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Optimiertes Protokoll zum Aufbau komplexer Atemwegsmodelle ersetzt Tierversuche

Seit vielen Jahren stellt das Forschungsteam rund um Maria Steinke komplexe Gewebemodelle der humanen Atemwegschleimhaut in vitro her. Diese Modelle ähneln sowohl morphologisch als auch funktionell dem Gewebe in vivo und werden unter anderem für die Infektions- und Aromaforschung genutzt. Bisher verwendete das Team als Basis zum Aufbau der Modelle eine dreidimensionale (3D) Extrazellulärmatrix, die durch Tierversuche an Schweinen gewonnen wurde.

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Das Universitätsklinikum Würzburg setzt sich gemeinsam mit der Universität Würzburg und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in der Würzburger Initiative 3R dafür ein, Tierversuche in der Forschung zu reduzieren und zu ersetzen. © AdobeStock / Fraunhofer ISC

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenkolleg 2157 „3D Tissue Models for Studying Microbial Infections by Human Pathogens“ etablierten die Forscherinnen und Forscher nun gemeinsam mit Kollegen des Fraunhofer ISC und der Universität Würzburg ein Protokoll, mit welchem diese Tierversuche nun komplett ersetzen werden können: anstatt der tierischen Matrix kommt nun ein synthetisches 3D Fasergerüst aus hochporösem Polyamid 6 zum Einsatz, welches die physiologische Gewebestruktur imitiert. Diese Trägerstruktur ist biokompatibel und ermöglicht den Aufbau differenzierter humaner Atemwegsmodelle, die für die Infektions- und Aromaforschung sowie für viele weitere Fragestellungen verwendet werden können.

Niklas Pallmann, Elena Lajtha, Heike Oberwinkler, Tobias Weigel, Armin von Fournier, Agmal Scherzad, Jean-Marie Heydel, Stephan Hackenberg, Jochen Bodem, Maria Steinke. Improving Human Respiratory Mucosa Tissue Models with Polyamide 6 Scaffolds. Tissue Eng Part C Methods. 2025 Jun;31(6):203-210 doi: 10.1089/ten.tec.2025.0087. Epub 2025 Jun 4

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Das Universitätsklinikum Würzburg setzt sich gemeinsam mit der Universität Würzburg und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in der Würzburger Initiative 3R dafür ein, Tierversuche in der Forschung zu reduzieren und zu ersetzen. © AdobeStock / Fraunhofer ISC
Flexible CI-Elektroden ermöglichen Strukturerhalt der Cochlea - exakte Lageanalyse mit „Electrode Contact View“

Die Studie untersucht die schonende Platzierung flexibler Cochlea-Implantat-Elektroden und deren Einfluss auf die Hörleistung. In einer Kohorte von 36 Patientinnen und Patienten konnte gezeigt werden, dass eine vollständige Insertion ohne elektrodenspezifische Komplikationen (keine Tip-Fold-Over oder unbeabsichtigte Scala-Devationen) erreicht wurde.

Veranschaulichung der Ausrichtung der Elektrodenkontaktansicht am Beispiel des Elektrodenkontakts C9. Nach der Bestimmung der Mittelpunktsposition des Elektrodenkontakts wird die Sagittalebene in der koronalen Ansicht auf den Modiolus gedreht. Die koronale Ebene wird dann parallel zur basalen Drehung in der axialen Ansicht ausgerichtet. Die Bildgebung erfolgte mit sekundären Rekonstruktionen von Flat-Panel-Volumen-CT (fpVCTSECO; Schichtdicke: 99 μm); die Positionskontrolle wurde mit der OTOPLAN®-Software durchgeführt.
Visualisierung des „electrode contact view“ als Basis für die Messung der intracochleären Positionskontrolle nach CI-Implantation. © Müller-Graff et al. Otol Neurotol (2025)

Besonders innovativ ist der erstmalige Einsatz des sogenannten „Electrode Contact View“, einer neu entwickelten radiologischen Analyse, die die genaue Position jedes einzelnen Elektrodenkontaktes innerhalb des cochleären Ganges (engl. cochlear duct) sichtbar macht.

