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Warum Muskeln schwächer werden und schwinden

Lässt sich neurodegenerativer Muskelschwund bei ALS aufhalten? Verbindung zwischen Motoneuronen und Muskel im Fokus

Dr. Mehri Moradi erhält DFG-Förderung in Höhe von 420.000 Euro für den Aufbau einer Forschungsgruppe, um Synapsendegeneration bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zu untersuchen und einen Therapieansatz zu finden.

 

Mehri Moradi vorm PC
Die Neurobiologin Dr. Mehri Moradi vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) erhält eine DFG-Förderung in Höhe von 420.000 Euro für den Aufbau einer Forschungsgruppe zur Pathogenese der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). © Kirstin Linkamp / UKW
Mehri Moradi schaut ins Mikroskop
Mit dem Forschungsteam am Institut für Klinische Neurobiologie des UKW hat Mehri Moradi bereits herausgefunden, dass vor den motorischen Nervenzellen die neuromuskuläre Synapse abstirbt - die Verbindung zwischen Motoneuron und Muskelzelle, die die Übertragung von Nervenimpulsen ermöglicht, welche die Muskelkontraktion auslösen. © Kirstin Linkamp / UKW
Mikroskopisches Bild von neuromuskulären Synapsen bei Mäusen
Rechts im Bild ist die Synapse zwischen Motoneuron und innerviertem Zielmuskel in Mäusen mit Spinaler Muskelatrophie (SMA) zu sehen, links im Wildtyp. Die Nervenbahnen mit dem präsynaptischen Kompartiment sind gelb dargestellt, das postsynaptische Kompartiment an der Muskelfaser ist magenta. © Mehri Moradi / UKW

Würzburg. Gehen, Stehen, Essen, Atmen - all diese Bewegungen werden vom Gehirn gesteuert. Doch wie landet zum Beispiel der Befehl „Geh!“ aus der Schaltzentrale oben im Gehirn unten in den Füßen? Und warum kommen manche Befehle nicht an oder können nicht umgesetzt werden? Dr. Mehri Moradi vom Institut für Klinische Neurobiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) erklärt: "Die Bewegungsimpulse werden über den motorischen Kortex von motorischen Nervenzellen, den oberen Motoneuronen, vom Gehirn durch das Rückenmark geleitet, wo sie auf die unteren Motoneuronen treffen. Diese nehmen den Befehl auf und leiten ihn über ihr Axon, eine lange, dünne Nervenfaser, an die Muskeln der Beine und Füße weiter. An der Verbindungsstelle zwischen Motoneuron und Muskel, der Synapse, wird der elektrische Impuls in einen chemischen Botenstoff umgewandelt. Dieser bindet sich an die Muskelzellen und löst die Kontraktion der Muskeln aus, so dass sich die Beine bewegen.“ Die Motoneuronen sind also wie Telefonleitungen, bei denen es zu Störungen kommen kann, wie zum Beispiel bei den neurodegenerativen Erkrankungen Spinale Muskelatrophie (SMA) und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).


Und genau auf diese Störungen konzentriert sich Dr. Mehri Moradi. Für ihre Forschung zu einem möglichen Pathomechanismus bei ALS und den Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe hat die 42-Jährige jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung in Höhe von insgesamt 420.000 Euro erhalten. Im Fokus steht eine Mutation im Gen C9orf72, bei der es zu übermäßigen Wiederholungen von DNA-Bausteinen kommt, welche Proteine verändern und toxische Effekte auf Nervenzellen haben.

SMA: Durch Gendefekt stirbt zuerst die neuromuskuläre Synapse ab

Grundlage sind frühere Untersuchungen zu den Pathomechanismen der SMA. SMA ist mit 1:7.000 Neugeborenen in Deutschland eine der häufigsten autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen und eine der häufigsten genetischen Ursachen für frühkindliche Sterblichkeit. Die Erkrankung wird durch Mutationen im SMN1-Gen (Survival Motor Neuron 1) verursacht. Dieses Gen ist für die Produktion des SMN-Proteins verantwortlich, das für das Überleben und die Funktion von Motoneuronen notwendig ist. Ein Defekt im SMN1-Gen führt zu einem Mangel an SMN-Protein und damit zum Absterben der Motoneuronen. „Wir haben herausgefunden, dass vor den Motoneuronen die neuromuskuläre Synapse abstirbt, die Verbindung zwischen Motoneuron und Muskelzelle, die die Übertragung von Nervenimpulsen ermöglicht, welche die Muskelkontraktion auslösen. Die Krankheit beginnt also bei den Nervenbahnen“, erklärt Mehri Moradi.

