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Nebennierenrindenkarzinom: ein praktischer Leitfaden für Klinikerinnen und Kliniker

Das adrenokortikale Karzinom ist eine seltene bösartige Erkrankung der hormonproduzierenden Nebennierenrinde. Die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist aus mehreren Gründen besonders anspruchsvoll: Dazu zählen das sehr unterschiedliche, oft jedoch aggressive biologische Verhalten des Tumors, hormonelle Überfunktionen wie das Cushing-Syndrom oder eine Vermännlichung (Virilisierung) und die Tatsache, dass es nur ein einziges zugelassenes Medikament gibt (Mitotan).

Das Nebennierenkarzinom ist eine bösartige Entartung einer der Hormondrüsen, die paarig jeweils als kleine Kappen der Niere aufsitzen. Mit 80 bis 120 Neuerkrankungen in Deutschland ist der Tumor sehr selten. Daher gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Das UKW ist derzeit weltweit das größte Zentrum für die Diagnostik, Therapie und Forschung. © Nuklearmedizin Universitätsklinikum Würzburg

Dazu kommt aber auch aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ein weiterhin oft bestehender Mangel an gesicherten Erkenntnissen zur Diagnostik und Therapie, sowie die geringe Zahl an Behandlungszentren mit ausreichend Erfahrung.

In dieser Übersichtsarbeit präsentieren Martin Fassnacht, Soraya Puglisi, Otilia Kimpel und Massimo Terzolo 25 Fragen zu den wichtigsten Aspekten der klinischen Versorgung erwachsener Patientinnen und Patienten mit adrenokortikalem Karzinom, welche sie in der Betreuung dieser Erkrankung in den vergangenen 25 Jahren immer wieder beschäftigt haben. Sie geben persönlichen Antworten und Einschätzungen – gestützt auf veröffentlichte Studienergebnisse ebenso wie auf mehr als 60 Jahre gemeinsame klinische Erfahrung und die Behandlung von über 1.700 Patientinnen und Patienten an zwei spezialisierten Zentren in Deutschland (UKW) und Italien (San Luigi Hospital der Universität in Turin).

 

Martin Fassnacht, Soraya Puglisi, Otilia Kimpel, Massimo Terzolo. Adrenocortical carcinoma: a practical guide for clinicians. Lancet Diabetes Endocrinol. 2025 Mar 11:S2213-8587(24)00378-4. doi: 10.1016/S2213-8587(24)00378-4. Epub ahead of print. PMID: 40086465.

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Das Nebennierenkarzinom ist eine bösartige Entartung einer der Hormondrüsen, die paarig jeweils als kleine Kappen der Niere aufsitzen. Mit 80 bis 120 Neuerkrankungen in Deutschland ist der Tumor sehr selten. Daher gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Das UKW ist derzeit weltweit das größte Zentrum für die Diagnostik, Therapie und Forschung. © Nuklearmedizin Universitätsklinikum Würzburg
Prolaktinom: Geschlechtsspezifische Unterschiede im Blutbild und Auswirkungen auf die Lebensqualität

Eine aktuelle Studie im Fachjournal Pituitary untersuchte, wie sich Prolaktinome – gutartige Tumoren der Hirnanhangsdrüse, die das Hormon Prolaktin produzieren – auf die Blutzellen und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten auswirken.

Dabei zeigte sich, dass Männer mit Prolaktinomen häufiger unter Blutarmut (Anämie) und einem Mangel an Sexualhormonen (Hypogonadismus) leiden als Frauen. Nach einer erfolgreichen medikamentösen Behandlung mit Dopaminagonisten verbesserten sich bei den betroffenen Männern die Hämoglobin- und Hämatokritwerte, was auf eine Erholung der Blutbildung hinweist. Zudem berichteten sie über ein gesteigertes Energielevel.Allerdings blieb bei einigen Männern der Hormonmangel bestehen, was sich negativ auf ihre Lebensqualität auswirkte. Bei Frauen wurden hingegen keine signifikanten Veränderungen der Blutzellen festgestellt. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer geschlechtsspezifischen Betrachtung bei der Diagnose und Behandlung von Prolaktinomen, insbesondere im Hinblick auf die Überwachung der Blutwerte und die Lebensqualität der Patienten.

