Aktuelle Meldungen

Hentschel-Preis 2024 an zwei Würzburger Schlaganfallforscher vergeben

Mit Dr. Felipe A. Montellano und Dr. Christoph Vollmuth wurden zwei Wissenschaftler aus der Würzburger Universitätsmedizin für ihre Beiträge zur Schlaganfallforschung mit dem diesjährigen Hentschel-Preis ausgezeichnet.

Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung.
Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: Michael Schuhmann / UKW

Würzburg. Der bundesweit ausgeschriebene und in Summe mit 5.000 Euro dotierte Hentschel-Preis ging in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Dr. Felipe A. Montellano und Dr. Christoph Vollmuth für ihre Arbeiten zur prognostischen Wertigkeit von blutbasierten Biomarkern nach akutem Schlaganfall. Beide Preisträger sind Mitarbeiter der von Prof. Dr. Jens Volkmann geleiteten neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). Dr. Montellano ist zudem am von Prof. Dr. Peter U. Heuschmann geleiteten Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg tätig.

Hinter dem Award steht die Würzburger Hentschel-Stiftung, die seit dem Jahr 2011 jährlich wissenschaftliche Erkenntnisse zur Prävention, Diagnostik oder Therapie des Schlaganfalls auszeichnet. Die Preisverleihung fand am 23. Oktober 2024 im Rahmen des 9. Würzburger Schlaganfallsymposiums statt, einer interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung der neurologischen Klinik des UKW. Gemeinsam mit dem Stiftungsgründer Dipl.-Ing. Günter Hentschel und Prof. Dr. Michael Schuhmann, dem Inhaber der Stiftungsprofessur der Hentschel-Stiftung am UKW, gratulierte Prof. Dr. Karl Georg Häusler, Leitender Oberarzt der neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW sowie Organisator des Schlaganfallsymposiums, den Preisträgern sehr herzlich.

Um auch künftig Projekte zum Thema Schlaganfall unterstützen zu können, freut sich die Hentschel-Stiftung Würzburg über Spenden auf das folgende Konto: Kampf dem Schlaganfall, HypoVereinsbank Würzburg, BIC: HYVEDEMM455, IBAN: DE45790200760347390402. Die Stiftung ist vom Finanzamt Würzburg unter der Steuernummer 257/147/00343 als gemeinnützig anerkannt. Zustiftungen und Spenden sind daher steuerlich absetzbar.

 

Text: Pressestelle / UKW

Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung.
Die Hentschel-Preisträger 2024 Dr. Felipe A. Montellano (links) und Dr. Christoph Vollmuth (rechts), zusammen mit Günter Hentschel, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung. Bild: Michael Schuhmann / UKW

Ausgezeichneter Biomarker zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Dr. Alexander Kollikowski aus dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurde im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) der Kurt-Decker-Preis für den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall verliehen.

 

Alexander Kollikowski steht am Pult, über ihm leuchtet eine Folie seines Vortrags, links auf der Bühne sitzen Musiker mit Streichinstrumenten.
Auf der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) hielt Dr. Alexander Kollikowski vom UKW einen Vortrag über den Konzeptnachweis frühester lokaler Biomarker im ischämischen Schlaganfall, für den er mit dem Kurt-Decker-Preis ausgezeichnet wurde. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende
DGNR-Präsident gratuliert Alexander Kollikowski auf der Bühne.
Prof. Dr. Peter Schramm, der neue Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), verlieh den Kurt-Decker-Preis an Dr. Alexander Kollikowski vom Würzburger Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie während der Jahrestagung der DGNR. © DGNR Benjamin Klingebiel, Offenblende

Würzburg. Beim ischämischen Schlaganfall, der vier von fünf Schlaganfällen ausmacht, muss schnell gehandelt werden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen und bleibende Hirnschäden zu verhindern. Das Blutgerinnsel, das die Blutzufuhr zu einem Teil des Gehirns unterbrochen hat, kann durch eine katheterbasierte mechanische Thrombektomie, das wirksamste Verfahren in der akuten Gefäßmedizin, entfernt werden, um den physiologischen Blutfluss wiederherzustellen und ein Fortschreiten des Infarkts zu verhindern. Einige Patientinnen und Patienten profitieren jedoch selbst bei schneller und effizienter Behandlung nicht ausreichend von dieser Therapie und haben auch nach einer erfolgreichen Gefäßrekanalisation weiterhin neurologische Defizite. Während die Wirksamkeit der Behandlung stark vom Zeitpunkt der Intervention und dem Ausmaß der bereits eingetretenen Gewebsschädigung abhängt, wurden auch bestimmte Enzyme, insbesondere Matrix-Metalloproteinasen (MMP), vor allem nach der Gefäßrekanalisation mit anhaltenden neurologischen Störungen und Blutungskomplikationen in Verbindung gebracht.

