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Wie das Immunsystem Schlaganfälle beeinflusst

Michael Schuhmann, Inhaber der Hentschel-Stiftungsprofessur „Experimentelle Schlaganfallforschung“ zum Internationalen Tag der Immunologie 2025

Porträtfoto von Michael Schuhmann in der Natur
Prof. Dr. Michael Schuhmann leitet in der Neurologie das klinische Labor und hat eine Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung mit dem Titel "Experimentelle Schlaganfallforschung". © Kim Sammet / UKW

Anlässlich des Internationalen Tags der Immunologie am 29. April, der in diesem Jahr unter dem Motto Neuroimmune Crosstalks steht, stellt das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) verschiedene Arbeitsgruppen vor, die sich in ihrer Forschung mit den Wechselwirkungen zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem beschäftigen. Hier gibt es einen Einblick in die experimentelle Schlaganfallforschung von Prof. Dr. Michael Schuhmann, Inhaber einer Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung.

Beim ischämischen Schlaganfall wird ein Teil des Gehirns durch eine Unterbrechung der Blutzufuhr, vor allem durch Blutgerinnsel aus dem Herzen oder der Halsschlagader, nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Im Kern des sich entwickelnden Hirninfarkts sterben die empfindlichen Nervenzellen schnell ab, in der Umgebung, der so genannten Penumbra, mit Verzögerung. Je nachdem, welcher Teil des Gehirns betroffen ist, kommt es zu neurologischen Ausfallerscheinungen wie Lähmungen, Sensibilitäts-, Sprach- oder Sehstörungen und vielem mehr. Um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und schwere neurologische Schäden zu verhindern, muss das Blutgerinnsel so schnell wie möglich entfernt werden. Das wirksamste Verfahren in der akuten Schlaganfallmedizin ist die kathetergestützte mechanische Entfernung des Blutgerinnsels aus dem verschlossenen Gefäß, die Thrombektomie, gegebenenfalls in Kombination mit einer medikamentösen Auflösung des Blutgerinnsels, der Thrombolyse. Die Erfolgsrate insbesondere der mechanischen Thrombektomie ist hoch. 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einem nachgewiesenen Großgefäßverschluss können erfolgreich rekanalisiert werden, etwa 50 Prozent erleiden jedoch trotz erfolgreicher Wiederherstellung des Blutflusses bleibende, teils schwere neurologische Defizite oder versterben.

Was läuft beim Schlaganfall pathologisch ab und lässt sich gegebenenfalls modulieren?

Warum profitieren nicht alle Patientinnen und Patienten von einer raschen Rekanalisation? „Um diese Frage beantworten und das Problem lösen zu können, müssen wir die Mechanismen verstehen, die der Schädigung des Gehirns trotz Wiederherstellung des unterbrochenen Blutflusses, der primären Ursache des Schlaganfalls, zugrunde liegen“, sagt Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors der Neurologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und Inhaber einer Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung, in deren Rahmen seine experimentelle Schlaganfallforschung für fünf Jahre gefördert wird. Der studierte Pharmazeut ist bereits seit 15 Jahren in der Schlaganfallforschung aktiv und kombiniert das gesamte Portfolio der Translation, angefangen bei der Arbeit mit Zellkulturen über präklinische in-vivo-Methoden bis hin zur Analyse menschlicher Blutproben. Seine Projekte passen perfekt zum Stiftungsziel: Therapieoptionen beim Schlaganfall verbessern! Und dafür versucht Michael Schuhmann mit einem interdisziplinären Team am UKW herauszufinden, was beim Schlaganfall über die vorübergehende Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn hinaus an Schädigungskaskaden in Gang gesetzt wird, in der Hoffnung, diese zum Wohle der Schlaganfallpatienten beeinflussen zu können. 

Blutplättchen und Immunzellen entscheidend für Infarktwachstum

Jetzt kommt das Immunsystem ins Spiel. Bereits während des Gefäßverschlusses beim ischämischen Schlaganfall kommt es zu einer starken Entzündungsreaktion vor allem in den kleineren Gefäßen, die als Umgehungskreislauf die Umgebung des Infarktkerns, die Penumbra, notdürftig mit Blut versorgen, solange das Hauptgefäß noch verschlossen ist. An dieser gefäßbezogenen Entzündungsreaktion sind Thrombozyten, besser bekannt als Blutplättchen, aber auch Immunzellen wie T-Zellen und neutrophile Granulozyten beteiligt. „Sobald das Blutgefäß blockiert ist, reagiert das Endothel, die dünne Zellschicht, die das Innere des Blutgefäßes auskleidet, und Thrombozyten werden aktiviert. Die aktivierten Blutplättchen schlagen Alarm und steuern eine Entzündungsreaktion. Doch statt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen und zu helfen, schädigen die Immunzellen in einer überschießenden Reaktion das Gehirn - auch noch nach der Entfernung des Thrombus, ein Vorgang, der als Ischämie-Reperfusionsschaden auch für andere Organsysteme wie Herz, Niere und Leber beschrieben ist“, erklärt Michael Schuhmann seine Hypothese. 

Identifizierung von Signalmolekülen, die zur Thrombo-Inflammation beitragen

In präklinischen Modellen beobachtete das interdisziplinäre Team um Michael Schuhmann in Kooperation mit dem Rudolf-Virchow-Zentrum und dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am UKW eine enge Zusammenarbeit zwischen Thrombozyten und Immunzellen. Es kommt zu einer durch Thrombozytenaktivierung gesteuerten Entzündungsreaktion – Thrombo-Inflammation, ein in Würzburg geprägter und inzwischen international etablierter Begriff –, die über die Phase des akuten Gefäßverschlusses hinaus in die Rekanalisationsphase hineinreicht und maßgeblich zum Ischämie-Reperfusionsschaden beiträgt. Wesentliche Signalmoleküle konnten bereits identifiziert werden. So konnte die Blockade der thrombozytären Glykoproteinrezeptoren GPIb und GPVI in experimentellen Modellen sowohl die Entzündungsreaktion als auch die Gewebeschädigung signifikant abschwächen und die neurologischen Ausfallerscheinungen mildern. Auch ist es gelungen, mit CD84 ein erstes Signalmolekül zu identifizieren, das die Kommunikation zwischen Thrombozyten und Immunzellen, in diesem Fall T-Zellen steuert. 

