Würzburg. Weltweit leiden 800 Millionen Menschen an einer chronischen Hauterkrankung wie Schuppenflechte, auch als Psoriasis bekannt. Allein in Deutschland sind 8 Millionen Menschen betroffen. Der chronische Verlauf und die häufigen Rückfälle erfordern eine kontinuierliche und langfristige dermatologische Behandlung und stellen eine enorme Belastung für die Betroffenen dar. Doch die festen Termine und langen Wartezeiten in Praxen und Ambulanzen werden der Dynamik dieser Erkrankungen nicht gerecht. Die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierte Softwareapplikation (App) HybridVITA will die Lücke zwischen den Betroffenen und Behandelnden schließen und so die Versorgung der Patientinnen und Patienten und damit auch ihre Lebensqualität verbessern.
Frühzeitige Verlaufsdiagnostik, einfachere Kategorisierung und schnellere Einleitung notwendiger Therapien
Die Idee zum Projekt HybridVITA hatte Prof. Dr. Astrid Schmieder vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) gemeinsam mit Christoph Zimmermann vom Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe. Die Oberärztin an der Würzburger Hautklinik hat bereits sehr gute Erfahrungen mit digitalen Anwendungen gemacht. Mit HybridVITA haben Psoriasis-Patientinnen und -Patienten nun die Möglichkeit, ihre Erkrankung regelmäßig über eine App zu dokumentieren, indem sie ihre Psoriasis-Plaques, die unter anderem durch dicke, rote, teils stark schuppende Hautveränderungen gekennzeichnet sind, fotografieren und hochladen sowie Termine für virtuelle Visiten vereinbaren. Eine KI wertet die Bilder aus und quantifiziert die Durchblutung und Beschaffenheit der Hautveränderungen. So kann der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin bei einer Verschlechterung schnell die notwendigen Therapien einleiten. „Bei unseren virtuellen On-Demand-Visiten können wir mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille die Hautveränderungen sogar in 3D sehen und mit einem Sensorhandschuh die Tiefe der Plaques ertasten“, berichtet Astrid Schmieder.
Die Dermatologin, die in der Universitäts-Hautklinik die Sektionen Immundermatologie und digitale Medizin leitet, fasst zusammen: „Mit HybridVITA lässt sich auch in Ausnahmesituationen die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Hauterkrankungen aufrechterhalten. Denn durch eine intelligente Zusammenfassung von Verlaufsdaten können wir schwere von leichten Krankheitsverläufen unterscheiden und so eine bessere Triage ermöglichen.“
Verbesserte Arzt-Patienten-Beziehung und psychologische Intervention
Etwa 30 Prozent der direkten Patientenkontakte in Hautarztpraxen und Kliniken ließen sich mit HybridVITA vermeiden. Gleichzeitig verbessert die App-basierte Lösung und kontaktlose Diagnostik die Arzt-Patienten-Beziehung, indem sie eine schnelle und unkomplizierte Interaktion sowie eine qualitativ hochwertige und transparente Versorgung gewährleistet. Die dermatologische Behandlung wird zudem von einem psychotherapeutischen Coaching begleitet, welches das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim entwickelt hat.
Patientinnen und Patienten mit Psoriasis leiden häufig unter psychischen Begleitsymptomen wie Ängsten, depressiven Verstimmungen oder Suchterkrankungen, die entweder eine Folge der Hauterkrankung sein können oder durch eine Verschlechterung mit einer höheren Intensität auftreten. Die App soll Betroffenen den Zugang zu psychotherapeutischen Beratungsangeboten erleichtern.
Starkes Team: Universitätsmedizin Würzburg und Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, FZI Forschungszentrum Informatik, HS Analysis und DataSpark als Projektkoordinator
Das Verbundprojekt, das mit rund 2 Millionen Euro gefördert wird, wovon das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 70 Prozent übernimmt, wird koordiniert von der DataSpark GmbH & Co. KG. Der in Frankfurt am Main ansässige Anbieter von Beratungs- und Entwicklungsleistungen sowie von KI-basierten Softwarelösungen ist neben der Projektleitung zuständig für die technische Umsetzung der App. Die so genannte API (application programming interface für Anwendungsprogrammierschnittstelle) zur Detektion von Haut und erkrankten Hautstellen wird von der HS-Analysis GmbH aus Karlsruhe entwickelt, ein Spezialist für KI-basierte Analysen von medizinischen Bildern, Diagnostikberichten und molekularen Daten. Für die automatische Analyse der Hautveränderungen – der Unterscheidung von Haut und Psoriasis - hat HS Analysis bis zu 4.000 Bildern von Patientinnen und Patienten bereits ausgewertet. Das FZI Forschungszentrum Informatik, ebenfalls aus Karlsruhe, leitet im Projekt die nutzerzentrierte Entwicklung und fördert die kaskadierende Interaktion zwischen Patient, Arzt und HybridVITA-System mit einem viso-taktilen System zum entfernten Fühlen der Hautoberfläche durch einen Arzt. Weiterhin entwickelt das FZI Methoden zur Therapiebewertung auf Basis von Perfusionmessungen der Haut. Die nun von der Ethikkommission positiv bewertete Machbarkeitsstudie wird an den Hautkliniken der Universitätsmedizin Mannheim, Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Würzburg bi-zentrisch durchgeführt. Insgesamt sollen 100 Patientinnen und Patienten mit Psoriasis rekrutiert werden. Unterstützt wird das Klinikteam von drei tatkräftigen medizinischen Doktorandinnen und Doktoranden.
„Wenn die Machbarkeitsstudie so läuft, wie wir es uns vorstellen, möchten wir die App und die digitale Diagnostik in einer großen klinischen Studie testen“, sagt Astrid Schmieder. Die Notwendigkeit einer effektiven und effizienten Behandlung sei bei steigenden Patientenzahlen und immer längeren Wartezeiten, vor allem für universitäre Behandlungstermine, deutlicher denn je.
Weitere Informationen zum Projekt HybridVITA sowie einen Film mit Interviews liefert die Webseite: www.hybridvita.de