Kurt-Decker-Preis für die Entdeckung eines prätherapeutischen Prädiktors für schwere Verläufe

Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat erstmals die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung im therapeutischen Kontext vor einer Gefäßrekanalisation untersucht. Für die hierbei gewonnen wegweisenden Erkenntnisse erhielt er im Rahmen der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) in Kassel den renommierten Kurt-Decker-Preis.

Zum Projekt, das vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) Würzburg und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Clinician Scientist programms UNION CVD und des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 240 finanziert und im Fachjournal eBioMedicine (The Lancet Discovery Science) veröffentlicht wurde: Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors der Neurologie und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe, hat Alexander Kollikowski 264 Flüssigbiopsien von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit einem Großgefäßverschluss untersucht, die im Rahmen der mechanischen Thrombektomie mittels Mikrokatheterverfahren vor Wiedereröffnung aus dem betroffenen Gefäßsegment des Gehirns gewonnen wurden. Hierbei konnten die Matrixmetallproteinasen in einem Zustand analysiert werden, noch bevor das nach der Gerinnselentfernung wieder einströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte. Die Forschenden fanden einerseits heraus, dass Neutrophile, eine Art intravaskulärer weißer Blutkörperchen, direkt während des Schlaganfalls in das betroffene Gefäßgebiet einwandern und enzymatisch aktive Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) freisetzen, und zeigten andererseits, dass sich dieser Prozess als bedeutend für den Krankheitsverlauf erwies.

MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen ermöglicht präzise Prognoseabschätzung nach Gefäßrekanalisation

„Unsere Analysen haben gezeigt, dass lokale, prätherapeutische Konzentrationen von MMP-9 ein unabhängiger Prädiktor für schwere Hirnblutungen und einen ungünstigen klinischen Verlauf einschließlich schwerer Behinderung oder Tod nach Rekanalisation sind“, sagt Alexander Kollikowski. Die Ergebnisse positionieren MMP-9 in Kollateralgefäßen als ersten lokalen Biomarker zur Identifizierung von Hochrisikogruppen unter Thrombektomie-Kandidatinnen und -Kanditaten und liefern damit den Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker im ischämischen Schlaganfall.

Was bedeutet das konkret für die Therapie? „Die Bestimmung der Freisetzung von MMP-9 in Flüssigkeitsbiopsien aus Kollateralgefäßen vor der Gefäßrekanalisation ermöglicht eine präzise Prognoseabschätzung für verschiedene klinische Endpunkte nach der Gefäßrekanalisation“, so Kollikowski. „Diese Methode könnte den Weg für maßgeschneiderte Behandlungsstrategien für diejenigen Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für einen ungünstigen Verlauf ebnen, die bisher nicht frühzeitig identifiziert und behandelt werden konnten und damit ein erhebliches Potenzial für klinische Verbesserungen aufweisen.“

Validierung, Point-of-Care-Testing und revers-translationale Studien

Wie geht es weiter? Der Fokus liegt zunächst auf der Validierung der Ergebnisse in größeren Kohorten, um die Robustheit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu bestätigen. Parallel dazu werden wir die Möglichkeiten untersuchen, diese Ergebnisse in eine patientennahe Labordiagnostik (engl. Point-of-Care-Testing) direkt in der Angio-OP während einer mechanischen Rekanalisation als Methode zur Echtzeit-Risikoabschätzung zu überführen. Zudem sind revers-translationale Studien geplant, um die im Menschen beobachteten Prozesse in Tiermodellen mechanistisch zu untersuchen. Mit diesem Ansatz soll eine Brücke zwischen klinischen Beobachtungen und experimentell adressierbaren pathophysiologischen Prozessen geschlagen werden, um die Entwicklung spezifischer, zeitlich und pathophysiologisch abgestimmter Therapiekonzepte für die klinische Erprobung voranzutreiben.

Weitere Informationen zur Studie liefert die Pressemitteilung, die am 22. April 2024 anlässlich der Publikation veröffentlicht wurde. 
 

