Als erstes Klinikum in Bayern kann sich das Würzburger Universitätsklinikum seit Dezember 2011 mit einem zertifizierten Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie schmücken. Das Adipositaszentrum Würzburg an sich besteht allerdings schon lange: Seit 15 Jahren eröffnet es Menschen mit krankhaftem Übergewicht ein interdisziplinäres Therapieangebot.
Wer bei Dr. Christian Jurowich, dem Leiter des Adipositaszentrums Würzburg, und seinen Kollegen vorstellig wird, ist nicht einfach „nur“ zu dick. „Als eine untere prinzipielle Indikationsgrenze gilt ein Body Mass Index von rund 40“, berichtet der chirurgische Oberarzt. „Das entspricht in etwa einem Gewicht von 120 kg bei 1,70 m Körpergröße.“ Tatsächlich bringen viele seiner Patientinnen und Patienten annähernd 200 Kilo auf die Schwerlastwaage. Und fast alle haben eine lange Krankheitsgeschichte mit vielen fehlgeschlagenen Diäten, Kuren und anderen konservativen Behandlungsversuchen hinter sich.
Alles aus einer Hand
Am Adipositaszentrum Würzburg, das an die Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie des Uniklinikums angeschlossen ist, treffen sie auf ein rund 15-köpfiges Expertenteam aus Chirurgen, Endokrinologen, Psychologen und Ernährungsberatern. „Seit der Gründung des Zentrums im Jahr 1997 haben wir über die Jahre hinweg ein strukturiertes, interdisziplinäres Behandlungskonzept erarbeitet, das den Kranken quasi alle Leistungen aus einer Hand bietet“, berichtet Dr. Jurowich.
DGAV prüfte nach hohen Standards
Ende vergangenen Jahres erhielt die Würzburger Einrichtung von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) die Zertifizierung zum Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie. „Dazu haben wir in einem umfangreichen Zertifizierungsverfahren nachgewiesen, dass wir bei Infrastruktur, Leistungsangebot, Behandlungszahlen und Qualitätsmanagement alle erforderlichen Kriterien und hohen Standards erfüllen“, zeigt sich Dr. Jurowich stolz.
120 Magen-OPs pro Jahr
Im vergangenen Jahr hatten die Mitarbeiter des Zentrums annähernd 900 Patientenkontakte, zum Beispiel über die wöchentliche Sprechstunde – montags von 8:00 bis 16:00 Uhr. 120 Personen entschieden sich im Jahr 2011 für eine Adipositas-Operation. Eine Möglichkeit dabei ist, den Magen zu verkleinern und damit die Menge der Nahrung, die auf einmal aufgenommen werden kann, zu begrenzen. Alternativ dazu kann die Fläche reduziert werden, über die der Körper Nährstoffe aufnimmt. Auch Kombinationen dieser beiden grundsätzlichen chirurgischen Ansätze sind möglich. „Welches der Verfahren letztlich für den Einzelnen in Frage kommt, hängt von seiner Vorgeschichte und seinen Essgewohnheiten sowie von weiteren Faktoren ab“, sagt Dr. Jurowich.
Lebenslange Nachsorge
Großen Wert legte die DGAV bei der Zertifizierung auf den Nachweis einer umfassenden und gut strukturierten Nachsorge. „Innerhalb der ersten zwölf Monate nach der Operation verlieren die Patientinnen und Patienten das meiste Gewicht. In dieser Phase ist die Nachsorge sehr dicht“, schildert Dr. Jurowich. Überwacht werden beispielsweise Vitamin- und Spurenelement-Mangelerscheinungen sowie eventuelle psychologischer Probleme. Auch Patienten, die ihr Zielgewicht erreicht haben, müssen regelmäßig auf Mangelzustände und die weitere Gewichtsentwicklung hin kontrolliert werden – gemäß den Leitlinien der Adipositas-Chirurgie letztlich ein Leben lang. „Ein großer Vorteil für die Patienten ist hierbei, dass sie bei uns vom Erstkontakt bis zur Nachsorge vom selben Team betreut werden“, betont der Leiter des Würzburger Adipositaszentrums.
Von Zivilisationskrankheiten besonders bedroht
Hinsichtlich der Behandlungsziele ist es dem Chirurgen wichtig, die richtige Perspektive aufzuzeigen: „Die Adipositas-Chirurgie ist keine Lifestyle-Intervention. Wir machen die Menschen nicht schlank, aber wir machen sie gesünder!“ Schließlich sei für stark übergewichtige Menschen das Risiko, an Diabetes mellitus Typ II, Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfällen, Gelenkleiden sowie bestimmten Krebsarten zu erkranken, deutlich erhöht. Hinzu kommen Atembeschwerden bei Belastung, Sodbrennen und verschiedene andere Sekundärerscheinungen.
Viele Wirkmechanismen noch ungeklärt
„Interessanterweise haben unsere Eingriffe positive Wirkungen, die weit über die Tatsache hinaus gehen, dass die Patienten aufgrund des kleineren Magenvolumens weniger essen können“, berichtet Dr. Jurowich. „So verschwindet zum Beispiel in Folge der Eingriffe bei vielen Typ II-Diabetikern innerhalb kurzer Zeit ihre Zuckerkrankheit. Auch andere, vorteilhafte hormonelle Effekte stellen sich ein.“ Da diese Wirkmechanismen der Adipositas-Operationen bei weitem nicht verstanden sind, besteht für die Würzburger Uni-Mediziner neben der klinischen Praxis auch noch großer Forschungsbedarf.
Sicher ist: Die Nachfrage steigt! Nach Informationen von Dr. Jurowich gibt es allein in Deutschland derzeit etwa eine Million Menschen, die die grundsätzlichen Indikationen für eine Adipositas-OP erfüllen.
Kontakt:
Adipositaszentrum Würzburg
Zentrum für Operative Medizin
Oberdürrbacher Str. 6
97080 Würzburg
Sprechstunde: montags 8:00 bis 16:00 Uhr
Telefonische Terminvereinbarung unter Tel. 09 31/201-3 99 99