Anfang Oktober 2009 hat Prof. Ralf-Ingo Ernestus die Nachfolge von Prof. Klaus Roosen als Direktor der Neurochirurgischen Klinik angetreten.
Wer das Büro von Prof. Ralf-Ingo Ernestus in der Kopfklinik des Würzburger Universitätsklinikums an der Josef-Schneider-Straße betritt, weiß sofort, wo der neue Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik herkommt: Hinter seinem Schreibtisch prangt seit seinem Amtsantritt im Oktober vergangenen Jahres in leuchtendem Gelb eine Pop-Art-Version des Kölner Doms. In der Rheinmetropole hat Prof. Ernestus vor seinem Wechsel an den Main die Klinik für Allgemeine Neurochirurgie der Uniklinik Köln kommissarisch geleitet.
Der medizinischen Tradition bewusst
In Potsdam im Jahr 1959 geboren, nennt er als Grundlagen seiner Arbeit zwei für ihn durchaus „typisch preußische“ Tugenden: Disziplin und Freude am Leben. Hinzu kommt der Respekt vor der Leistung seiner Vorgänger. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst, hier in Würzburg die Leitung der ältesten, selbständigen neurochirurgischen Abteilung Deutschlands zu übernehmen und damit gleichsam das Erbe bedeutender Mediziner anzutreten ‑ von Prof. Wilhelm Tönnis im Jahr 1934 bis zu meinem unmittelbaren Vorgänger Prof. Klaus Roosen.“
Verstärkt Krankheitsbilder des Alters
Bei der neurochirurgischen Krankenversorgung macht Prof. Ernestus zwei wesentliche Entwicklungen aus: Zum einen die Herausforderungen durch den demographischen Wandel und zum anderen die Chancen, die sich aus dem technischen Fortschritt ergeben. „Im Zusammenhang mit der immer älter werdenden Bevölkerung müssen steigende Patientenzahlen mit neuroonkologischen, neurodegenerativen und zerebrovaskulären Erkrankungen sowie degenerativen Wirbelsäulenleiden erwartet werden“, umreißt Ernestus die Krankheitsschwerpunkte der kommenden Jahre.
Exakter erkennen, lokalisieren und navigieren
Bei der technischen Entwicklung sieht der neue Klinikleiter vor allem die Möglichkeiten der modernen Bildgebung als maßgeblich an, nicht nur diagnostisch, sondern gerade auch im Einsatz während der Operationen. „Das Würzburger Klinikum ist zum Beispiel die zweite Uniklinik in Deutschland, die über einen speziellen 3D-Röntgenbildwandler mit angeschlossener Navigation verfügen wird“, unterstreicht Prof. Ernestus. Zusammen mit weiteren Techniken, wie voraussichtlich auch der intraoperativen Kernspintomographie, werde die hiesige Neurochirurgie in absehbarer Zeit alle heute verfügbaren, hochmodernen Bildgebungsverfahren nutzen können.
Krebs- und Tumorbehandlung im Fokus
Ein bedeutender Forschungsschwerpunkt, der in Würzburg auch durch entsprechend ausgewiesene Mitarbeiter repräsentiert wird, stellt für den neuen Ordinarius die Neuroonkologie dar. Ernestus: „Ziel der translationalen Vorhaben ist zum einen die Weiterentwicklung mikrochirurgischer Operationstechniken. Zum anderen geht es aber auch um neue Verfahren, bei denen beispielsweise Chemo-, Immun-, Gen- oder Stammzelltherapien alleine oder in Kombination mit mikrochirurgischen Eingriffen eingesetzt werden.“ Hierfür sollen interdisziplinäre, kooperative Forschungs- und Behandlungsnetze aufgebaut werden, in denen die Neurochirurgie ein starker und verlässlicher Partner sein will.
Den Blick auf das Gesamtbild schärfen
Ein besonderes „Steckenpferd“ und Anliegen von Prof. Ernestus ist die Versorgungsforschung. „Alle im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen müssen Antworten finden auf Fragen wie: Ist unsere Forschungsarbeit auch wirklich nachhaltig, sprich: finden unsere Ergebnisse auch tatsächlich den Weg in die breite klinische Anwendung? Welche Therapieformen sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in Zukunft noch zu leisten? Was ist ethisch und moralisch vertretbar?“ Gerade im letzten Punkt konnte Ernestus als Gründungsmitglied des Arbeitskreises Ethik in den Lebenswissenschaften in Köln viele Erfahrungen sammeln. „Ich halte es für sehr wichtig, sich als Mediziner auch mit diesen Themen zu beschäftigen, die oft weit über das eigene, unmittelbare Arbeitsumfeld hinaus gehen.“
Fachübergreifende Lehre und Ausbildung
Ein Ansatz, den Ernestus auch in der Lehre und Fachweiterbildung noch stärker verankern will. „Ich möchte, dass sich unsere Mitarbeiter über ihre fachspezifischen Kenntnisse hinaus als Teil der Lebenswissenschaften verstehen und sich neben den unmittelbar medizinischen unter anderem auch philosophischen und gesellschaftlichen Fragen stellen.“ Dabei sollen die klinischen Schwerpunkte des neurochirurgischen Fachgebiets zukünftig sowohl in Vorlesungen als auch in Blockpraktika fachübergreifend gelehrt werden. Generell versteht Ernestus die ärztliche und pflegerische Ausbildung auch als eine Lebenswegbegleitung, bei der der Einzelne die Chance hat, sich in einem Team weiterzuentwickeln.
In der Mitarbeiterliste der Würzburger Universität und Uniklinik findet sich der Name Ernestus seit kurzem übrigens zweimal: Die Ehefrau des neurochirurgischen Direktors, Dr. Karen Ernestus, ist seit Anfang März dieses Jahres Oberärztin am Pathologischen Institut.
Die Antrittsvorlesung von Prof. Ernestus ist für den 15. Oktober 2010 geplant.
Bildunterschrift:
Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus, Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg. (Bild: Universitätsklinikum Würzburg)