StrokeCap – Die mobile Schlaganfalldiagnostik der Zukunft

Der Medical Valley Award 2024, eine renommierte Auszeichnung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, ging dieses Jahr gleich zweimal an Teams aus der Universitätsmedizin Würzburg. Das StrokeCap-Team von der Universität und dem Uniklinikum Würzburg darf sich über die begehrte Auszeichnung freuen. Die StrokeCap ist ein innovatives, tragbares Gerät für eine präzise mobile Schlaganfalldiagnostik.

Grafik zur Funktion von StrokeCap
Demonstrator der StrokeCap und Ansteuerelektronik. © StrokeCap-Team
Abbbildung zeigt eine Messung nach Gabe des Tracers und wo es im Gehirn zur Signalverzögerung kommt.
Beispiel einer Messung nach Tracer-Gabe: durch die schlechtere Durchblutung in der Region R2 des Gehirns, kommt es zu einer Signalverzögerung. © StrokeCap-Team
Team posiert mit Akteuren aus Politik und Medical Valley bei Preisverleihung
Übergabe des Medical Valley Awards. Das StrokeCap-Team v.l.n.r. Dr. Patrick Vogel, Johanna Günther, Dr. Martin Rückert, Teresa Reichl, Prof. Dr. Volker Behr, PD Dr. med. Stefan Herz, der Vertreter des Staatsministeriums Dr. Thomas Krammer sowie die Mitglieder der Jury und des Medical Valley EMN e.V Marina Moskvina, Marco Wendel, Dr. Jörg Stein. © Medical Valley EMN e.V.

Die Meldung zur Preisverleihung am 2. Oktober 2024 finden Sie hier.

Je früher und spezifischer ein Schlaganfall diagnostiziert und therapiert wird, desto seltener leiden Patientinnen und Patienten an schweren Folgeschäden wie Lähmungen oder Sprachstörungen. Der Weg zu spezialisierten Schlaganfallzentren mit entsprechender Ausrüstung ist allerdings oft weit. Hier setzt die StrokeCap an: ein tragbares, strahlungsfreies Gerät, das mithilfe injizierbarer magnetischer Nanopartikel die Durchblutung des Gehirns in Echtzeit visualisiert. Dadurch können bereits im Rettungswagen kritische Entscheidungen zur Auswahl des richtigen Krankenhauses getroffen werden.

Die Idee zur StrokeCap

Das Konzept zur StrokeCap wurde von PD Dr. med. Stefan Herz und Dr. Patrick Vogel entwickelt. Während ihrer Arbeit an auf Magnetic Particle Imaging (MPI) basierenden Tomographen für die interventionelle Bildgebung am Menschen [https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/ein-schneller-blick-ins-menscheninnere/] erkannten sie das Potenzial dieser Technologie für die Schlaganfalldiagnostik. Anders als herkömmliche Verfahren wie Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) ist die StrokeCap klein, leicht und mobil und kann direkt vor Ort vom Rettungsdienst eingesetzt werden, um eine schnelle Einschätzung des Zustandes des Patienten zu erlangen. „Was das EKG für den Herzinfarkt ist, kann die StrokeCap für den Schlaganfall sein“, sagt Stefan Herz. Patrick Vogel ergänzt: „Besonders in ländlichen Regionen mit langen Anfahrtszeiten kann sie helfen, das richtige Krankenhaus sofort anzusteuern.“

Nanopartikel machen Schlaganfälle sichtbar

Das zugrundeliegende Verfahren basiert auf der schnellen Lokalisierung eines in den Menschen eingebrachten Eisentracers mit Hilfe von zeitlich veränderlichen Magnetfeldern. „Die Besonderheit von MPI gegenüber MRT oder CT ist die hintergrundfreie Bildgebung des Tracers ohne ionisierende Strahlung, was die Anwendung sehr sicher macht“, erklärt Volker Behr. MPI-Scanner werden bereits erfolgreich für die präklinische Forschung eingesetzt, eine Skalierung auf Menschengröße ist in Vorbereitung.
Das Alleinstellungsmerkmal der StrokeCap ist der sehr frühe Ansatz für die Patientenversorgung. Das hierfür entwickelte innovative Design der StrokeCap soll eine frühzeitige Diagnostik am Patienten schon wenige Sekunden nach Gabe eines für den Einsatz am Menschen bereits zugelassenen Tracers ins Gefäßsystem ermöglichen. Dieser kann dann eindeutig im Körper lokalisiert werden. Über den zeitlichen Verlauf des Signals lassen sich direkte Rückschlüsse auf die Durchblutung einzelner Regionen ziehen. Kombiniert mit einem robusten Aufbau und einem intuitiven Benutzerinterface, soll die StrokeCap leicht in etablierte Workflows, z.B. in einem Rettungswagen integriert werden können.
Durch diese neuartige Technik kann wertvolle Zeit eingespart werden, bis die gezielte Behandlung in einem spezialisierten Krankenhaus eingeleitet werden kann. Dadurch kann die Prognose der Patientinnen und Patienten deutlich verbessert werden.

