstehen unserer Patienten in Alltagssituationen wesentlich und wird erfreulicherweise mehr und mehr zum Standard der Behandlung.“
Das Comprehensive Hearing Center an der HNO-Universitätsklinik Würzburg bietet eine Hörimplantat-Sprechstunde an. Interessierte kontaktieren für eine Terminvereinbarung Dr. Radeloff unter Tel: 0931/201-21777.
Weshalb beidseitiges Hören so wichtig ist
Eine Hörbeeinträchtigung kann die Kommunikation im Alltag erheblich erschweren. Nicht selten ziehen sich Betroffene in der Folge einer Hörbeeinträchtigung mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, was zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann. Moderne Hörgeräte und Hörimplantate können die Folgen einer Hörbeeinträchtigung in vielen Fällen zumindest deutlich abmildern. Dabei ist es wichtig darauf zu achten, dass beide Ohren optimal versorgt sind, denn das Zusammenspiel beider Seiten erleichtert das Verstehen in Alltagssituationen wesentlich.
Nur mit beiden Ohren zusammen ist es nämlich möglich, die Richtung, aus der ein Schallsignal kommt, zuverlässig zu erkennen. Wichtig ist dieses Richtungshören in vielen Situationen, zum Beispiel im Straßenverkehr. Hier kann eine Gefahr, zum Beispiel durch ein herannahendes Fahrzeug lokalisiert werden, was die Sicherheit erhöht. Genauso wichtig ist das beidseitige Hören aber auch, wenn in einer Gruppe „durcheinandergesprochen“ wird. Mit beiden Ohren zusammen ist es dann möglich, sich auf einen Gesprächspartner zu konzentrieren, während die störenden Hintergrundgeräusche intuitiv ausgeblendet werden. Dies ist mit einem Ohr alleine nicht möglich. Zudem reduziert sich die Höranstrengung deutlich, wenn beide Ohren bestmöglich versorgt sind. Das Zuhören und Verstehen ist dann oft wieder ermüdungsfrei möglich.