Neue therapeutische Ansätze

Es stellt sich immer die Frage, inwieweit die experimentellen Befunde auf den Menschen übertragbar sind. Auch hier ist in enger Zusammenarbeit mit der Neuroradiologie am UKW ein Durchbruch gelungen. Die Kollegen konnten während routinemäßiger Thrombektomien mittels Mikrokathetern hinter dem verschlossenen Gefäß kleinste Mengen ischämischen Blutes entnehmen, die im neurologischen Labor näher untersucht wurden. Das Team bestätigte eine ähnliche Thrombozytenaktivierung und Einwanderung von Immunzellen wie im Experiment und belegte damit die Übertragbarkeit der in präklinischen Modellen gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen. 

„Aus diesen Untersuchungen ergeben sich völlig neue Perspektiven für eine „Zusatztherapie“ zur reinen Rekanalisation beim akuten Schlaganfall, die unter anderem auf thrombozytäre Moleküle wie GPVI abzielt, um Entzündungsprozesse zu hemmen, und nicht wie bisherige Ansätze auf die Bildung neuer Thromben. Wir haben bereits sehr große Fortschritte im Verständnis dieser Prozesse jenseits der Thrombenbildung gemacht. Aktuelle Untersuchungen zielen auf die genauen Mechanismen der Schädigung der Blut-Hirn-Schranke und letztendlich der Nervenzellen, deren Ausfall die neurologischen Ausfälle verursacht“, so Schuhmann. 

Für Michael Schuhmann ist die Idealvorstellung einer komplementären Therapie jedenfalls klar: „Schon im Rettungswagen – also unmittelbar nach dem Gefäßverschluss – mit einer anti-thrombo-inflammatorischen Behandlung zu beginnen, könnte entscheidend dazu beitragen, das Ausmaß der Hirnschädigung vor der Thrombolyse/Thrombektomie zu begrenzen und damit die Erholungschancen mit einem mittelfristig besseren neurologischen Befinden nach Rekanalisation zu optimieren.“ 

Der Wissenschaftler zeigt sich zuversichtlich, dass seine experimentelle Schlaganfallforschung in absehbarer Zeit in der klinischen Praxis ankommt – und die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten spürbar verbessert. Damit wäre ein zentrales Ziel der Hentschel-Stiftung erreicht.

Über Prof. Dr. Michael Schuhmann
Nach dem Pharmaziestudium an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Approbation als Apotheker begann Michael Schuhmann (Jahrgang 1982) im Jahr 2008 seine Promotion und damit seine neuroimmunologische Grundausbildung in der Arbeitsgruppe von Prof. Heinz Wiendl und Prof. Sven Meuth. Er forschte über die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, bei der es zu chronischen Entzündungen im Gehirn und Rückenmark kommt. Parallel dazu hatte Schuhmann bereits Kooperationsprojekte mit der Arbeitsgruppe von Prof. Guido Stoll und Prof. Christoph Kleinschnitz in der experimentellen Schlaganfallforschung, der er sich ab 2013 als Postdoc anschloss und sich entsprechend in die in vivo Schlaganfallmodelle einarbeitete. Er erweiterte das Methodenspektrum der AG entscheidend um in-vitro Schlaganfallmodelle und seine immunologische Expertise.  Mit der Übernahme der Leitung des neuroimmunologischen und Liquorlabors der Neurologie im Jahr 2016 trieb er neben der klinischen Routine insbesondere die Analytik von pialen Blutproben von Schlaganfallpatienten voran. Schuhmann ist seit 2016 selbständiger wissenschaftlicher Arbeitsgruppenleiter, habilitierte sich 2022 und erhielt 2024 die W2-Professur für Experimentelle Schlaganfallforschung an der Neurologischen Klinik, die für fünf Jahre als Hentschel-Stiftungsprofessur gefördert wird.

Weitere Informationen zum Tag der Immunologie gibt es auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Porträtfoto von Michael Schuhmann in der Natur
Prof. Dr. Michael Schuhmann leitet in der Neurologie das klinische Labor und hat eine Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung mit dem Titel "Experimentelle Schlaganfallforschung". © Kim Sammet / UKW

Wenn das Immunsystem die Fähigkeit verliert, zwischen "selbst" und "fremd" zu unterscheiden

Zum Tag der Immunologie 2025: Prof. Kathrin Doppler erforscht Immunneuropathien, bei denen das Immunsystem das periphere Nervensystem angreift

Kathrin Doppler sitzt im weißen Kittel am Mikroskop, im Hintergrund ist eine mit Kreide beschriebene grüne Tafel
Die außerplanmäßige Professorin Dr. Kathrin Doppler erforscht in der Neurologie am UKW Immunneuropathien. © Kim Sammet / UKW

Anlässlich des Internationalen Tags der Immunologie am 29. April, der in diesem Jahr unter dem Motto Neuroimmune Crosstalks steht, stellt das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) verschiedene Arbeitsgruppen vor, die sich in ihrer Forschung mit den Wechselwirkungen zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem beschäftigen. Hier gibt es einen Einblick in die Forschung von apl. Prof. Dr. Kathrin Doppler zu Immunneuropathien. 


Normalerweise bildet das Immunsystem Antikörper, um fremde Eindringlinge wie Viren oder Bakterien zu bekämpfen. Bei Autoimmunerkrankungen identifiziert das Immunsystem jedoch fälschlicherweise körpereigene Zellen und Gewebe als gefährlich und geht mit Autoantikörpern gegen sie vor. Eine, die sich seit Jahren mit dem Dialog zwischen Immun- und Nervensystem beschäftigt, ist Apl. Prof. Dr. Kathrin Doppler, Oberärztin an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Ihr Spezialgebiet sind Immunneuropathien, also Polyneuropathien, bei denen das fehlgeleitete Immunsystem das periphere Nervensystem angreift. Beispiele hierfür sind das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP). Die Schädigung und Degeneration der peripheren Nerven führt zu Symptomen wie Lähmungen, Schmerzen, Taubheitsgefühl, Kribbeln und Muskelschwund. 

