Würzburg. Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste erblich bedingte Herzerkrankung. Sie führt dazu, dass sich die linke Herzkammer verdickt, der Herzmuskel zu stark kontrahiert und übermäßig hart arbeitet. Diese zusätzliche Belastung strapaziert das Energiesystem der Zellen, die Mitochondrien, und kann das Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen erhöhen. Eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Energieverbrauch und -produktion (Energiehomöostase) spielt die Kreatinkinase. Das Enzym hilft dem Herzen, Energie schnell zu recyceln, sodass jeder Herzschlag die benötigte Energie erhält. Welche Rolle die Kreatinkinase bei der HCM spielt, untersuchten Mitarbeiter des Departments Translationale Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) gemeinsam mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern. Die Erkenntnisse wurden im Journal Circulation veröffentlicht.
Starke Herzkontraktionen erhöhen Wasserstoffperoxid in Mitochondrien – Kreatinkinase wird ausgeschaltet
„Wir stellten fest, dass eine Überlastung des Herzmuskels dazu führt, dass die Mitochondrien mehr Wasserstoffperoxid produzieren. Dieses reaktive Sauerstoffmolekül kommt in kleinen Mengen normalerweise als Nebenprodukt vor, zu viel davon jedoch kann die Zellen über längere Zeit stressen oder schädigen. Bei der HCM schaltet der sogenannte oxidative Stress die Kreatinkinase an zwei wichtigen Stellen aus: an den Filamenten, wo die Muskelkraft entsteht, und an den Mitochondrien, wo Energie produziert wird“, erläutert Anton Xu, Doktorand am DZHI und Erstautor der Studie. „Das heißt: Wenn die Kreatinkinase ausgeschaltet ist, kann das Herz die Energie nicht dort konstant halten, wo sie am meisten benötigt wird. Das erhöht das Risiko von Herzrhythmusstörungen und verursacht zusätzlichen Stress.“
Mit Myosinhemmern die Kontraktionen verringern und so die Kreatinkinase schützen und Herzrhythmusprobleme reduzieren
Das Team konnte diese Veränderungen in Herzbiopsien von Menschen mit HCM beobachten und sowohl die Ursache als auch die positive Wirkung eines Myosinhemmers in mehreren Labormodellen bestätigen. Myosinhemmer reduzieren die Wechselwirkung zwischen den Eiweißstoffen Aktin und Myosin, was zu einer entspannteren Herzmuskulatur führt. „In unseren Untersuchungen konnten wir zudem zeigen, dass sich unter der Wirkung des Myosinhemmers der Wasserstoffperoxidspiegel senkte, die Kreatinkinase-Funktion erhalten blieb und sich abnormale Herzrhythmen verringerten“, berichtet Dr. Vasco Sequeira, Letztautor der Studie. „Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass Behandlungen, die die Arbeitsbelastung des Herzens reduzieren und oxidativen Stress begrenzen, dazu beitragen können, das Energiegleichgewicht wiederherzustellen und die Behandlungsergebnisse bei HCM zu verbessern.“
Myosinmotoren des Herzens während jedes Herzschlags in Echtzeit beobachten
Im nächsten Schritt fokussiert sich das Team auf eine fortgeschrittene Form der Kardiomyopathie: die hypertrophe, obstruktive Kardiomyopathie (HOCM). Bei dieser Erkrankung verursacht eine Verengung im Ausflusstrakt der linken Herzkammer einen zusätzlichen Widerstand für das aus dem Herzen fließende Blut. Dadurch muss das Herz bei jedem Schlag noch stärker arbeiten. Zusammen mit Partnern am National Cerebral and Cardiovascular Center in Osaka wollen die Forschenden aus Würzburg realistische Tiermodelle entwickeln. Mithilfe eines speziellen hochauflösenden Röntgensystems können sie dann am japanischen Synchrotron Radiation Research Institute Spring 8 in Harima die winzigen Myosinmotoren des Herzens, also die molekularen Maschinen für die Kontraktion, während jedes Herzschlags in Echtzeit beobachten.
„Dies gibt uns einen beispiellosen Einblick in die Arbeit des Herzens, Schlag für Schlag, und ermöglicht es uns, zu untersuchen, wie gut die kleinsten Blutgefäße den Herzmuskel mit Blut versorgen und wie effizient diese Zellen Energie produzieren und transportieren“, erzählt Vasco Sequeira begeistert.
Messwerte entwickeln, um Patienten zu identifizieren, die von der Behandlung profitieren
Um die Realität besser abzubilden, wird das Team auch metabolischen Stress untersuchen, beispielsweise die negativen Auswirkungen einer fettreichen Ernährung. Im Anschluss soll ebenfalls geprüft werden, ob die Verringerung der obstruktionsbedingten Belastung des Herzmuskels durch Myosinhemmer den Energietransport des Herzens wiederherstellt, die Energieversorgung stabilisiert und das Risiko von Herzrhythmusstörungen reduziert.
„Unser Ziel ist es, einfache Messwerte zu entwickeln, die Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, diejenigen Patienten und Patientinnen mit HOCM zu identifizieren, die am ehesten von diesen entlastenden Behandlungen profitieren“, resümiert Prof. Dr. Christoph Maack, Leiter der Translationalen Forschung und Sprecher des DZHI.
Multizentrische Zusammenarbeit und Förderungen
Neben dem Universitätsklinikum Würzburg (UKW) waren folgende Institutionen beteiligt: National Cerebral and Cardiovascular Center (Japan), Monash University und Victor Chang Cardiac Research Institute (Australien), Erasmus MC und Amsterdam UMC (Niederlande), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf/DZHK, University of Glasgow (UK) und University of Porto (Portugal) sowie Kooperationspartner in den USA wie die Mississippi State University und die Vanderbilt University.
Die Arbeit wurde durch nationale und internationale Einrichtungen unterstützt, darunter die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und die Japan Society for the Promotion of Science (JSPS). Bristol Myers Squibb leistete Unterstützung im Zusammenhang mit dem in einigen Experimenten verwendeten Myosin-Inhibitor.
Publikation
Anton Xu, David Weissman, Katharina J. Ermer, Edoardo Bertero, Jan M. Federspiel, Felix Stadler, Elisa Grünler, Melina Tangos, Sevasti Zervou, Mark T. Waddingham, James T. Pearson, Jan-Christian Reil, Smita Scholtz, Jan Dudek, Michael Kohlhaas, Alexander G. Nickel, Lucie Carrier, Thomas Eschenhagen, Michelle Michels, Cris Dos Remedios, Sean Lal, Leticia Prates Roma, Nazha Hamdani, Diederik Kuster, Inês Falcão-Pires, Christopher N. Johnson, Craig A. Lygate, Jolanda van der Velden, Christoph Maack, Vasco Sequeira. Hypercontractility and Oxidative Stress Drive Creatine Kinase Dysfunction in Hypertrophic Cardiomyopathy, Circulation (American Heart Associationi), October 2025, https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.125.074120