Bisherige Therapieansätze basieren auf der Wiederherstellung des SMN-Proteins. „Aber diese Behandlungen wirken nicht hundertprozentig, man braucht eine zusätzliche Therapie für die Synapse“, sagt Mehri Moradi. Sie hat auch schon ein Ziel: „Wir haben im Mausmodell bereits gezeigt, dass wir die Synapse retten können, wenn wir bestimmte Proteine wiederherstellen, die bei der synaptischen Übertragung eine Schlüsselrolle spielen, zum Beispiel das Protein Munc13-1.“

Führt die Synapsendegeneration auch bei ALS zum Verlust von Motoneuronen?

Bei der ALS, die zu zunehmender Muskelschwäche und Muskelschwund (Atrophie) führt, ist die Situation ähnlich, aber viel komplexer. Im Gegensatz zur SMA, die durch einen einzigen Gendefekt verursacht wird, sind die Ursachen der ALS noch weitgehend unklar. Bislang wurden 40 Gendefekte identifiziert, die mit ALS in Verbindung gebracht werden. 80 bis 90 Prozent der Fälle treten jedoch sporadisch auf, und es ist möglich, dass eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren zur Entstehung der Krankheit beiträgt. „Es gibt vier aggressive Gene, von denen das Gen C9orf72 die häufigste Ursache für ALS in Europa ist“, sagt Mehri Moradi. In Europa erkranken jährlich drei von 100.000 Menschen an ALS. Die meisten Betroffenen erleben innerhalb von drei bis fünf Jahren nach der Diagnose eine deutliche Verschlechterung ihrer motorischen Fähigkeiten. Die fortschreitende Schwächung der Atemmuskulatur führt schließlich meist zum Tod. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich, aber das Fortschreiten der Symptome kann verlangsamt werden.

Im Hinblick auf weitere mögliche Angriffspunkte für therapeutische Interventionen will Mehri Moradi die Pathogenese der ALS noch besser verstehen, insbesondere wie es zur Degeneration der Synapse kommt. Könnte der Funktionsverlust des C9orf72 Proteins ein möglicher Verursacher der Synapsendegeneration sein? Was passiert, wenn man die Funktion dieses Proteins umgeht oder andere Proteinpartner gentherapeutisch überexprimiert? Antworten sucht sie in Mausmodellen, vor allem aber in menschlichen Stammzellen aus ALS Patienten.

Doktorand oder Doktorandin mit Interesse an Synapsenforschung gesucht 

Die gebürtige Iranerin und Mutter einer Tochter studierte in ihrem Heimatland Genetik und kam 2007 mit ihrem Mann nach Würzburg, um mit einem Stipendium an der Julius-Maximilians-Universität Neurobiologie zu studieren. Dort promovierte sie bei Prof. Dr. Michael Sendtner, dem Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie, und setzte ihre Arbeit als Postdoc fort. Die Neurobiologin freut sich darauf, nun mit Unterstützung der DFG eine eigene Arbeitsgruppe zu leiten. Aufgrund der bevorstehenden Emeritierung von Michael Sendtner wird Mehri Moradi Anfang nächsten Jahres an den Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik von Prof. Dr. Markus Sauer wechseln, wo sie auch von der dortigen Expertise und Infrastruktur in der Superresolution-Mikroskopie profitieren kann. Jetzt fehlt ihr nur noch ein Doktorand oder eine Doktorandin mit Interesse an der Synapsenforschung. Bewerbungen sind herzlich willkommen. Hier geht es zur Stellenanzeige. 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 
 

Gedruckte Microfasern für neuronale Zellmodelle: UKW-Forscherin besucht University of Otago in Christchurch (Neuseeland)

Nach einer erfolgreichen Vortrags- und Forschungsreise an der Ostküste Australiens (Sydney, Wollongong, Sunshine Coast und Brisbane) konnte PD Dr. Natascha Schäfer vom Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) auch einen Vortrag an der University of Otago halten.