Weiterentwicklung des Demonstrators zum einsatzfähigen Prototypen

Mit dem Preisgeld soll der vorhandene erste Demonstrator der StrokeCap zu einem einsatzfähigen Prototyp weiterentwickelt werden, der dann in der Folge in klinischen Studien getestet werden kann. Hierzu werden reale Schlaganfalldiagnostiken, die mittels CT oder MRT gewonnen wurden, als Referenzen genutzt, um das System für den Einsatz am Menschen zu optimieren.

Team
Dr. Patrick Vogel, PD Dr. med. Stefan Herz, PD Dr. med. Moriz Herzberg, Teresa Reichl, Johanna Günther, Dr. Martin Rückert, Dr. Thomas Kampf, Andreas Wörle, Prof. Dr. Volker Behr

Kontakt
Prof. Dr. Volker Behr, Experimentelle Physik 5, Universität Würzburg, T + 49 931 31-85766, volker.behr@uni-wuerzburg.de
info@strokecap.com
 

1,4 Millionen Euro von der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung

Behandlung des AAV1/2-hA53T-Alpha-Synuclein-Mausmodells für Parkinson mit KLS-13019

Chi Wang Ip vom Universitätsklinikum Würzburg untersucht mit zwei Partnern aus den USA und Kanada, an einem speziellen Mausmodell, ob KLS-13019 ein wirksames Medikament gegen Parkinson sein könnte. Im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie das Medikament, das strukturell mit Cannabinoiden verwandt ist, auf wichtige Hirnfunktionen wirkt, ob es auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien hilft und wie zuverlässig die Ergebnisse sind.

 

Porträtfoto von Chi Wang Ip
Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg, erhält eine Förderung der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung. Gemeinsam mit zwei Partnern aus den USA und Kanada untersucht er an einem speziellen Mausmodell, ob KLS-13019 ein wirksames Medikament gegen Parkinson sein könnte. © Chi Wang Ip / UKW

Würzburg. Michael J. Fox ist nicht nur für seine Rolle als Marty McFly in der Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“ bekannt, sondern auch für sein Engagement in der Parkinson-Forschung. Der kanadisch-amerikanische Schauspieler und Filmproduzent erkrankte um die Jahrtausendwende an der neurodegenerativen Störung und gründete die Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research (MJFF). Die Stiftung sammelt Forschungsgelder, mit dem Ziel, Therapien für die bislang unheilbare Krankheit zu finden, von der allein in Deutschland 400.000 Menschen betroffen sind. 1.493.409 US-Dollar, rund 1,4 Millionen Euro, gingen jetzt an ein dreiköpfiges internationales Forscherteam mit Würzburger Beteiligung für die „Behandlung des AAV1/2-hA53T-Alpha-Synuclein-Mausmodells für Parkinson mit KLS-13019“. Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), wird gemeinsam mit Dr. Douglas Brenneman, Chef-Pharmakologe des biopharmazeutischen Unternehmens Kannalife Sciences (USA) und Tom Johnston von Atuka Inc, einem auf Parkinson spezialisierten Auftragsforschungsunternehmen im kanadischen Toronto, die Studien durchführen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Unternehmen will die MJFF neue Forschungsergebnisse schneller in praktische Behandlungen für Menschen umsetzen.

Schlüsselfaktoren der Parkinson-Krankheit: Neuroinflammation und mitochondriale Dysfunktion

„Wir fühlen uns sehr geehrt, dass die Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research unser Forschungsvorhaben unterstützt. Die Förderung unterstreicht das Engagement der Stiftung, die therapeutische Erforschung der Parkinson-Krankheit durch die Bekämpfung von Neuroinflammation und mitochondrialer Dysfunktion voranzutreiben. Denn sowohl die Entzündungsreaktion im zentralen Nervensystem als auch die Fehlfunktion der Mitochondrien, die für die Energieproduktion in den Zellen verantwortlich sind, stellen zwei Schlüsselfaktoren der Krankheit dar“, kommentiert Chi Wang Ip. 
Der Arzt und Wissenschaftler konzentriert sich am UKW auf Bewegungsstörungen, insbesondere auf Parkinson und Dystonie und deren Pathophysiologie. Sein Labor erforscht unter anderem die Rolle des Immunsystems und die Veränderungen des Gehirnnetzwerks anhand von Nagetiermodellen für diese Krankheiten. 

