Atemwegsinfektionen bei Patienten mit hämatologischen Malignomen oder nach hämatopoetischer Zelltransplantation

Menschen mit Blutkrebs oder nach einer Stammzelltransplantation haben ein stark geschwächtes Immunsystem und sind dadurch besonders anfällig für Infektionen mit Atemwegsviren, die man sich im Alltag leicht einfangen kann – etwa Grippeviren, RSV (Respiratory Syncytial Virus), Rhinoviren oder Coronaviren.

Der Artikel aus der 10. Europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL-10) fasst den aktuellen Wissensstand aus den Jahren 2014 bis 2024 zusammen und gibt neue Empfehlungen, wie solche Virusinfektionen bei diesen Hochrisikopatientinnen und -patienten besser verhindert, erkannt und behandelt werden können.

Empfohlen wird ein einheitlicher Ansatz für die Vorbeugung, Diagnostik und Behandlung aller wichtigen Atemwegsviren – einschließlich SARS-CoV-2. Besonders betont wird die Bedeutung einer jährlichen Grippeimpfung mit einem inaktivierten Impfstoff. Wenn eine Influenza-Infektion festgestellt wird, sollte die antivirale Therapie so früh wie möglich beginnen. Eine vorbeugende Medikamentengabe wird dagegen in der Regel nicht empfohlen. Beim RSV-Virus stehen inzwischen Impfstoffe zur Verfügung, die bei besonders gefährdeten Personen, zum Beispiel nach einer Transplantation, in Betracht gezogen werden können. Für Kinder unter zwei Jahren wird außerdem der Schutz durch spezielle Antikörper (z. B. Palivizumab oder Nirsevimab) empfohlen, während für ältere Kinder und Erwachsene noch zu wenige Daten vorliegen.

Für viele andere Atemwegsviren gibt es bislang keine wirksamen Medikamente oder Impfstoffe. Daher konzentriert sich die Behandlung meist darauf, das geschwächte Immunsystem zu unterstützen – etwa durch den Ausgleich eines Antikörpermangels oder die vorsichtige Reduktion von Medikamenten, die das Immunsystem zusätzlich unterdrücken.

Insgesamt zeigt der Bericht, dass Atemwegsinfektionen bei Menschen mit Blutkrebs oder nach Stammzelltransplantation weiterhin ein großes Risiko darstellen. Fortschritte bei Impfungen und antiviralen Therapien gibt es zwar, doch bestehen noch erhebliche Forschungslücken. Die aktualisierten Empfehlungen der ECIL-10 sollen Ärztinnen und Ärzten helfen, diese Infektionen frühzeitig zu erkennen und die Behandlung besser auf die besonderen Bedürfnisse immungeschwächter Patientinnen und Patienten abzustimmen.

Marie von Lilienfeld-Toal, Fareed Khawaja, Francesca Compagno, Christine Robin, José-Luis Piñana, Simone Cesaro, Hermann Einsele, Per Ljungman, David Navarro, Michael Boeckh, Roy F Chemaly, Hans H Hirsch. Community-acquired respiratory virus infections in patients with haematological malignancies or undergoing haematopoietic cell transplantation: updated recommendations from the 10th European Conference on Infections in Leukaemia. The Lancet Infectious Diseases, 2025, ISSN 1473-3099, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(25)00365-2.

 

10. Europäischen Konferenz zu Infektionen bei Leukämie (ECIL-10)