„Als Ärztin sehe ich die Patientinnen und Patienten mit den Symptomen. Dann beginnt die Suche: Welche Nerven sind warum geschädigt? Greift ein Antikörper die Nerven an? Oder zerstört eine andere Immunreaktion das Nervengewebe? Oder ist es eine Kombination verschiedener Schädigungsmechanismen?“, sagt Kathrin Doppler, die diese Detektivarbeit als extrem spannend bezeichnet. Früher ging man davon aus, dass die CIDP eine Erkrankung ist, der bei allen Patienten die gleiche Art von fehlgeleiteter Immunantwort zugrunde liegt. Mittlerweile kennt man viele Subtypen, denen sehr wahrscheinlich verschiedene Schädigungsmechanismen zugrunde liegen. Jeder Fall sei anders und in absehbarer Zeit gebe es hoffentlich Medikamente, die eine zielgerichtete Therapie verschiedener Subtypen ermöglichen.

Caspr: Autoantikörper zerstört Ranviersche Schnürringe und beeinträchtigt Nervenleitung

Mit Anti-Caspr1 (Cell Adhesion Molecule of the Peripheral Nervous System) hat Kathrin Doppler gemeinsam mit Claudia Sommer und Luise Appeltshauser bereits vor neun Jahren einen Antikörper entdeckt, der an der Entstehung bestimmter Formen von Immunneuropathien beteiligt ist (siehe Studie in BRAIN). Caspr1 ist am Aufbau der so genannten Ranvierschen Schnürringe beteiligt – einer Struktur an der Nervenfaser, die dafür sorgt, dass Signale aus dem Gehirn schnell und effizient an ihr Ziel gelangen. 
Die Wissenschaftlerinnen konnten zeigen, dass bei Patienten mit Antikörpern gegen Caspr1 der Aufbau der Ranvierschen Schnürringe zerstört wird und die Nervenleitung stark beeinträchtigt ist. Inzwischen wurden die Immunneuropathien mit Schnürringantikörper als eigenständige Erkrankung, die sogenannte autoimmune Nodopathie, definiert. Die Wissenschaftlerinnen aus der Würzburger Neurologie forschen weiterhin intensiv an der Erkrankung und haben sich weltweit einen Namen auf diesem Gebiet gemacht.

KFO 5001 untersucht pathogene Mechanismen von Caspr2-Antikörpern auf die Schmerzentstehung 

Derzeit steht Caspr2, ein anderes Adhäsionsprotein, im Fokus von Dopplers Forschung. In der Projektgruppe 3 der Klinischen Forschungsgruppe (KFO 5001) ResolvePAIN untersucht sie gemeinsam mit Prof. Dr. Carmen Villmann vom Institut für Klinische Neurobiologie, wie und warum Autoantikörper gegen das Oberflächenprotein Caspr2 neuropathische Schmerzen hervorrufen und wie sich diese Schmerzen zurückbilden können. „Manche Patientinnen und Patienten mit Caspr2-Autoantikörpern haben gar keine Schmerzen, andere klagen über brennende Schmerzen in den Füßen, Muskelschmerzen am ganzen Körper bis hin zu Muskelkrämpfen, haben aber keine relevanten Symptome im Gehirn“, so Doppler. Es sei schon länger bekannt, dass Anti-Caspr2 eine entzündliche Reaktion im Gehirn, eine so genannte Enzephalitis auslöst, die oft zu Gedächtnisstörungen und epileptischen Anfällen führt. Kathrin Doppler: „Die Erkrankung ist sehr selten. Daher sind wir froh, wenn sich Patientinnen und Patienten mit der Diagnose einer Anti- Caspr2-positiven Enzephalitis bei uns melden und Interesse an einer Studienteilnahme haben.“ Die Erkrankung ist zwar selten, aber die Erkenntnisse lassen sich durchaus auf andere antikörperassoziierte Erkrankungen übertragen, die Schmerzen auslösen.

Prävention: Wie kann man sich vor Autoimmunerkrankungen schützen? 

„Wir wissen noch zu wenig über die genauen Ursachen, um uns schützen zu können“, sagt Kathrin Doppler. „Autoimmunerkrankungen entstehen genau dann, wenn unser Immunsystem stark ist, aber fehlreguliert und unseren Körper angreift.“ Die Ursachen sind noch weitgehend unbekannt. Einige Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) werden durch Infektionen ausgelöst, vor allem durch Durchfallerreger. „Wir können aber nicht alle Erreger vermeiden“, sagt Doppler. Ein gesunder Lebensstil ist immer empfehlenswert und umso wichtiger, wenn man bereits eine Immunneuropathie hat. Dann sollte man alles vermeiden, was die Nerven zusätzlich schädigt, allen voran Alkohol und Diabetes.

Weitere Informationen zum Tag der Immunologie gibt es auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Kathrin Doppler sitzt im weißen Kittel am Mikroskop, im Hintergrund ist eine mit Kreide beschriebene grüne Tafel
Die außerplanmäßige Professorin Dr. Kathrin Doppler erforscht in der Neurologie am UKW Immunneuropathien. © Kim Sammet / UKW

Die Rolle des Immunsystems bei Parkinson

Chi Wang Ip, Professor für Translationale Neurologie am UKW, zum Internationalen Tag der Immunologie 2025

Porträtfoto von Chi Wang Ip im weißen Kittel vor grauem Hintergrund
Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie, trat im Februar 2025 die Professur für Translationale Neurologie an. Sein Forschungsschwerpunkt ist die neurodegenerative Parkinson-Krankheit. © Daniel Peter / UKW

Anlässlich des Internationalen Tags der Immunologie am 29. April, der in diesem Jahr unter dem Motto Neuroimmune Crosstalks steht, stellt das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) verschiedene Arbeitsgruppen vor, die sich in ihrer Forschung mit den Wechselwirkungen zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem beschäftigen. Hier gibt es einen Einblick in die Parkinson-Forschung von Prof. Dr. Chi Wang Ip, der seit Februar 2025 eine Professur für Translationale Neurologie innehat. Die Rolle des Immunsystems bei der Parkinson-Krankheit wird zunehmend als wichtiger Faktor erkannt. Obwohl noch viele Fragen offen sind, lassen aktuelle Forschungsansätze auf neue Therapieoptionen hoffen, die über die reine Symptombehandlung hinausgehen. Eine bessere Integration immunologischer Erkenntnisse könnte in Zukunft zu innovativen Behandlungsstrategien führen, die das Leben von Millionen Betroffenen weltweit verbessern.