AAV1/2-hA53T-Alpha-Synuclein-Mausmodell

In dem vom MJFF geförderten Forschungsprojekt prüft Chi Wang Ip mit seinem Team am so genannten AAV1/2-hA53T-Alpha-Synuclein-Mausmodell, ob der Wirkstoff KLS-13019 eine wirksame Therapie gegen Parkinson sein kann, die den Verlauf der Krankheit verändert. Chi Wang Ip hat dieses Mausmodell zusammen mit Kollegen aus Kanada entwickelt, an dem sich die pathologischen Veränderungen der Parkinson-Krankheit und der Krankheitsverlauf innerhalb von acht Wochen beobachten lassen. Die Mäuse überexprimieren das mutierte menschliche Alpha-Synuclein, was zu Symptomen und Pathologien führt, die denen der Parkinson-Krankheit beim Menschen ähneln, wie zum Beispiel der Verlust von dopaminergen Neuronen, also Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin synthetisieren und freisetzen. Ein Mangel kann die für Parkinson typischen motorischen Störungen auslösen. 

KLS-13019 ist strukturell mit Cannabinoiden verwandt

KLS-13019 ist eine von Kannalife Sciences entwickelte chemisch modifizierte Form von Cannabidiol, einem der Hauptbestandteile von Cannabis. Das synthetische Molekül zielt auf die positiven Wirkungen von Cannabinoiden wie entzündungshemmende und neuroprotektive Eigenschaften ab, ohne die psychoaktiven Effekte, die typischerweise mit Cannabis assoziiert werden. Die präklinischen Ergebnisse von KLS-13019 in Modellen von Neuroinflammation und oxidativen Stress waren sehr vielversprechend. 

Während der 24-monatigen Förderperiode untersuchen die Forscherinnen und Forscher zunächst, wie KLS-13019 auf bestimmte biologische Marker wirkt, die für die Funktion von Dopamin wichtig sind. Außerdem wird untersucht, wie gut KLS-13019 vom Körper aufgenommen wird und an welche Ziele im Gehirn es bindet. Bei positiven Effekten geht das Projekt in die nächste Studienphase über. Das heißt, die Untersuchungen werden in einem anderen Labor wiederholt, um die Zuverlässigkeit zu testen. Und um herauszufinden, ob KLS-13019 auch dann noch wirkt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist, wird die Behandlung mit KLS-13019 zwei Wochen später begonnen. Möglicherweise profitieren auch Menschen von dem Medikament, die schon länger an Parkinson erkrankt sind.

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

 

Porträtfoto von Chi Wang Ip
Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg, erhält eine Förderung der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung. Gemeinsam mit zwei Partnern aus den USA und Kanada untersucht er an einem speziellen Mausmodell, ob KLS-13019 ein wirksames Medikament gegen Parkinson sein könnte. © Chi Wang Ip / UKW

Computerspiele-Technik für Tremor-Diagnostik und Dystonie-Behandlung

Zwei wegweisende Publikationen der Universitätsmedizin Würzburg zur besseren Diagnose von Bewegungsstörungen in „npj Digital Medicine”

Neben den molekularen und verhaltensorientierten Neurowissenschaften entwickeln sich die digitalen Neurowissenschaften zu einer neuen Säule, die sowohl die Diagnostik als auch die Therapie von neurologischen Erkrankungen revolutionieren könnte. Computergestützte Bilderkennungstechnologien könnten helfen, die Genauigkeit der Diagnostik bei Tremor und Dystonie zu verbessern und die Wirksamkeit von Behandlungen wie der Tiefen Hirnstimulation zu überwachen.