V.l.n.r.: Max Yavitt, Natascha Schäfer, Wim Woodfield

Finanziert wurde der Forschungsaufenthalt über Gleichstellungsmittel des SFB TRR 225 Biofabrication. In Christchurch tauschte sich Natascha Schäfer mit Prof. Tim Woodfield und Dr. Max Yavitt über die neuesten Entwicklungen im Bereich des Tissue Engineering aus und hielt einen Vortrag am Department of Orthopaedic Surgery & Musculoskeletal Medicine.

3D-neuronale Modelle – neue Strategien zur Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen

Der Vortrag mit dem Titel „Rare diseases and their complex pathomechanisms – from 2D to 3D neuronal tissue models” fand am 25.03.2024 statt. Im Anschluss diskutierte Natascha Schäfer mit der CReATE-Forschungsgruppe in einer anregenden Debatte über die jüngsten Ergebnisse. Daraus entwickelten sich mögliche Ansatzpunkte für neue Kooperationen.

Die Wissenschaftlerin zeigte sich beeindruckt von den Forschungsleistungen im Bereich der regenerativen Medizin und des Tissue Engineerings an der University of Otago, der regen Diskussionsbereitschaft und dem Engagement – vor allem von Max Yavitt – sowie der Gastfreundlichkeit von Tim Woodfield und seinem Team von der CReATE Research Gruppe.

V.l.n.r.: Max Yavitt, Natascha Schäfer, Wim Woodfield

Forschungsreise ans andere Ende der Welt: UKW-Forscherin zu Besuch an der University of the Sunshine Coast (USC) and University of Queensland

PD Dr. Natascha Schäfer vom Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) absolvierte einen dreiwöchigen Forschungsaufenthalt an der University of the Sunshine Coast (USC). An der dortigen Universität tauschte sie sich mit dem langjährigen Kooperationspartner und Mentor Prof. Robert J. Harvey über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Neurodegenerativen Erkrankung Hyperekplexie aus.

PD Dr. Natascha Schäfer neben einem Bildschirm, auf dem die Powerpoint Präsentation zur ihrem Vortrag läuft
Anregende Diskussion an der University of the Sunshine Coast (USC): Welche Chancen bieten dreidimensionale neuronale Zellmodelle zur weiteren Aufklärung neurodegenerativer Pathomechanismen?
PD Dr. Natascha Schäfer blickt auf eine Folie ihrer Präsentation, die mit einem Beamer an die Wand geworfen wird
Forschungsvortrag am Queensland Brain Institute (QBI): Aus den regen Diskussionen im Anschluss entwickelten sich vielsprechende Ideen zur weiteren Erforschung der Hyperekplexie

Außerdem hielt sie am 22. Februar 2024 an der USC im Rahmen einer Vortragsserie an der School of Health einen Vortrag zum Thema: „From 2D to 3D neuronal tissue models - an interdisciplinary framework“. Die anschließende sehr anregende Diskussionsrunde beschäftigte sich mit der Notwendigkeit dreidimensionaler neuronaler Zellmodelle zur weiteren Aufklärung neurodegenerativer Pathomechanismen. Im Anschluss fanden Mentorengespräche sowie erfolgreiche Teamgespräche zu aktuellen Forschungsprojekten statt. 

Weiterer Forschungsvortrag am Brisbane Brain Institute

Über Robert J. Harvey ergab sich die Möglichkeit, weitere Forschende im Bereich der Glyzinergen Disinhibition kennenzulernen. Dr. Nela Durisic ermöglichte es Natascha Schäfer, ihre Forschung an der University of Queensland am Queensland Brain Institut (QBI) vorzutragen. Aus den regen Diskussionen entwickelten sich vielversprechende Ideen zur weiteren Erforschung der Hyperekplexie. Im Anschluss konnte sich Natascha Schäfer mit Prof. Joseph W. Lynch austauschen, ein sehr renommierter und bereits emeritierter Professor am BBI sowie langjähriger Kollaborationspartner.