Mit zehn Millionen Betroffenen weltweit und dem demografischen Wandel wird die Parkinson-Krankheit zur Volkskrankheit, sofern sie das nicht schon längst ist, meint Prof. Dr. Chi Wang Ip. Der stellvertretende Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) erforscht seit rund 14 Jahren die neurodegenerative Parkinson-Krankheit, bei der die Dopamin produzierenden Nervenzellen im Gehirn absterben, was zu den typischen Symptomen wie Zittern, Verlangsamung und Muskelsteifheit führt. Im Februar 2025 trat Ip die Professur für Translationale Neurologie an. Die Umsetzung seiner Erkenntnisse aus präklinischen Tiermodellen in therapeutische Strategie, welche in klinischen Studien am Menschen getestet werden, liegt dem Arzt und Wissenschaftler besonders am Herzen.

Immunsystem als Biomarker und Therapieansatz

Mit seiner Arbeitsgruppe konzentriert er sich auf das Immunsystem und zwei wichtige Fragen: Kann das Immunsystem als Biomarker sowohl zur Früherkennung der Parkinson-Krankheit als auch zur Vorhersage des Krankheitsverlaufs genutzt werden? Und lässt sich die Krankheit durch Immunmodulation aufhalten?

Der so genannte Crosstalk zwischen Nervenzellen und Immunsystem bei Morbus Parkinson ist noch ein recht junges Forschungsgebiet, auf dem nur wenige Arbeitsgruppen aktiv sind. Lange Zeit galt die Parkinson-Krankheit als reine Erkrankung des Nervensystems. „Doch immer mehr Studien, auch von uns, deuten darauf hin, dass das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt – möglicherweise sogar bei der Entstehung der Krankheit“, erklärt Chi Wang Ip. Erst Anfang April war er als Referent zum Jahrestreffen des EU-geförderten Forschungsnetzwerks Immuparknet, eingeladen, um seine aktuelle Forschung vorzustellen. 

Bedeutung von T-Zellen und Mikroglia und dem Protein α-Synuclein im Krankheitsverlauf des M. Parkinson

Ip konnte bereits in verschiedenen Arbeiten (https://doi.org/10.1016/j.bbi.2022.01.007; https://doi.org/10.1016/j.bbi.2024.10.039). belegen, dass bei der Parkinson-Krankheit im Gehirn bestimmte Immunzellpopulationen vermehrt und aktiviert sind, insbesondere T-Zellen, die zum erworbenen Immunsystem gehören, und Mikrogliazellen, die als angeborene Immunzellen im zentralen Nervensystem wie Makrophagen agieren, also Fremdstoffe beseitigen und Entzündungsreaktionen vermitteln.

In weiteren Studien verdeutlichte er die Beteiligung des Proteins Alpha Synuclein (αSyn), das auf Nervenzellen exprimiert wird (https://doi.org/10.1186/s40478-017-0416-x). „Jeder von uns trägt dieses Protein in sich, aber bei Parkinson ist es aus noch unbekannten Gründen verändert. Dadurch wird das Immunsystem getriggert, Immunzellen werden überaktiviert, es kommt zu Entzündungen, welche die Nervenzellen zusätzlich schädigen“, erklärt Chi Wang Ip, der zusammen mit Kollegen aus Kanada ein Mausmodell entwickelte, in dem das mutierte menschliche Alpha-Synuclein überexprimiert wird und der Krankheitsverlauf innerhalb von acht Wochen beobachtet werden kann.

Interessanterweise finden die entzündlichen Reaktionen nicht nur im Gehirn statt, sondern auch im Blut und Magen-Darm-Trakt statt, was zeigt, dass der M. Parkinson eine Systemerkrankung ist. In Mausmodellen fand sein Team α-Synuclein auch im Darm, wobei sich die Proteinansammlungen nicht in den Neuronen, sondern in den Makrophagen befanden. Diese Zellen wandern vom Gehirn in den Darm und begünstigen so die Ausbreitung neurologischer Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit (https://doi.org/10.1038/s41467-023-43224-z).

Aufbau einer Immuntoleranz gegenüber potentiellen Parkinson-Trigger α-Synuclein

Gemeinsam mit Kollegen aus der benachbarten Frauenklinik untersucht Ip zum Beispiel, ob und wie man dem Immunsystem suggerieren kann, dass das krankhafte α-Synuclein-Protein nicht schadhaft, sondern in Ordnung ist. „Ähnlich wie beim Fötus, der zu 50 Prozent die Antigene des Vaters trägt und trotzdem nicht von dem mütterlichen Organismus abgestoßen wird, weil das Immunsystem die Information erhält, dass diese Proteine in Ordnung sind, wollen wir dem Immunsystem im Parkinson-Körper sagen: Toleriere dieses Protein, obwohl es schadhaft ist“, erläutert Chi Wang Ip das Konzept. „Wenn es uns gelingt, mit verschiedenen Methoden eine Immuntoleranz herzustellen, bleibt die Entzündung aus und die Schädigung schreitet nicht weiter fort.“

Auch die Tiefe Hirnstimulation wirkt sich auf das Immunsystem aus

In weiteren Projekten versucht Ip in spezifischen Tiermodellen, die Immunzellpopulation, die in das Parkinson-Gehirn einwandert, mit verschiedenen Substanzen so zu verändern, dass ein entzündungshemmendes und neuroregeneratives Milieu entsteht. Die Entzündung selbst sei nicht so hochgradig wie bei Arthritis oder Multipler Sklerose. Deshalb könne man auch mit weniger starken Immuntherapien beginnen. In den USA werden derzeit einige Präparate getestet. Auch bei der Tiefen Hirnstimulation (THS), die gerade die Behandlung von Morbus Parkinson revolutioniert hat und ein Forschungsschwerpunkt der Neurologie am UKW ist, konnten Ip und sein Team einen immunmodulatorischen Effekt beobachten. Bei der THS, im Volksmund auch Hirnschrittmacher genannt, wird ein kleiner Stimulator unter die Haut implantiert, der über ein Kabel mit Elektroden im Gehirn verbunden ist und hochfrequente elektrische Impulse abgibt, wodurch sich unter anderem die Funktion neuronaler Netzwerke normalisiert, die bei der Parkinson-Krankheit aus dem Gleichgewicht geraten ist. Wie diese technische Methode auch das Immunsystem verändert, muss noch geklärt werden.