Die Patientinnen und Patienten erzielten nach der CI-Implantation eine deutlich verbesserte Sprachverständlichkeit. Die Ergebnisse sprechen für den Einsatz flexibler Elektroden zur bestmöglichen Erhaltung empfindlicher Cochlea-Strukturen und zeigen, wie detaillierte Bildgebung zur individuellen Planung und Optimierung beitragen kann.

Müller-Graff FT, Herrmann DP, Spahn B, Voelker J, Kurz A, Neun T, Hackenberg S, Rak K. Position Control of Flexible Electrodes With Regard to Intracochlear Structure Preservation and Hearing Outcomes: A Retrospective Study With Implementation of the Electrode Contact View. Otol Neurotol. 2025 Jun 17. doi: 10.1097/MAO.0000000000004528. Epub ahead of print. PMID: 40570311. https://doi.org/10.1097/MAO.0000000000004528

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Veranschaulichung der Ausrichtung der Elektrodenkontaktansicht am Beispiel des Elektrodenkontakts C9. Nach der Bestimmung der Mittelpunktsposition des Elektrodenkontakts wird die Sagittalebene in der koronalen Ansicht auf den Modiolus gedreht. Die koronale Ebene wird dann parallel zur basalen Drehung in der axialen Ansicht ausgerichtet. Die Bildgebung erfolgte mit sekundären Rekonstruktionen von Flat-Panel-Volumen-CT (fpVCTSECO; Schichtdicke: 99 μm); die Positionskontrolle wurde mit der OTOPLAN®-Software durchgeführt.
Visualisierung des „electrode contact view“ als Basis für die Messung der intracochleären Positionskontrolle nach CI-Implantation. © Müller-Graff et al. Otol Neurotol (2025)
CLE-Diagnostik bei bestrahlter Schleimhaut

Die Studie aus der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie untersucht erstmals die morphologischen Veränderungen bestrahlter Schleimhaut im oberen Atem- und Verdauungstrakt mithilfe der konfokalen Laser-Endomikroskopie (CLE) - ein Verfahren zur optischen Biopsie.

CLE-Bilder, korrespondierende Biopsieergebnisse sowie Ergebnisse der verwendeten Bewertungssysteme für jedes Bild.

Bestrahlte Schleimhaut zeigt deutliche Unterschiede zu gesunder Schleimhaut, darunter unregelmäßige Gewebestrukturen und erhöhte zelluläre Variabilität, was die Abgrenzung zu malignem Gewebe erschweren kann. Die Arbeit bildet eine wichtige Grundlage für die Verbesserung diagnostischer Verfahren bei Patientinnen und Patienten nach Radiotherapie eines Tumors in der Kopf-Hals-Region.

 

Lisa Thesing, Matti Sievert, Bharat Akhanda Panuganti, Marc Aubreville, Till Meyer, Flurin Müller-Diesing, Agmal Scherzad, Stephan Hackenberg & Miguel Goncalves. Characterization of irradiated mucosa using confocal laser endomicroscopy in the upper aerodigestive tract. European Archives of Oto-Rrhino-Laryngology (2025). https://doi.org/10.1007/s00405-025-09318-8

CLE-Bilder, korrespondierende Biopsieergebnisse sowie Ergebnisse der verwendeten Bewertungssysteme für jedes Bild.
KI meets Tumorboard

Ein Team der Würzburger HNO-Klinik hat in Kooperation mit der Flensburg University of Applied Sciences das Potenzial großer KI-Sprachmodelle (LLM für Large Language Model) zur Unterstützung bei den Entscheidungen von multidisziplinären Tumorboards untersucht.

Tumorboards sind interdisziplinäre Sitzungen, in denen Fachärztinnen und Fachärzte aus verschiedenen medizinischen Bereichen wie Onkologie, Radiologie, Chirurgie und Pathologie zusammenkommen, um die beste Behandlungsstrategie für Krebspatientinnen und -patienten festzulegen. Diese Entscheidungsprozesse sind oft logistisch aufwendig und kostspielig, tragen jedoch maßgeblich zur Verbesserung der Überlebensrate von Krebspatienten bei.