Ein Zwischenstopp auf einer dreimonatigen Forschungsreise

Der Aufenthalt an der USC und QBI stellte nur einen Teil der dreimonatigen Forschungsreise von PD Dr. Natascha Schäfer dar. Zuvor absolvierte sie im Rahmen des DeMANS-Projekts einen einmonatigen Forschungsaufenthalt in Wollongong und Sydney (zur Meldung). Im Anschluss besuchte sie in Christchurch, Neuseeland, Prof. Tim Woodfield und sein Team der CReATE Research Gruppe und der University of Otago (zur Meldung).

PD Dr. Natascha Schäfer neben einem Bildschirm, auf dem die Powerpoint Präsentation zur ihrem Vortrag läuft
Anregende Diskussion an der University of the Sunshine Coast (USC): Welche Chancen bieten dreidimensionale neuronale Zellmodelle zur weiteren Aufklärung neurodegenerativer Pathomechanismen?
PD Dr. Natascha Schäfer blickt auf eine Folie ihrer Präsentation, die mit einem Beamer an die Wand geworfen wird
Forschungsvortrag am Queensland Brain Institute (QBI): Aus den regen Diskussionen im Anschluss entwickelten sich vielsprechende Ideen zur weiteren Erforschung der Hyperekplexie

Beeindruckende Expertise im Bioprinting: UKW-Forscherinnen besuchen University of Wollongong (UoW)

Im Rahmen des DeMANS-Projekts absolvierten Natascha Schäfer und Carmen Villmann vom Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) einen einmonatigen Forschungsaufenthalt in Wollongong. An der dortigen Universität tauschten sie sich über die neuesten Entwicklungen im Bereich des Tissue Engineering aus und lernten die Bioprinting-Infrastruktur des Australian Institute for Innovative Materials sowie des Intelligent Polymer Research Institute kennen.

Gordon Wallace, David Officer, Carmen Villmann und Natascha Schäfer (v.l.n.r.) im Australian Institute for Innovative Materials and Intelligent Polymer Research Institute.

Die Gäste aus Würzburg erhielten bei TRICEP (Translational Research Initiative for Cell Engineering and Printing) eine Schulung an den dortigen Gewebedruckern und nutzten die Möglichkeit, das Erlernte direkt anzuwenden. Dafür verwendeten sie Mikrofasermaterial, das sie aus Deutschland mitgebracht hatten, und druckten mit dem 3D REDI Mikrofasern zusammen mit Hydrogel. Die Verteilung der Mikrofasern wurde weiter analysiert und mit den Materialexperten aus Wollongong diskutiert.

Mikrofasergerüste zur Stabilisierung von Zellmodellen

In Expertenseminaren teilten die AG-Leiterinnen vom Institut für Klinische Neurobiologie ihr Wissen mit den Forschenden an der Gastgeber-Universität. Natascha Schäfer stellte ihre neuesten Arbeiten am UKW über die Herstellung von Mikrofasern und deren Verwendung in zellulären Modellen vor. Carmen Villmann konzentrierte sich auf den Aufbau eines Glioblastom-Modells im Zusammenhang mit ultraschwachen Hydrogelen. Das Team der UoW, die UoW-Kooperationspartner und die Studierenden diskutierten intensiv mit den UKW-Forscherinnen über ihre jüngsten Ergebnisse.

Die beiden Wissenschaftlerinnen zeigten sich beeindruckt von den enormen Möglichkeiten des Bioprintings, der Kooperationsbereitschaft und dem Engagement der Kollegen Gordon Wallace, David Officer und Xiao Liu. Die fruchtbaren und konstruktiven Gespräche werden dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen UoW und UKW im Rahmen von DeMANS und darüber hinaus weiter zu intensivieren. 

Gordon Wallace, David Officer, Carmen Villmann und Natascha Schäfer (v.l.n.r.) im Australian Institute for Innovative Materials and Intelligent Polymer Research Institute.

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