Parkinson-Früherkennung über das Immunsystem

„Fakt ist: Wir können die Parkinson-Krankheit noch nicht heilen, aber mit geeigneten Therapien möglicherweise das Fortschreiten der Krankheit verhindern“, so Ip. Umso wichtiger sei die Früherkennung. Und auch diese könnte über das Immunsystem erfolgen. Denn vor allem im Frühstadium der Erkrankung lassen sich die Aktivitäten der Immunzellen erkennen.

Die Realität sieht aber so aus, dass die Patientinnen und Patienten oft erst dann in die Klinik kommen, wenn sie bereits 50 bis 60 Prozent ihrer Dopamin-haltigen Nervenzellen eingebüßt haben und entsprechend ausgeprägte motorische Symptome zeigen. Auch wenn das Gehirn versucht, die Schäden zu kompensieren, sind die Nervenzellen im Gehirn unwiederbringlich verloren.

Kann man sich gegen den M. Parkinson schützen? „Schwierig“, meint Chi Wang Ip. Neben der genetischen Veranlagung und dem Alter, spielen auch Umweltfaktoren, insbesondere Toxine eine große Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Erkrankung. Ein gesunder Lebensstil sei auf jeden Fall immer zuträglich. Und vielleicht gibt es ja eines Tages eine Impfung gegen die Parkinson-Krankheit. Chi Wang Ip arbeitet daran.

Über Prof. Dr. med. Chi Wang Ip
Chi Wang Ip (geb. 1974) studierte Humanmedizin in Hamburg und promovierte über Mikroglia unter angeborener und induzierter Immunsuppression. Seine Facharztausbildung in der Neurologie absolvierte er am Universitätsklinikum Würzburg, wo er gleichzeitig mit der Erforschung des Einflusses unseres Immunsystems auf hereditäre Neuropathien begann. Er verlagerte seine Forschung vom peripheren zum zentralen Nervensystem (ZNS) und konzentrierte sich auf Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson und Dystonie. Seit 2013 leitet Chi Wang Ip am UKW das Labor für translationale Neurologie, seit 2021 ist er stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie. Im Februar 2025 erhielt er die Professur Translationale Neurologie.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Porträtfoto von Chi Wang Ip im weißen Kittel vor grauem Hintergrund
Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie, trat im Februar 2025 die Professur für Translationale Neurologie an. Sein Forschungsschwerpunkt ist die neurodegenerative Parkinson-Krankheit. © Daniel Peter / UKW

MARBLE analysiert Hirnaktivitäten

Verwenden zwei Gehirne bei der Lösung ähnlicher Aufgaben gleiche oder unterschiedliche Denkstrategien? Das computergestützte Werkzeug MARBLE liefert die Antwort, indem es gemeinsame Strukturen im Denken erkennen kann ohne die einzigartige Sprache des einzelnen Gehirns zu ignorieren. Dazu zerlegt MARBLE die Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster und analysiert ihre Bewegung in Raum und Zeit. Die technische Innovation, die vor allem Menschen mit motorischen Beeinträchtigen eine bessere Kontrolle über Interventionen oder Prothesen ermöglichen könnte, präsentieren die Entwickler, darunter Robert Peach vom Uniklinikum Würzburg, im renommierten Journal Nature Methods.

Porträt von Robert Peach in der Bibliothek
Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist aus der Neurologischen Klinik, entwickelte mit ehemaligen Kollegen aus London und Lausanne MARBLE – ein computergestütztes Werkzeug, das Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster zerlegt und ihre Bewegung in Raum und Zeit analysiert. © Kirstin Linkamp / UKW
Graphical Abstract aus 5 Bildern, die in Nature Methods erschienen sind.
Darstellung und Entschlüsselung der neuronalen Aktivität im Gehirn eines Affen während er seinen Arm bewegt: a) Bewegung der Hand in sieben verschiedene Richtungen; b) Aktivitätsmuster einzelner Nervenzellen im prämotorischen Kortex für drei dieser Bewegungen, der schattierte Bereich zeigt die analysierten Spuren nach dem GO-Hinweis für den Affen; c) Darstellung der neuronalen Daten als ein Vektorfeld, das die Veränderungen der Feuerraten über die Zeit zeigt; d) vereinfachte Darstellung der neuronalen Daten in einer einzigen Sitzung; MARBLE zeigt eine latente, kreisförmige Anordnung der Daten in zirkulärer und zeitlicher Ordnung, die die räumlichen Bewegungen widerspiegelt; e) präzise lineare Dekodierung der Handbewegungen aus den latenten Repräsentationen. © Gosztolai & Peach et al. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Würzburg. Stellen Sie sich eine zerknitterte Zeitung vor. Im dreidimensionalen Raum nimmt sie viel mehr Platz ein, aber die gleichen Informationen und Nachrichten befinden sich immer noch auf einer niederdimensionalen Struktur, der Zeitung selbst. Um besser lesen zu können, muss die flache Form der Zeitung wiederhergestellt werden. Ähnliches macht MARBLE mit den neuronalen Aktivitätsmustern im Gehirn. Die KI-Methode reduziert diese komplexen, hochdimensionalen Datensätze auf einfache Strukturen, so genannte Mannigfaltigkeiten. MARBLE steht für MAnifold Representational Basic Learning. 

Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), und Adam Gosztolai, Mathematiker an der Medizinischen Universität Wien, entwickelten MARBLE gemeinsam mit ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten vom Imperial College in London und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz. Ihre technische Innovation, die das alltägliche Leben auf vielfältige Weise verbessern könnte, stellen Gosztolai und Peach als Erstautoren in der renommierten Fachzeitschrift Nature Methods vor. 

MARBLE erkennt und interpretiert neuronale Hirnaktivitäten 

Hinter der Entwicklung des computergestützten Werkzeugs MARBLE steht eine zentrale Frage: Verwenden zwei Gehirne bei der Lösung ähnlicher Aufgaben gleiche oder unterschiedliche Denkstrategien? Statt alle Neuronen einzeln zu untersuchen, betrachtet MARBLE nur Ausschnitte der Aktivität und vergleicht sie zwischen verschiedenen Spezies und Aufgaben. Dazu zerlegt MARBLE die neuronalen Signale in charakteristische Aktivitätsmuster, die Robert Peach „Puzzleteile“ nennt. Um mit den geschwungenen Strukturen umzugehen, die bei komplexen, nichtlinearen Hirnprozessen häufig auftreten, verwenden die Wissenschaftler ein spezialisiertes geometrisches Deep-Learning-Netzwerk, das die Puzzleteile in ihrer Dynamik, also ihrer Bewegung in Raum und Zeit, erkennt und in eine verständliche Form bringt. 

Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Individuen finden, ohne sie in ein starres Schema zu pressen

Die Forscher testeten MARBLE an künstlichen neuronalen Netzen, simulierten Systemen und echten Hirndaten von Primaten und Nagetieren. Dabei fanden sie wiederkehrende Muster, die mit Denkprozessen wie Entscheidungsfindung oder Anpassung an neue Situationen zusammenhängen. „Das heißt, wenn verschiedene Tiere die gleiche Strategie anwenden, teilen sie sich diese Puzzleteile, betten sie aber in ihre eigene, individuell gekrümmte Struktur ein“, erklärt Robert Peach. Und das sei der entscheidende Vorteil gegenüber bisherigen Methoden. MARBLE kann eine gemeinsame Struktur im Denken erkennen, ohne die einzigartige „Sprache“ jedes Gehirns zu ignorieren. 

Während herkömmliche Methoden oft nur statische Muster betrachten oder Daten über viele Experimente hinweg mitteln, erkennt MARBLE zeitliche Veränderungen in den Signalen und kann so feine Unterschiede zwischen den Denkstrategien erkennen. Peach: „Unser Ansatz arbeitet mit nur wenigen Vorgaben von außen und ohne feste Verhaltensregeln, so dass die Analyse objektiver bleibt.“

Präzisere Steuerung von Prothesen und anderen Hilfsmitteln

Vor allem Menschen mit motorischen Einschränkungen könnten von dieser technischen Innovation profitieren. Denn wenn man besser versteht, wie das Gehirn im Laufe der Zeit arbeitet, lassen sich fortschrittlichere Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickeln, die eine präzisere Steuerung von Prothesen und anderen Hilfsmitteln ermöglichen. Dieses Ziel verfolgt unter anderem der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte transregionale Sonderforschungsbereich (SFB) TRR 295 ReTune, in dem sich das UKW gemeinsam mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin mit spezifischen Aspekten von Störungen motorischer Netzwerke beschäftigt. Daher wurde auch die Forschung von Robert Peach im Rahmen von ReTune gefördert. Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am UKW, ist stellvertretender Sprecher des TRR, der im vergangenen Sommer in die zweite Förderphase ging. 

Fortschritte in Gesundheitsversorgung, Barrierefreiheit und Mensch-Computer-Interaktion

Darüber hinaus hilft das Forschungsprojekt, besser zu verstehen, wie das gesunde Gehirn Aufmerksamkeit steuert und Neues lernt. Diese Erkenntnisse könnten neue Ansätze für die kognitive Leistungssteigerung oder die Rehabilitation nach Schlaganfällen inspirieren. Selbst alltägliche Technologien – wie digitale Assistenten oder tragbare Geräte – könnten von Algorithmen profitieren, die sich daran orientieren, wie das Gehirn komplexe Aufgaben in Echtzeit bewältigt. Robert Peach fasst zusammen: „Wenn wir lernen, die verborgenen Muster hinter neuronalen Prozessen zu entschlüsseln, können wir Werkzeuge entwickeln, die natürlicher mit unserem Geist und Körper interagieren – mit möglichen Fortschritten in Gesundheitsversorgung, Barrierefreiheit und der Mensch-Computer-Interaktion.“

Im nächsten Schritt will das Team MARBLE auf komplexere Datensätze und verschiedene Spezies anwenden und eng mit klinischen Partnern zusammenarbeiten, um das Potenzial für die Behandlung von Bewegungsstörungen zu erforschen. Außerdem sollen die zugrundeliegenden mathematischen Methoden weiterentwickelt und verfeinert werden, um genauere Einblicke in die dynamischen Prozesse des Gehirns zu gewinnen.

Das Forschungsprojekt wurde gefördert von der DFG im Rahmen von ReTune sowie vom Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC), dem Human Frontiers Science Programme und dem schweizerischen Blue Brain Project.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Publikation:
Gosztolai, A., Peach, R.L., Arnaudon, A. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Research Briefing: www.nature.com/articles/s41592-024-02581-3
 

Porträt von Robert Peach in der Bibliothek
Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist aus der Neurologischen Klinik, entwickelte mit ehemaligen Kollegen aus London und Lausanne MARBLE – ein computergestütztes Werkzeug, das Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster zerlegt und ihre Bewegung in Raum und Zeit analysiert. © Kirstin Linkamp / UKW
Graphical Abstract aus 5 Bildern, die in Nature Methods erschienen sind.
Darstellung und Entschlüsselung der neuronalen Aktivität im Gehirn eines Affen während er seinen Arm bewegt: a) Bewegung der Hand in sieben verschiedene Richtungen; b) Aktivitätsmuster einzelner Nervenzellen im prämotorischen Kortex für drei dieser Bewegungen, der schattierte Bereich zeigt die analysierten Spuren nach dem GO-Hinweis für den Affen; c) Darstellung der neuronalen Daten als ein Vektorfeld, das die Veränderungen der Feuerraten über die Zeit zeigt; d) vereinfachte Darstellung der neuronalen Daten in einer einzigen Sitzung; MARBLE zeigt eine latente, kreisförmige Anordnung der Daten in zirkulärer und zeitlicher Ordnung, die die räumlichen Bewegungen widerspiegelt; e) präzise lineare Dekodierung der Handbewegungen aus den latenten Repräsentationen. © Gosztolai & Peach et al. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Nicht nur eine Reaktion, sondern die Ursache

FIBROMYALGIE-SYNDROM: AUTOANTIKÖRPER GREIFEN STRUKTUREN DES PERIPHEREN NERVENSYSTEMS AN

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg zeigt in ihrer in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlichten Studie, dass ein fehlgeleitetes Immunsystem möglicherweise nicht nur eine Reaktion des Körpers auf das Fibromyalgie-Syndrom ist, sondern ursächlich mit den Symptomen zusammenhängt.