LLMs wie zum Beispiel ChatGPT oder Gemini sind speziell darauf trainiert, menschliche Sprache zu verstehen, zu verarbeiten und zu generieren. LLMs basieren auf tiefen neuronalen Netzen, die durch das Training mit riesigen Mengen von Textdaten lernen, Muster in der Sprache zu erkennen. Sie sind in der Lage, menschenähnliche Antworten auf Fragen zu geben, Texte zu schreiben, zu übersetzen, Texte zu vervollständigen und viele andere Aufgaben im Zusammenhang mit Sprache zu bewältigen

Die Studie untersuchte, inwieweit verschiedene LLMs Behandlungsempfehlungen für Patientinnen und Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren abgeben können, ähnlich den Empfehlungen eines Tumorboards. Um die Leistung der Modelle zu bewerten, wurden die Ergebnisse von medizinischen Expertinnen und Experten überprüft.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Übereinstimmung der Empfehlungen mit den Entscheidungen des Tumorboards je nach Modell bis zu 86 % betrug. Einige Modelle konnten medizinisch vertretbare Entscheidungen treffen, die, selbst wenn sie von den Entscheidungen des Tumorboards abwichen, in bis zu 98 % der Fälle plausibel waren.

Die Studie legt nahe, dass die Künstliche Intelligenz zukünftig eine wertvolle Unterstützung bei der medizinischen Entscheidungsfindung bieten könnten. Das theoretische Szenario zeigt, dass dies bereits technisch möglich wäre.

 

Marc Aubreville, Jonathan Ganz, Jonas Ammeling, Emely Rosbach, Thomas Gehrke, Agmal Scherzad, Stephan Hackenberg, Miguel Goncalves. Prediction of tumor board procedural recommendations using large language models. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2024 Sep 13. doi: 10.1007/s00405-024-08947-9. Epub ahead of print. PMID: 39266750.

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Individualisierte anatomiebasierte Anpassung von CI- Audioprozessoren

Ein Team aus der HNO hat eine neue, individualisierte Anpassungsmethodik untersucht, durch die auch einseitig ertaubte Patientinnen und Patienten mit Cochlea-Implantat besser hören können.

Die farbigen Cochleae repräsentieren die akustische Frequenzverteilung im Bereich von 16-16.000 Hz und die elektrische Frequenzverteilung von 70-8500 Hz im CI-Audioprozessor. Die linke Grafik zeigt die Zuordnung des gesamten elektrischen Frequenzbereichs (in blau) von 70-8500 Hz in der standardisierten klinischen Einstellung, was zu einer erheblichen Fehlanpassung bei tiefen Frequenzen führt. Das rechte Feld zeigt die ABF-Frequenzzuweisung, wobei die untere elektrische Frequenzgrenze (in rot) in der individualisierten Programmierung nach oben verschoben wurde, um die Fehlanpassung zu verringern.

Bei der so genannten anatomiebasierten Anpassung wird nach der Cochlea-Implantation mithilfe einer verbesserten postoperativen Bildgebung und spezieller Analysesoftware die genaue Position der Elektroden im Innenohr ermittelt. Basierend auf diesen Daten wird eine individuelle Anpassung des Audioprozessors vorgenommen. 

Die Methode bietet laut Erstautorin, Privatdozentin Dr. Anja Kurz, die Chance, die Frequenz-Ort-Fehlanpassung, das heißt, die Fehlanpassung zwischen der Tonotopie der Elektrodenanordnung und der Tonotopie der Cochlea zu verringern. Die Tonotopie ermöglicht es dem Gehirn, den unterschiedlichen Frequenzen Schallwellen zuzuordnen und so komplexe Klangbilder, wie Sprache oder Musik, zu verarbeiten. Auf diese Weise konnten die Studienteilnehmenden Sprache in Störlärm besser verstehen und bewerteten ihre Klangqualität subjektiv besser. Fazit: Die anatomiebasierte Anpassung ermöglichte besseres Hören mit beiden Ohren und in lauter Umgebung. Die Untersuchungen wurden im Journal European Archives of Oto-Rhino-Laryngology publiziert. 

 

Anja Kurz, David Herrmann, Franz-Tassilo Müller-Graff, Johannes Voelker, Stephan Hackenberg, Kristen Rak. Anatomy-based fitting improves speech perception in noise for cochlear implant recipients with single-sided deafness. Eur Arch Otorhinolaryngol (2024). doi: 10.1007/s00405-024-08984-4.