 

Hand mit Markern
Ein interdisziplinäres Team aus dem Uniklinikum Würzburg hat basierend auf computergestützten Bilderkennungstechnologien aus der Gaming-Szene eine vergleichsweise einfache Möglichkeit entwickelt, um wichtige Merkmale eines Tremors zu messen. © UKW
Team mit Gestenerkennung auf den Händen
Das Team aus der Neurologie des Uniklinikums Würzburg: vorn sitzend Robert Peach und Anna-Julia Rönn, hinten stehend v.l.n.r.: Muthuraman Muthuraman Jens Volkmann, Chi Wang Ip und Martin Reich, es fehlt Maximilian U. Friedrich. © UKW

Würzburg. Als Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit und absolut zukunftsweisend bezeichnet Professor Dr. Jens Volkmann, Direktor der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), die beiden aktuellen Publikationen im Journal npj Digital Medicine. Durch die enge Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Mathematik, Physik, Informatik und Ingenieurwissenschaften haben Neurologinnen und Neurologen nun endlich die Möglichkeit, ihr klinisches Bauchgefühl zu formalisieren und Bewegungsstörungen mit hohem Detailgrad zu quantifizieren. „Bisher waren wir bei allen Therapiebeurteilungen auf schlecht quantifizierbare Skalen angewiesen, die den subjektiven Eindruck erfahrener Neurologinnen und Neurologen widerspiegelten. Wir brauchen aber für die Therapieplanung oder Klinische Studien objektiv messbare Merkmale oder Biomarker, wie es zum Beispiel der Blutdruck in der Inneren Medizin ist“, sagt Volkmann.

In der multizentrischen, retrospektiven Längsschnitt-Kohorten-Studie „Quantitative assessment of head movement dynamics in dystonia using visual perceptive deep learning” zeigt das Team aus Würzburg wie mit visuell perzeptiver künstlicher Intelligenz die Dynamik von Kopfbewegungen bei der Bewegungsstörung Dystonie objektiv erfasst werden können. In einer weiteren Studie beschäftigen sich die Erstautorin und Doktorandin Anna-Julia Roenn und Erstautor Maximilian Friedrich mit der Validierung und Anwendung von diesen visuell perzeptiven Algorithmen zur smartphone-videobasierten Analyse von Händezittern.

Erfolg einer Tiefen Hirnstimulation hängt entscheidend von der Charakterisierung des Zitterns ab

Ein Tremor, also das unwillkürliche Zittern von Körperteilen wie Händen, Beinen, Kopf oder Rumpf, ist eines der häufigsten Symptome verschiedener neurologischer Erkrankungen. Er kann mit Parkinson oder anderen erworbenen oder genetisch bedingten neurologischen Störungen einhergehen. Liegen keine weiteren neurologischen Symptome vor, spricht man vom essentiellen Tremor, unter dem weltweit 4,6 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahren leiden. „Die korrekte Diagnose ist eine große Herausforderung für die klinische Neurologie und hat weitreichende Konsequenzen für die Therapie“, schildert Prof. Dr. Martin Reich, Leitender Oberarzt in der Neurologie am UKW und Letztautor der Tremor-Studie. So hängt beispielsweise der Erfolg einer Tiefen Hirnstimulation maßgeblich von der Phänotypisierung, also der genauen Charakterisierung der Bewegungseigenschaften des Tremors, ab. Bisherige Methoden wie die 3D-Bewegungserfassung sind sehr aufwendig und wenig praktikabel, die sogenannte Gestaltwahrnehmung und die subjektive Beurteilung durch die Ärztin oder den Arzt nicht detailliert genug und nicht standardisierbar.

Tremor-Quantifizierung mit Computerspielesoftware 

Um Bewegungen in Videos von Patientinnen und Patienten mit Tremor zu verfolgen und wichtige Merkmale des Tremors zu messen wurden verschiedene computergestützte Bilderkennungstechnologien untersucht. Bei der Quantifizierung des Tremors bestand die große Herausforderung darin, aus zweidimensionalen klinischen Videoaufnahmen dreidimensionale Datenpunkte zu bestimmen. Beim Haltetremor, dem Zittern bei nach vorne gestreckten Händen, verliefen die Messungen mit open-source Algorithmen, die in der tierexperimentellen Forschung etabliert sind (DeepLabCut), sehr gut. Beim Intentionstremor hingegen, wenn sich das Zittern zum Beispiel beim Hinführen eines Fingers an die Nase verstärkt, und die Hand quasi fliegt, stieß die Software an ihre Grenzen. „Die Lösung für dieses Problem haben wir in der Gaming-Szene gefunden“, erläutert die angehende Neurologin Anna-Julia Rönn. „Mit einer Software, die eigentlich für Gesichts- und Gestenerkennung in der Unterhaltungselektronik durch Google entwickelt wurde, Mediapipe, konnten wir durch Anpassungen auch diese komplexen Bewegungen im dreidimensionalen Raum verfolgen und dieses in einer vergleichbaren Genauigkeit zu den aufwendigen Messungen mittels Beschleunigungssensors in 3D-Videolaboren“, ergänzt Robert Peach. Der Mathematiker aus London verstärkt die Würzburger Neurologie seit vier Jahren mit seiner Expertise in der Verarbeitung hochkomplexer Datensätze. 

