Würzburg/Baden-Baden. Hape Kerkeling, der in diesem Jahr den Jacob-Grimme-Preis, den Hauptpreis des „Kulturpreises Deutsche Sprache“, erhielt, erinnerte gleich zu Beginn seiner Dankesrede in Baden-Baden an seine Mutter: „Sie hat mir die Liebe zur deutschen Sprache beigebracht. Sie ließ keine Pointe aus und zeigte mir, dass zur Sprache auch Lachen und Weinen gehören.“ Für ihn sei Sprache mehr als nur Bedeutung, sie sei Emotion.
Für Prof. Dr. Kathleen Wermke, beginnt die Sprache sogar schon im Mutterleib. Kaum auf der Welt, imitieren Säuglinge die Sprachmelodie ihrer Mütter, um eine emotionale Bindung zu ihnen aufzubauen. Diese stimmlichen Botschaften sind laut Wermke wie ein Urgesang, aus dem sich die gesprochene Sprache entwickelt. Sie möchte daher Erwachsene, nicht nur Eltern, dazu anregen, Babys einfach mal zuzuhören, ihre stimmlichen Botschaften wertzuschätzen und zu akzeptieren, dass diese emotionale Sprache der Weg zur Sprache ist.
Weltweit einzigartige Datenbank von Babylauten
Kathleen Wermke wurde am 27. September 2025 neben Hape Kerkeling mit dem Kulturpreis Deutsche Sprache geehrt, und zwar in der undotierten Sparte „Institutionspreis“. Die Verhaltensbiologin und Anthroposophin leitet am Uniklinikum Würzburg (UKW) das 2003 in enger Kooperation mit der Kinderklinik, der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und der Kinderneurochirurgie in der Poliklinik für Kieferorthopädie gegründete Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES). Im Laufe der Jahre ist dort eine weltweit einzigartige Datenbank von Babylauten entstanden. Mithilfe ihrer Daten ist es möglich, die normale Sprachentwicklung sowie Einflussfaktoren wie Fehlbildungen, Hörstörungen oder Umweltbedingungen zu analysieren, Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Fördermaßnahmen zu entwickeln. „Mittels der Sprach- und Stimmdiagnostik lässt sich eine Hörstörung bei Babys inzwischen sehr früh behandeln“, so Wermke. Über die mit dem Kulturpreis Deutsche Sprache und die damit verbundene Anerkennung freut sie sich sehr. Es sei nicht leicht, angesichts der aktuellen globalen Probleme in der Öffentlichkeit gesehen zu werden.
Pionierin und Grundlagenforscherin in einem Übergangsbereich zwischen Biologie, Medizin und Linguistik
„Als eine Pionierin in einem Forschungsfeld, das noch viele offene Fragen für uns parat hat“, ehrte sie Prof. Dr. Helmut Glück, Sprachwissenschaftler und Mitglied der Jury, in seiner Laudatio. „Wesentliche Fragen hat sie gestellt, einige davon hat sie beantwortet.“ Kathleen Wermke sei eine Grundlagenforscherin in einem Übergangsbereich zwischen Biologie, Medizin und Linguistik. „Sie hat herausgefunden, dass es zunächst einfache Tonkurven sind, die das Babyweinen charakterisieren, Tonkurven aus Melodien, Rhythmen, Lautstärken und Klangfarben.“ Und sie habe zeigen können, dass sich diese Grundbausteine in Abhängigkeit davon unterscheiden, welche Sprache die Mutter während der Schwangerschaft gesprochen oder ob sie ein Instrument gespielt habe. Auch der Frage, ob man vom Babyweinen auf Entwicklungsstörungen im Gehirn des Babys schließen kann, sei sie nachgegangen.
Nach Sachbuch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ folgt Fachbuch
Der Kulturpreis Deutsche Sprache ist bereits die zweite Ehrung für Kathleen Wermke in diesem Jahr. Im Februar 2025 wurde ihr Sachbuch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ (Molden Verlag) zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gewählt. In dem Buch nimmt sie ihre Leserinnen und Leser auf über 200 Seiten unterhaltsam und fundiert mit zahlreichen Hörbeispielen in die geheimnisvolle Klangwelt der Babys mit. Derzeit arbeitet sie mit Unterstützung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung an einem Fachbuch, in dem sie ihre Theorien zur vorsprachlichen Entwicklung sowohl mit modernen Konzepten zur Sprachrevolution als auch mit ihren klinischen Erfahrungen verbindet.
Zum Kulturpreis Deutsche Sprache
Der Kulturpreis Deutsche Sprache wird von der Eberhard-Schöck-Stiftung gemeinsam mit der renommierten Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in drei Sparten verliehen. Ausgezeichnet werden seit 2001 alljährlich Personen, Institutionen und Initiativen, die sich in besonderem Maße um die deutsche Sprache verdient gemacht haben. Der Jacob-Grimm-Preis (Hauptpreis) ging bisher an bekannte Persönlichkeiten wie die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim, Udo Lindenberg, Cornelia Funke, Loriot, Ulrich Tukur oder die Fantastischen Vier.
Am Samstag wurde in Baden-Baden zum 24. Mal der Kulturpreis Deutsche Sprache in drei Kategorien verliehen. Vor 400 geladenen Gästen erhielt Hape Kerkeling den mit 30.000 Euro dotierten Jacob-Grimm-Preis (Hauptpreis). Ausgezeichnet wurden außerdem das Projekt „Echt absolut – Literarisches Übersetzen mit Jugendlichen“ von Nina Thielicke und Christine Wagner (Initiativpreis) sowie das von Kathleen Wermke geleitete Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) am Universitätsklinikum Würzburg (Institutionenpreis).