Neisserien sind gefährliche Bakterien, die Hirnhautentzündungen, Blutvergiftungen und Ge-schlechtskrankheiten auslösen können. Neue Erkenntnisse über die Erreger werden ab 9. September auf einer internationalen Tagung an der Universität Würzburg diskutiert.
In Deutschland fand sie zuletzt 1990 statt, nun kehrt sie nach langer Zeit zurück: Die „International Pathogenic Neisseria Conference“ findet vom 9. bis 14. September in Würzburg statt. Auf dieser Tagung treffen sich alle zwei Jahre die wichtigsten Neisserien-Forscher der Welt.
Zur Bakteriengattung der Neisserien gehören die Meningokokken, die als Erreger von Hirnhautent-zündungen und Blutvergiftungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen bekannt sind. Auch die Gonokokken, die für die Geschlechtskrankheit Gonorrhoe („Tripper“) verantwortlich sind, fallen in diese Gattung.
Zu der Tagung in Würzburg werden rund 450 Wissenschaftler aus aller Welt erwartet. Sie sprechen hier über Aspekte der Grundlagenforschung, aber auch über die weltweite Zunahme von Gonokokken-Stämmen, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent sind.
Neue Impfstoffe gegen Meningokokken
Ein weiteres Thema auf der Tagung ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen Meningokokken. Auf diesem Gebiet wird in Europa derzeit auf einen Durchbruch gewartet: auf die Zulassung des ersten Meningokokken-B-Impfstoffs. Erste Studien haben gezeigt, dass damit bei Säuglingen und Jugendlichen schon nach zwei Impfungen ein Impfschutz erzielt wird.
Meningokokken aus der Serogruppe B machen in Europa die meisten Fälle aus. Die Entwicklung des Impfstoffs war jedoch schwierig, weil der Erreger sehr variabel ist.
Impfaktion in Afrika
In Afrika verursachen Meningokokken aus der Serogruppe A große Epidemien – besonders häufig im „Meningitis-Gürtel“ südlich der Sahara, von Senegal bis Äthiopien. Doch mit dem neuen Impfstoff „MenAfriVac“ wird derzeit versucht, die Krankheit in Afrika auszulöschen. Seine Entwicklung ist ein bisher einmaliges Partnerschaftsmodell zwischen der Weltgesundheits-Organisation WHO und der Non-Profit-Organisation PATH.
Mit Unterstützung der „Linda and Bill Gates Foundation“ kostet eine Impfung weniger als 50 US-Cent. Bis Ende 2011 wurden bereits mehr als 20 Millionen Menschen in Burkina Faso, Mali und Niger mit dem Impfstoff immunisiert. Der Impfschutz für ein- bis 29jährige hält voraussichtlich zehn Jahre an. Die Medizinerin Marie-Pierre Preziosi, die für die WHO arbeitet, wird auf dem Kongress in Würzburg von ihren Erfahrungen aus Afrika und den Perspektiven von „MenAfriVac“ berichten.
Organisiert wird die Tagung von den Professoren Matthias Frosch und Ulrich Vogel vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie sowie von Professor Thomas Rudel vom Lehrstuhl für Mikrobiologie am Biozentrum der Universität.
Nationales Referenzzentrum für Meningokokken
In Sachen Meningokokken sind die Wissenschaftler vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität seit Jahren als renommierte Experten anerkannt: Das Bundesgesundheitsministerium hat das Würzburger Institut im Jahr 2002 zum Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken ernannt.
Das heißt: Die Teams der Professoren Matthias Frosch und Ulrich Vogel sind mit der Typisierung der Erreger und mit der bakteriologischen Überwachung von Meningokokken-Infektionen in ganz Deutschland betraut. Diese Aufgaben erfüllen sie im Auftrag des Robert-Koch-Instituts (Berlin).
2007 wurde am Institut zudem das bundesweit tätige Konsiliarlabor für Haemophilus influenzae angesiedelt, das für den Nachweis und die Typisierung dieses Bakteriums zuständig ist. Der Erreger kann lebensbedrohliche Blutvergiftungen und Hirnhautentzündungen auslösen; außerdem Mittel-ohrentzündungen und Infektionen der Atemwege.
Gonokokken weltweit auf dem Vormarsch
Wie infizieren Gonokokken die Zellen des Menschen, wie lösen sie Krankheiten aus? Zu diesen Fragen hat die Forschungsgruppe von Professor Thomas Rudel wesentliche neue Erkenntnisse geliefert. Rudels Team hat auf molekularer Ebene entschlüsselt, wie Gonokokken sich an ihre Wirtszellen heften, in sie eindringen und dann den programmierten Zelltod beeinflussen.
Diese Arbeiten sind von großer Bedeutung, weil Gonokokken-Infektionen weltweit stark zu-nehmen und vermehrt Stämme mit multiplen Antibiotika-Resistenzen auftreten. Diese be-sorgniserregende Entwicklung hat die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen dazu veranlasst, einen Aktionsplan zur Eindämmung der Infektionen mit Gonokokken zu veröf-fentlichen. Dieser Plan wird auf dem Kongress in einem eigenen Symposium diskutiert.
Zur Homepage der International Pathogenic Neisseria Conference:
http://www.conventus.de/ipnc-kongress/
Kontakt
Prof. Dr. Ulrich Vogel
Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg
T (0931) 31-46802
uvogel@ hygiene.uni-wuerzburg.de