 

Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW
Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

Würzburg. Die Ursachen des Fibromyalgie-Syndroms (FMS), einer Erkrankung mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen, Erschöpfung und häufig psychischen Begleitsymptomen, sind nach wie vor unklar. Während das FMS früher als Erkrankung des rheumatischen Formenkreises („Fibrositis“) angesehen wurde, setzte sich später die Auffassung durch, dass die Beschwerden durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem entstehen, also primär „Kopfsache“ sind. Zu dieser Diskussion konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Claudia Sommer von der Klinik für Neurologie seit 2013 wiederholt beitragen, unter anderem mit dem erstmaligen Nachweis, dass kleine Nervenfasern in der Haut beim FMS in ihrer Struktur und Funktion verändert sind.

Bei 35 Prozent greifen Autoantikörper Strukturen des peripheren Nervensystems an

Ihre neuesten Ergebnisse, die eine eindeutige Beteiligung des Immunsystems bei einer Untergruppe der FMS-Patienten und Patientinnen zeigen, hat die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlicht. Die Medizindoktorandin Anastasia Barcic fand heraus, dass bei über 35 % der vom FMS Betroffenen Autoantikörper vorliegen, die gegen Strukturen des peripheren Nervensystems gerichtet sind.

Brennschmerz bei Bindung der Autoantikörper an Nervenzellen mit Capsaicin-Rezeptor

Die naturwissenschaftliche Doktorandin Sabine Seefried vertiefte die Untersuchungen, indem sie durch Immunmarkierungen mit verschiedenen Antikörpern genau bestimmte, an welche Strukturen des peripheren Nervensystems die Autoantikörper der Patientinnen und Patienten binden. Dabei entdeckte sie unterschiedliche Muster, die bestimmte Untergruppen der Betroffenen charakterisierten. Interessanterweise gab es einen Zusammenhang zwischen den betroffenen Strukturen und den Symptomen: In der Patientengruppe, bei der die Autoantikörper an Satellitenzellen banden, also an Zellen, die die Nervenzellen im Spinalganglion umgeben, war die Schmerzintensität höher. In der Gruppe, in der die Autoantikörper an Nervenzellen banden, die den Capsaicin-Rezeptor enthalten, also Sensoren für Schärfe und Hitze, war häufiger ein Brennschmerz vorhanden.  

„Diese und andere Befunde deuten darauf hin, dass die Autoantikörper nicht nur eine Reaktion des Körpers auf die Krankheit sind, sondern wahrscheinlich ursächlich mit den Symptomen zusammenhängen“, fasst Claudia Sommer die neuesten Forschungsergebnisse zusammen.

Weitere Erkenntnisse könnten neue, gezieltere Therapien ermöglichen

Das nächste Ziel der Arbeitsgruppe ist es, herauszufinden, gegen welche Zielstrukturen sich die Antikörper genau richten. Für einzelne Fälle konnte dies bereits gezeigt werden. So wurden zum Beispiel Antigene identifiziert, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen oder im Serotoninsystem, einem wichtigen Neurotransmittersystem. Die genaue Identifizierung der Zielstrukturen würde es ermöglichen, mehr über die Funktion der Autoantikörper und ihre mögliche Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung zu erfahren. Dies könnte auch den Weg zu einer neuen, zielgerichteten Therapie für Betroffene ebnen.

Das Forschungsprojekt wurde vom Evangelischen Studienwerk Villigst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt.
 

Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW
Die Abbildung zeigt sechs verschiedene mikroskopische Aufnahmen.
Gefrierschnitte von Spinalganglien der Ratte wurden auf die Bindung von kommerziell erhältlichen Antikörpern („Vergleichs-AK“) gegen Neurofilament 200 (NF200) und den Capsaicin-Rezeptor TRPV1 getestet. Die erste Spalte zeigt, dass NF200 erwartungsgemäß an große Neuronen und TRPV1 an kleine Neuronen bindet. Die zweite Spalte zeigt die Bindung von Serum eines Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an diese Neuronen. Das Serum bindet hauptsächlich an große Neuronen. Die dritte Spalte zeigt die Überlagerung der beiden Färbungen. Das Patientenserum kolokalisiert mit dem Marker NF200, aber nicht mit dem Rezeptor TRPV1. Für verschiedene Patienten mit Fibromyalgiesyndrom wurden unterschiedliche Bindungsmuster gefunden. Bildquelle: C. Sommer/S. Seefried / UKW

Hentschel-Preis 2024 an zwei Würzburger Schlaganfallforscher vergeben

Mit Dr. Felipe A. Montellano und Dr. Christoph Vollmuth wurden zwei Wissenschaftler aus der Würzburger Universitätsmedizin für ihre Beiträge zur Schlaganfallforschung mit dem diesjährigen Hentschel-Preis ausgezeichnet.

Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung.
Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: Michael Schuhmann / UKW

Würzburg. Der bundesweit ausgeschriebene und in Summe mit 5.000 Euro dotierte Hentschel-Preis ging in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Dr. Felipe A. Montellano und Dr. Christoph Vollmuth für ihre Arbeiten zur prognostischen Wertigkeit von blutbasierten Biomarkern nach akutem Schlaganfall. Beide Preisträger sind Mitarbeiter der von Prof. Dr. Jens Volkmann geleiteten Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Dr. Montellano ist zudem am von Prof. Dr. Peter U. Heuschmann geleiteten Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg tätig.

Hinter dem Award steht die Würzburger Hentschel-Stiftung, die seit dem Jahr 2011 jährlich wissenschaftliche Erkenntnisse zur Prävention, Diagnostik oder Therapie des Schlaganfalls auszeichnet. Die Preisverleihung fand am 23. Oktober 2024 im Rahmen des 9. Würzburger Schlaganfallsymposiums statt, einer interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung der Neurologischen Klinik des UKW. Gemeinsam mit dem Stiftungsgründer Dipl.-Ing. Günter Hentschel und Prof. Dr. Michael Schuhmann, dem Inhaber der Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung am UKW, gratulierte Prof. Dr. Karl Georg Häusler, Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW sowie Organisator des Schlaganfallsymposiums, den Preisträgern sehr herzlich.