 

Mario Detomas, Timo Deutschbein, Pasquale Dolce, Yvonne Möhres, Martin Fassnacht, Barbara Altieri. Exploring sex-specific hematological changes and their impact on quality of life in patients with prolactinoma. Pituitary. 2025 Feb 3;28(1):24. doi: 10.1007/s11102-024-01493-x. PMID: 39900728; PMCID: PMC11790753.

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Kardiovaskulärer Status bei chronischem Hypoparathyreoidismus

Chronischer Hypoparathyreoidismus ist eine seltene Erkrankung, bei der die Nebenschilddrüsen zu wenig Parathormon produzieren. Dies führt zu einem gestörten Kalzium- und Phosphathaushalt im Körper. Die im European Journal of Endocrinology veröffentlichte Studie analysierte 168 Patientinnen und Patienten mit dieser Erkrankung und verglich ihre Herz-Kreislauf-Gesundheit mit der von gesunden Kontrollpersonen.

Die Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen und Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus häufiger Anzeichen für eine Beeinträchtigung der Herzfunktion aufwiesen. Dazu gehörten Veränderungen in der Herzstruktur und -funktion sowie Hinweise auf eine erhöhte Gefäßsteifigkeit. Diese Veränderungen könnten das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Die Studie weist auf eine wichtige Funktion des Parathormons bei der Regulation der Herz-Kreislauf-Funktion hin, die man bisher so nicht kannte, und betont die Bedeutung einer regelmäßigen kardiologischen Überwachung bei chronischem Hypoparathyreoidismus, um frühzeitig mögliche Komplikationen zu erkennen und zu behandeln.

 

Carmina Teresa Fuss, Karen Gronemeyer, Franca Hermes, Marcus Dörr, Benedikt Schmid, Caroline Morbach, Lena Schmidbauer, Nicolas Schlegel, Martin Fassnacht, Ann Cathrin Koschker, Peter Nordbeck, Anke Hannemann, Stefanie Hahner. Cardiovascular status in chronic hypoparathyroidism: a systematic cross-sectional assessment in 168 patients. Eur J Endocrinol. 2025 Mar 27;192(4):373-384. doi: 10.1093/ejendo/lvaf023. PMID: 40172208.

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Semaglutid: Mehr als ein Mittel zur Gewichtsreduktion – Hoffnung für die Herzgesundheit

In einer aktuellen Studie hat die Endokrinologie (AG Dischinger) mit der translationalen Forschung aus dem DZHI untersucht, wie Semaglutid, ein GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) zur Behandlung von Übergewicht, auch positive Effekte auf das Herz haben kann.

Bei stark übergewichtigen Ratten, die durch eine fettreiche Ernährung Herzprobleme entwickelt hatten, zeigte sich, dass die Funktion der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) gestört war: verstärkte L-Typ-Kalziumströme und eine erhöhte Kalziumspeicherung im Sarkoplasmatischen Retikulum (SR). Das heißt: Der Kalziumhaushalt in diesen Zellen war überaktiv, was zu übermäßigen Kontraktionen führte. 

Semaglutid konnte diese Überaktivität normalisieren. Es reduzierte die überschüssige Kalziumspeicherung in den Zellen und brachte die Funktion der Herzmuskelzellen auf ein gesünderes Niveau zurück. Diese Ergebnisse sind besonders wichtig für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpleistung (HFpEF), einer Form der Herzschwäche, die bei übergewichtigen Menschen häufig auftritt.

Neben der bekannten Wirkung auf das Gewichtsmanagement könnte Semaglutid also auch direkt das Herz schützen und die Lebensqualität von Betroffenen verbessern. Die Studie liefert mechanistische Beweise dafür, warum der Wirkstoff in klinischen Studien bereits positive Effekte bei herzkranken, übergewichtigen Patientinnen und Patienten gezeigt hat.

Die Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Semaglutid und ähnliche Medikamente gezielt zur Behandlung von Herzproblemen einzusetzen, bei denen der gestörte Kalziumhaushalt eine Rolle spielt. Weitere Studien könnten dazu beitragen, die Rolle dieser Medikamente bei der Therapie metabolisch bedingter Herzkrankheiten besser zu verstehen.

 

Vasco Sequeira, Julia Theisen, Katharina J. Ermer, Marie Oertel, Anton Xu, David Weissman, Katharina Ecker, Jan Dudek, Martin Fassnacht, Alexander Nickel, Michael Kohlhaas, Christoph Maack, Ulrich Dischinger. Semaglutide normalizes increased cardiomyocyte calcium transients in a rat model of high fat diet-induced obesity. ESC Heart Fail. 2024 Oct 31. doi: 10.1002/ehf2.15152. Epub ahead of print. PMID: 39482267.

