3D-Gewebemodelle des Rückenmarks zur Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen

PD Dr. Natascha Schäfer widmet sich der Entwicklung und Etablierung von dreidimensionalen Gewebemodellen des Rückenmarks. Diese Modelle helfen ihr und ihrem Team, bisher nicht aufgeklärte molekulare Pathomechanismen neurologischer Erkrankungen zu identifizieren. Gleichzeitig bietet funktionelles Gewebe aus dem 3D-Drucker in Zukunft die Möglichkeit, die Zahl der Tierversuche in der Forschung zu reduzieren.

 

Die Etablierung von 3D-Rückenmarksmodellen stellt eine Herausforderung dar, da dieses Nervengewebe sehr weich ist – vergleichbar mit Wackelpudding. Wir bezeichnen es deshalb als „ultraweiches Gewebe“. Um die mechanischen Eigenschaften des Nervengewebes nachzubilden, muss die verwendete extrazelluläre Matrix (ECM), die für das Wachstum neuronaler Zellen unerlässlich ist, ebenfalls sehr weich sein. Damit die Konstrukte stabil genug für experimentelles Arbeiten bleiben, ist eine Verstärkung erforderlich. Dies erreichen wir durch die Kombination mit thermoplastischen Gerüsten oder sehr kleinen Fasern, die die Stabilität der künstlichen ECM erhöhen. 

Mikrofasern mit biofunktionellen Eigenschaften

In Zusammenarbeit mit Dr. Gregor Lang (Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde in Würzburg) entwickeln wir gesponnene oder gedruckte Fasern mit Durchmessern im Mikro- bis Submikrometerbereich. Diese winzigen Dimensionen sind entscheidend, da Zellen solche Fasern morphologisch wahrnehmen und auf sie reagieren können. Die Fasern sind biomimetisch gestaltet, das heißt, sie orientieren sich strukturell an natürlichen Gewebekomponenten wie Kollagen oder Elastin. Dadurch lassen sich physiologisch relevante Mikroarchitekturen nachbilden. 

Die Fasern werden auf Längen von mehreren hundert Mikrometern zugeschnitten, um sie als Verstärkungsstoffe („Filler“) in faserverstärkten Biotinten für den 3D-Druck zu nutzen. Ihre gezielt eingebrachte Anisotropie – also eine gerichtete Ausrichtung – ermöglicht es, das Zellwachstum zu lenken und die Ausbildung gewebetypischer Strukturen zu fördern. Gleichzeitig tragen die Fasern zur mechanischen Stabilisierung ultra-weicher Gewebeäquivalente bei und verbessern die Formstabilität der gedruckten Konstrukte.

Zusätzlich statten wir die Fasern mit biofunktionellen Eigenschaften aus, indem wir ihre Oberfläche mit adhäsionsfördernden Materialien oder bioaktiven Molekülen modifizieren. Ziel ist es, zelluläre Prozesse wie Adhäsion, Proliferation oder Reifung gezielt zu beeinflussen. Die Fasern werden anschließend hinsichtlich ihrer Zellverträglichkeit getestet, wobei wir untersuchen, welche Kombinationen aus Länge, Durchmesser, Oberflächenstruktur und funktioneller Modifikation für verschiedene Zelltypen am besten geeignet sind.

Ausgewählte Literatur

Murenu, N., Kasteleiner, M., Lamberger, Z., Tuerker, E., Theis, K., Jablonka, S., Hemmen, H., Schenk, j., Heinze, K. G., Villmann, C., Lang, G.  and Schaefer, N.; Impact of Polymorphic Micro-Fibers for Establishment of Neuronal Models. (2024). NanoSelect e202400122. https://doi.org/10.1002/nano.202400122 

Schaefer, N., Andrade Mier, M. S., Sonnleitner, D., Murenu, N., Ng, X.J., Lamberger, Z., Buechner, M., Trossmann, V.T., Schubert, D.W., Scheibel, T. and Lang, G. Rheological and Biological Impact of Printable PCL-Fibers as Reinforcing Fillers in Cell-Laden Spider-Silk Bio-Inks. (2023). Small Methods, DOI:10.1002/smtd.202201717

Sonnleitner, D., Schaefer,, N., Wieland, A.L., Fischer, L., PasbergP., Thievessen, I. and LangG., PCL micro-dumbbells – A new class of polymeric particles reveals morphological biofunctionality. (2021). Appl Mater Today, Doi:10.1016/j.apmt.2021.101097

Dreidimensionale Thermoplastgerüste

Für unser Modell verwenden wir Thermoplastgerüste und kommerziell erhältliche Hydrogele als ECM. In diesen 3D-Konstrukten kultivieren wir embryonale Rückenmarkneuronen und untersuchen deren neuronale Netzwerkbildung sowie elektrophysiologische Eigenschaften. 

Erste Ergebnisse zeigen, dass die dritte Dimension im Vergleich zu herkömmlichen 2D-Kulturen entscheidend für eine schnellere Proteinreifung und Netzwerkbildung ist. 

Aktuell wird dieses Modell weiterentwickelt, um es für die Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen zu nutzen. Dabei werden unterschiedliche Zusammensetzungen der ECM sowie verschiedene Verstärkungen der Konstrukte durch Mikrofasern untersucht. 

In einem weiteren Projekt beschäftigen wir uns mit der gezielten Freisetzung bestimmter chemischer Substanzen innerhalb der Konstrukte mithilfe der Mikrofasern. Ziel des Projekts ist es, Substanzen, die für das Wachstum, die Entwicklung oder die Reifung von Zellen benötigt werden, auch in größeren 3D-Gewebemodellen freizusetzen - ein wichtiger Schritt für zukünftige und komplexere Modelle.

Ausgewählte Literatur

Fischhaber, N., Faber, J., Bakirci, E., Dalton, PD., Budday, S., Villmann, C. and Schaefer, N. Spinal Cord Neuronal Network Formation in a 3D Printed Reinforced Matrix—A Model System to Study Disease Mechanisms. (2021). Adv Healthc Mater, DOI: 10.1002/adhm.202100830

Schaefer, N., Janzen, D., Bakirci, E., Hrynevich, A., Dalton, P. D. and Villmann, C. 3D Electrophysiological Measurements on Cells Embedded within Fiber-Reinforced Matrigel. (2019). Adv Healthc Mater, DOI: 10.1002/adhm.201801226

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