Phänotypisierung der Dystonie mittels Deep-Learning

Auch bei der Phänotypisierung der Dystonie musste Robert Peach gemeinsam mit Maximilian Friedrich in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit tüfteln. Denn die abnormen, unwillkürlichen Muskelkontraktionen, die vor allem den Kopf- und Nackenbereich betreffen und oft zu schmerzhaften Fehlhaltungen führen, sind in ihrer Dynamik äußerst komplex und daher kaum ohne zusätzliche Hilfsmittel für Klinikerinnen und Kliniker in Gänze erfassbar. „Eine Dystonie kann sowohl durch genetische Veranlagung, Medikamente, aber auch ohne erkennbare Krankheitsursache durch Fehlbelastung, Verletzungen oder andere umweltbedingte Einflüsse entstehen. Dystonie kann aber auch als Symptom bei Menschen mit anderen Erkrankungen wie dem Parkinson auftreten. Dann sprechen wir von mehreren Millionen Betroffenen und eine der häufigsten Bewegungsstörungen“, erklärt Prof. Dr. Chi Wang Ip, stellvertretender Direktor der Neurologie am UKW. 
Um die komplexen raum-zeitlichen Eigenschaften dystoner Phänomene besser zu verstehen und die Behandlung zu optimieren, hat das Team mit dem visuell-perzeptiven deep-learning-Algorithmen einen neuen Ansatz entwickelt, der mittels mehrschichtiger neuronaler Netze erlaubt, aus Videos Muster und Merkmale zu erkennen und deren Dynamik als Funktion der Zeit zu messen. Das Team nennt diese Informationen „Digitale Biomarker“.

evaluiert wurde das System anhand klinischer Videodaten, die unter Leitung des Würzburger Teams in drei multizentrischen Studien über Jahre in sieben akademischen Zentren in Deutschland gesammelt wurden. Tatsächlich wiesen die aus Videos abgeleiteten Messungen der Kopfwinkelabweichungen eine hohe Korrelation mit den klinisch zugewiesenen Werten auf. „Die Analysen zeigten konsistente Bewegungsmuster, die wichtige Informationen über den Schweregrad der Krankheit, den Subtyp und die Auswirkungen von Eingriffen in die neuronalen Schaltkreise liefern“, berichtet Chi Wang Ip. „Dieser neue Rahmen für Maschinelles Lernen ebnet den Weg für zahlreiche wissenschaftliche Studien.“

Bewegungsstörung via App aufnehmen und Krankheitsverlauf beobachten

Im nächsten Schritt soll das Tool weiterentwickelt werden und in eine Applikation für Smartphones und Tablets eingebunden werden. So kann nicht nur der Schweregrad und die Art der Dystonie ermittelt, sondern auch ein Monitoring ermöglicht werden. Die Betroffenen nehmen sich selber auf, oder die Behandelnden erstellen das Video, der Algorithmus evaluiert im Hintergrund das Video und gibt objektive Werte heraus, aus denen medizinische Schlüsse gezogen werden können. 
Die beiden innovativen Forschungsprojekte sind als Kooperationen aus dem Sonderforschungsbereich (SFB) Transregio (TRR) 295 „ReTune“ entstanden, mit dem die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG vor allem das interdisziplinäre Arbeiten stark fördert. Ein echter Mehrwert, findet nicht nur das Team. 

Publikationen: 

Friedrich MU, Roenn AJ, Palmisano C, Alty J, Paschen S, Deuschl G, Ip CW, Volkmann J, Muthuraman M, Peach R, Reich MM. Validation and application of computer vision algorithms for video-based Tremor analysis. npj Digit. Med. 7, 165 (2024). https://doi.org/10.1038/s41746-024-01153-1

Peach R, Friedrich M, Fronemann L, Muthuraman M, Schreglmann SR, Zeller D, Schrader C, Krauss JK, Schnitzler A, Wittstock M, Helmers AK, Paschen S, Kühn A, Skogseid IM, Eisner W, Mueller J, Matthies C, Reich M, Volkmann J, Ip CW. Head movement dynamics in dystonia: a multi-centre retrospective study using visual perceptive Deep Learning. npj Digit. Med. 7, 160 (2024). https://doi.org/10.1038/s41746-024-01140-6

Text: Kirstin LInkamp / UKW 

Das Gehirn im Gleichgewicht

Maximilian U. Friedrich erhält am 2. Mai 2024 in Hamburg den Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung 2024. Mit dem Preisgeld von 210.000 Euro will der Mediziner und Wissenschaftler am UKW eine Arbeitsgruppe zur Erforschung der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns aufbauen.