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Auswirkungen des endogenen Kortisol-Überschusses auf das menschliche Herz

Das Cushing-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, bei der der Körper zu viel des "Stresshormons" Kortisol produziert. Dies kann zu einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität führen. Forschende der Kardiologie, des DZHI und der Endokrinologie haben in der prospektiven CV-CORT-EX-Studie untersucht, wie das Herz bei Patientinnen und Patienten mit endogenem Kortisol-Überschuss verändert ist und ob diese Schäden nach erfolgreicher Behandlung wieder rückgängig gemacht werden können.

Die Studie verglich 40 Menschen mit floridem Cushing-Syndrom, also aktuell aktiver übermäßiger Hormonausschüttung, 56 ehemals Erkrankte mit schon längerfristig normalen Kortisol-Werten sowie 18 Personen mit gutartigem Nebennierentumor und mild erhöhtem Kortisol. Ihre Ergebnisse wurden unter Verwendung eines vom IKE-B neu entwickelten statistischen Verfahrens* mit einer fast 5.000 Personen umfassenden Stichprobe der aus der Stadt Würzburg stammenden Allgemeinbevölkerung verglichen (STAAB-Studie; DZHI & IKE-B).

Es zeigte sich, dass das Herz bei floridem Cushing-Syndrom häufig verändert war, z. B. in Form verdickter Herzwände und einer schlechteren Pumpleistung. Nach erfolgreicher Behandlung verbesserten sich zwar einige der Cushing-typischen Beeinträchtigungen wie erhöhte Werte von Bluthochdruck und Blutzucker, die Herzveränderungen gingen jedoch nur teilweise zurück. Auch nach vielen Jahren war die Herzfunktion oft schlechter als bei gesunden Personen. Interessanterweise führte selbst ein nur milder Kortisol-Überschuss zu auffälligen Veränderungen des Herzens, welche teilweise sogar stärker ausgeprägt waren, als bei Menschen mit einem metabolischen Syndrom (z. B. Übergewicht, Diabetes).

Fazit: Selbst ein gering ausgeprägter Kortisol-Überschuss kann das Herz bereits stark und nachhaltig belasten. Auch nach erfolgreicher Behandlung bleiben oft Beeinträchtigungen zurück. Das zeigt, wie wichtig neben der frühzeitigen Diagnose und Behandlung eines Cushing-Syndroms in der Folge regelmäßige Kontrollen des Herz-Kreislauf-Systems sind, um Veränderungen erkennen und behandeln zu können.

 

Caroline Morbach, Mario Detomas, Floran Sahiti, Kristina Hoffmann, Matthias Kroiss, Götz Gelbrich, Stefan Frantz, Stefanie Hahner, Peter Ulrich Heuschmann, Martin Fassnacht, Stefan Störk, Timo Deutschbein. Cardiovascular status in endogenous cortisol excess: the prospective CV-CORT-EX study. Eur J Endocrinol. 2024 Nov 27;191(6):604-613. doi: 10.1093/ejendo/lvae145. PMID: 39556766.

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Wie die Nebenniere in gesundem Zustand und unter Tumorbedingungen funktioniert und ihre Balance aufrechterhält

Die menschliche Nebenniere ist ein komplexes endokrines Gewebe. Studien zur Erneuerung der Nebenniere waren bisher auf Tiermodelle oder menschliche Föten beschränkt.

Ein besseres Verständnis der Homöostase der adulten menschlichen Nebenniere ist von entscheidender Bedeutung, um Einblicke in die Pathogenese von Nebennierenerkrankungen wie zum Beispiel Nebennierentumoren, zu gewinnen. In dieser Publikation stellt Barbara Altieri gemeinsam mit Alim Kerim Secener vom Max Delbrück Center for Molecular Medicine in Berlin und Teams eine umfassende zelluläre Genomanalyse der erwachsenen menschlichen Nebenniere vor, bei der die Sequenzierung von Einzelkern-RNA (Untersuchung von einzelnen Zellkernen, meist mit spezifischen molekularen oder genetischen Methoden) und räumliche Transkriptomdaten (welche Gene wo aktiv sind) kombiniert werden, um die Homöostase (Balance) der Nebenniere zu rekonstruieren. 