Um auch künftig Projekte zum Thema Schlaganfall unterstützen zu können, freut sich die Hentschel-Stiftung Würzburg über Spenden auf das folgende Konto: Kampf dem Schlaganfall, HypoVereinsbank Würzburg, BIC: HYVEDEMM455, IBAN: DE45790200760347390402. Die Stiftung ist vom Finanzamt Würzburg unter der Steuernummer 257/147/00343 als gemeinnützig anerkannt. Zustiftungen und Spenden sind daher steuerlich absetzbar.

 

Text: Pressestelle / UKW

Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung.
Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: Michael Schuhmann / UKW

Ausgezeichneter Biomarker zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Dr. Alexander Kollikowski aus dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurde im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) der Kurt-Decker-Preis für den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall verliehen.

 

Alexander Kollikowski steht am Pult, über ihm leuchtet eine Folie seines Vortrags, links auf der Bühne sitzen Musiker mit Streichinstrumenten.
Auf der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) hielt Dr. Alexander Kollikowski vom UKW einen Vortrag über den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall, für den er mit dem Kurt-Decker-Preis ausgezeichnet wurde. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende
DGNR-Präsident gratuliert Alexander Kollikowski auf der Bühne.
Prof. Dr. Peter Schramm, der neue Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), verlieh den Kurt-Decker-Preis an Dr. Alexander Kollikowski vom Würzburger Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie während der Jahrestagung der DGNR. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende

Würzburg. Beim ischämischen Schlaganfall, der vier von fünf Schlaganfällen ausmacht, muss schnell gehandelt werden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und bleibende Hirnschäden zu verhindern. Das Blutgerinnsel, das die Blutzufuhr zu einem Teil des Gehirns unterbrochen hat, kann durch eine katheterbasierte mechanische Thrombektomie, das wirksamste Verfahren in der akuten Gefäßmedizin, entfernt werden, um den physiologischen Blutfluss wiederherzustellen und ein Fortschreiten des Infarkts zu verhindern. Einige Patientinnen und Patienten profitieren jedoch selbst bei schneller und effizienter Behandlung nicht ausreichend von dieser Therapie und haben auch nach einer erfolgreichen Gefäßrekanalisation weiterhin neurologische Defizite. Während die Wirksamkeit der Behandlung stark vom Zeitpunkt der Intervention und dem Ausmaß der bereits eingetretenen Gewebsschädigung abhängt, wurden auch bestimmte Enzyme, insbesondere Matrix-Metalloproteinasen (MMP), vor allem nach der Gefäßrekanalisation mit anhaltenden neurologischen Störungen und Blutungskomplikationen in Verbindung gebracht.

Kurt-Decker-Preis für die Entdeckung eines prätherapeutischen Prädiktors für schwere Verläufe

Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat erstmals die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung im therapeutischen Kontext vor einer Gefäßrekanalisation untersucht. Für die hierbei gewonnen wegweisenden Erkenntnisse erhielt er im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) in Kassel den renommierten Kurt-Decker-Preis.

Zum Projekt, das vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) Würzburg und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Clinician Scientist programms UNION CVD und des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 240 finanziert und im Fachjournal eBioMedicine (The Lancet Discovery Science) veröffentlicht wurde: Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors der Neurologie und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe, hat Alexander Kollikowski 264 Flüssigbiopsien von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit einem Großgefäßverschluss untersucht, die im Rahmen der mechanischen Thrombektomie mittels Mikrokatheterverfahren vor Wiedereröffnung aus dem betroffenen Gefäßsegment des Gehirns gewonnen wurden. Hierbei konnten die Matrixmetallproteinasen in einem Zustand analysiert werden, noch bevor das nach der Gerinnselentfernung wieder einströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte. Die Forschenden fanden einerseits heraus, dass Neutrophile, eine Art intravaskulärer weißer Blutkörperchen, direkt während des Schlaganfalls in das betroffene Gefäßgebiet einwandern und enzymatisch aktive Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) freisetzen, und zeigten andererseits, dass sich dieser Prozess als bedeutend für den Krankheitsverlauf erwies.

MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen ermöglicht präzise Prognoseabschätzung nach Gefäßrekanalisation

„Unsere Analysen haben gezeigt, dass lokale, prätherapeutische Konzentrationen von MMP-9 ein unabhängiger Prädiktor für schwere Hirnblutungen und einen ungünstigen klinischen Verlauf einschließlich schwerer Behinderung oder Tod nach Rekanalisation sind“, sagt Alexander Kollikowski. Die Ergebnisse positionieren MMP-9 in Kollateralgefäßen als ersten lokalen Biomarker zur Identifizierung von Hochrisikogruppen unter Thrombektomie-Kandidatinnen und -Kanditaten und liefern damit den Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker im ischämischen Schlaganfall.

Was bedeutet das konkret für die Therapie? „Die Bestimmung der Freisetzung von MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen vor der Gefäßrekanalisation ermöglicht eine präzise Prognoseabschätzung für verschiedene klinische Endpunkte nach der Gefäßrekanalisation“, so Kollikowski. „Diese Methode könnte den Weg für maßgeschneiderte Behandlungsstrategien für diejenigen Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für einen ungünstigen Verlauf ebnen, die bisher nicht frühzeitig identifiziert und behandelt werden konnten und damit ein erhebliches Potenzial für klinische Verbesserungen aufweisen.“

Validierung, Point-of-Care-Testing und revers-translationale Studien

Wie geht es weiter? Der Fokus liegt zunächst auf der Validierung der Ergebnisse in größeren Kohorten, um die Robustheit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu bestätigen. Parallel dazu werden wir die Möglichkeiten untersuchen, diese Ergebnisse in eine patientennahe Labordiagnostik (engl. Point-of-Care-Testing) direkt in der Angio-OP während einer mechanischen Rekanalisation als Methode zur Echtzeit-Risikoabschätzung zu überführen. Zudem sind revers-translationale Studien geplant, um die im Menschen beobachteten Prozesse in Tiermodellen mechanistisch zu untersuchen. Mit diesem Ansatz soll eine Brücke zwischen klinischen Beobachtungen und experimentell adressierbaren pathophysiologischen Prozessen geschlagen werden, um die Entwicklung spezifischer, zeitlich und pathophysiologisch abgestimmter Therapiekonzepte für die klinische Erprobung voranzutreiben.

Weitere Informationen zur Studie liefert die Pressemitteilung, die am 22. April 2024 anlässlich der Publikation veröffentlicht wurde. 
 

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