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Analyse der Cochlea mit Photonenzählender Computertomographie (CT)

Die detaillierte Analyse der Cochlea, also der Hörschnecke im Innenohr, spielt eine Schlüsselrolle bei der personalisierten Cochlea-Implantation (CI), insbesondere im Hinblick auf die individualisierte Elektrodenauswahl und den postoperativen anatomischen Anpassungsprozess.

Cochlea-Darstellung mit verschiedenen Bildgebungsverfahren vor und nach dem Einsetzen einer CI-Elektrode. A, Multislice-CT (MSCT), präoperative Bildgebung, 600 μm Auflösung. B, Flachdetektor-Volumen-CT mit Sekundärrekonstruktionen (fpVCTSECO), präoperative Bildgebung, 100 μm Auflösung. C, Photonenzähl-CT (PCCT), präoperative Bildgebung, 200 μm Auflösung. D, MSCT, postoperative Bildgebung, 600 μm Auflösung. E, fpVCTSECO, postoperative Bildgebung, 100 μm Auflösung. F, PCCT, postoperative Bildgebung, 200 μm Auflösung. Quelle: The Photon-Counting CT Enters the Field of Cochlear Implantation: Comparison to Angiography DynaCT and Conventional Multislice CT, Otology & Neurotology45(6):662-670 (2024).

Die photonenzählende Computertomographie (CT) ist ein neu entwickeltes bildgebendes Verfahren mit erheblichen Vorteilen gegenüber der konventionellen CT hinsichtlich der Reduktion der Strahlendosis und der Metallartefakte. Ziel dieser Studie war es, die Genauigkeit der cochleären Messungen mit dieser neuen Technik zu evaluieren. Die Ergebnisse zeigten, dass die Messungen mit dem Photon Counting Detector CT sehr genau waren, gleichwertig mit der Flat-Panel-Volumen-CT mit sekundären Rekonstruktionen und besser als Messungen mit der klassischen Multi-Slice-CT. Diese Ergebnisse sind erste Schritte zur Entwicklung dosisreduzierter CT-Anwendungen für die Analyse der Cochlea. 

 

Kristen Rak, Björn Spahn, Franz-Tassilo Müller-Graff, Jonas Engert, Johannes Voelker, Stephan Hackenberg, Rudolf Hagen, Bernhard Petritsch, Jan-Peter Grunz, Thorsten Bley, Tilmann Neun & Henner Huflage. The Photon-Counting CT Enters the Field of Cochlear Implantation: Comparison to Angiography DynaCT and Conventional Multislice CT. Otology Neurotology, 45(6), 662-670 (2024). doi:10.1097/MAO.0000000000004221

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3D-Modell zur Untersuchung der Invasion von Krebszellen in Plattenepithelkarzinome des Kopfes und Halses

Diese Publikation beschreibt die Entwicklung eines 3D-Modells zur Untersuchung der Invasion von Krebszellen in menschliche Plattenepithelkarzinome des Kopfes und Halses (HNSCC für Head and Neck Squamous Cell Carcinoma).

Primäre Keratinozyten und Fibroblasten wurden auf einem biologisches Trägermaterial bestehend aus Schweinedünndarm ausgesät, um ein invasives Modell mit HNSCC-Zelllinie (FaDu) zu erzeugen. Dieses Modell bildet invasive Cluster von Tumorzellen und könnte helfen, die Mechanismen der Tumorinvasion besser zu verstehen. Es zeigte eine realistische Darstellung der Tumor-Mikroumgebung, was die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Krebszellen und Stromazellen ermöglichte. Zudem könnte das Modell für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze genutzt werden.

 

Manuel Stöth, Anna Teresa Mineif, Fabian Sauer, Till Jasper Meyer, Flurin Mueller-Diesing, Lukas Haug, Agmal Scherzad, Maria Steinke, Angela Rossi & Stephan Hackenberg. A Tissue Engineered 3D Model of Cancer Cell Invasion for Human Head and Neck Squamous-Cell Carcinoma. Current Issues in Molecular Biology 46(5), 4049-4062 (2024). doi:10.3390/cimb46050250

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