Diese von der DFG geförderte Studie identifizierte wie erwartet die primären Zelltypen der Nebennierenrinde und des Nebennierenmarks, entdeckte aber auch neue Zelltypen, darunter Immunzellen (vor allem M2-Makrophagen) sowie verschiedene Subpopulationen von vaskulären und neuroendokrinen Zellen. Mithilfe räumlicher Transkriptomanalysen wurde die Dynamik der Zellerhaltung in der Nebennierenrinde sowie die Rolle bestimmter Signalwege (Wnt/β-Catenin, Sonic Hedgehog, FGF) in der Homöostase aufgezeigt. Vergleiche zwischen gesunden Nebennieren und Adenomen zeigten eine bemerkenswerte Heterogenität und identifizierten sechs Adenom-spezifische Zellcluster. Die Ergebnisse bieten neue Einblicke in die Nebennieren-Homöostase und Tumorentstehung.

Für den weltweit ersten umfassenden Zellatlas für die Nebenniere haben die Forschenden bereits national und international Preise erhalten.

 

Barbara Altieri, A Kerim Secener, Somesh Sai, Cornelius Fischer, Silviu Sbiera, Panagiota Arampatzi, Stefan Kircher, Sabine Herterich, Laura-Sophie Landwehr, Sarah N Vitcetz, Caroline Braeuning, Martin Fassnacht, Cristina L Ronchi, Sascha Sauer. Single-nucleus and spatial transcriptome reveal adrenal homeostasis in normal and tumoural adrenal glands. Clin Transl Med. 2024 Aug;14(8):e1798. doi: 10.1002/ctm2.1798. PMID: 39167619; PMCID: PMC11338279.

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Expression und prognostische Bedeutung der Immun-Checkpoints PD-1, PD-L1 und CTLA-4 bei Nebennierenrindenkarzinom

Das Nebennierenrindenkarzinom (ACC) ist eine seltene, aggressive Krebsart mit schlechter Prognose in fortgeschrittenen Stadien.

Die Anwendung neuer Immuntherapien, welche spezifische Moleküle wie PD-1, PD-L1 und CTLA-4 angreifen, hat bei anderen Krebsarten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Allerdings waren die Ergebnisse beim ACC heterogen. In dieser Studie untersuchte Laura-Sophie Landwehr gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Expression dieser Moleküle in 162 Tumorproben von 122 Patientinnen und Patienten mit ACC. Ziel war es, mögliche Erklärungen für das unterschiedliche Ansprechen auf Immuntherapien zu finden.

Die Untersuchungen zeigten, dass die Checkpoint-Moleküle des programmierten Zelltods 1 (PD-1) und sein Ligand PD-L1 in etwa einem Viertel der Proben vorhanden waren, allerdings nur in sehr geringen Mengen. Das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Protein 4 (CTLA-4) wies in über der Hälfte der Proben eine verstärkte Expression auf. Interessanterweise konnte ein Zusammenhang zwischen der Präsenz von PD-1 und einem verlängerten krankheitsfreien Überleben der Patientinnen und Patienten festgestellt werden. Demgegenüber wiesen PD-L1 und CTLA-4 keine eindeutige Verbindung mit dem Krankheitsverlauf zeigten.

Die Ergebnisse der Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereiches Transregio 205 gefördert wird, deuten darauf hin, dass die unterschiedlichen Mengen dieser Moleküle in ACC Tumoren die variablen Ergebnisse von Immuntherapien erklären könnten. Insbesondere könnte die Analyse von PD-1 als nützlicher Biomarker dienen, um das Ansprechen einer Patientin oder eines Patienten auf eine Therapie vorherzusagen. 

Dies könnte ein wichtiger Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung und Anpassung von Immuntherapien zur Verbesserung der Behandlungserfolge bei ACC und weiteren soliden Tumoren darstellen.

 

Laura-Sophie Landwehr, Barbara Altieri, Iuliu Sbiera, Hanna Remde, Stefan Kircher, Julie Olabe, Silviu Sbiera, Matthias Kroiss, Martin Fassnacht. Expression and Prognostic Relevance of PD-1, PD-L1, and CTLA-4 Immune Checkpoints in Adrenocortical Carcinoma. J Clin Endocrinol Metab. 2024 Aug 13;109(9):2325-2334. doi: 10.1210/clinem/dgae109. PMID: 38415841; PMCID: PMC11319003.

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