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

Würzburg. Ohne ihn hätten wir Schwierigkeiten, uns auf den Beinen zu halten, uns fortzubewegen und uns im Raum zu orientieren. Unser Gleichgewichtssinn ist für unser tägliches Funktionieren von entscheidender Bedeutung. Er besteht aus mehreren Komponenten, unter anderem dem Innenohr mit den so genannten Vestibularorganen, deren Signale über weite Teile des Gehirns und Rückenmarks verschaltet werden. Sobald wir uns bewegen oder unsere Kopfhaltung verändern, senden die Vestibularorgane Signale ans Gehirn, das die Informationen verarbeitet und entsprechende Anpassungen der Augenstellung und Körperhaltung veranlasst, damit wir im Gleichgewicht bleiben. Störungen des Gleichgewichtssinns mindern unsere Lebensqualität drastisch und können sogar zur Arbeitsunfähigkeit oder langfristig zu Depressionen und Angstzuständen führen. Diese Tatsachen sind bekannt, aber die Therapiemöglichkeiten sind sehr begrenzt. 

Atlas vom neuronalen Netzwerk des Gleichgewichtssinns

Dr. Maximilian U. Friedrich will das ändern. „Erkrankungen des Gleichgewichtssinns wie Schwindel, Störungen des Ganges und der räumlichen Orientierung zählen zu den häufigsten Symptomen überhaupt in der Medizin“, sagt der 35-jährige Assistenzarzt und Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). „Die Neurologie hat sich mit der Entwicklung innovativer Hirnstimulationsmethoden mittlerweile zu einem therapeutischen Fach gewandelt - jedoch profitieren davon aktuell noch keine Patientinnen und Patienten mit Gleichgewichtsstörungen.“

Mit modernsten Methoden der Hirnbildgebung und Künstlicher Intelligenz will Maximilian U. Friedrich neue Therapieansätze bei komplexen Gleichgewichtserkrankungen erforschen, die besonders häufig bei neurologischen Erkrankungen wie dem Schlaganfall, der Multiplen Sklerose oder der Parkinsonerkrankung auftreten. „Hierfür werde ich unter anderem schlaganfallbedingte Schädigungen von Gleichgewichtsnetzwerken als Modell nutzen, um Struktur-Funktionsbeziehungen des Gleichgewichtssystems aufzuschlüsseln und zu kartografieren.“

Jung-Karriere-Förderpreis für translationale Forschung in der Neurologie

Sein Forschungsvorhaben und bisherigen Erkenntnisse überzeugten die Hamburger Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung so sehr, dass sie Maximilian U. Friedrich am 2. Mai in Hamburg den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis verleiht. Mit dem Preisgeld will der gebürtige Franke, der derzeit als Clinician Scientist in der Neurologie und Postdoktorand am Center for Brain Circuit Therapeutics des Brigham & Women's Hospital und Forschungsstipendiat an der Harvard Medical School in Boston arbeitet, ab Oktober 2024 eine eigene Arbeitsgruppe am UKW aufbauen.

Bisher untersuchte Maximilian Friedrich unter anderem, wie schlaganfallbedingte Verletzungen und Hirnstimulation die visuelle und Gleichgewichtswahrnehmung sowohl im Menschen als auch im Mausmodell beeinflussen, wofür er mit dem James A. Sharpe Award der nordamerikanischen neuroophthalmologischen Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Ihm gelang es, auf künstlicher Intelligenz basierende Systeme zu entwickeln, mit dem sich neurologische Bewegungsstörungen oder Augenzittern, wie es für Gleichgewichtserkrankungen charakteristisch sind, nur mit handelsüblichen Smartphones analysieren lassen. Die Ergebnisse sind mit denen bisheriger teurer Spezialmethoden vergleichbar, so dass seine Erkenntnisse künftig bei medizinischen Untersuchungen direkt am Krankenbett eine Rolle spielen könnten. Zusammen mit einer Arbeitsgruppe aus Australien gelang es ihm vor kurzem rund 750.000 Australische Dollar für ein Verbundvorhaben zur Weiterentwicklung künstlicher Intelligenzmethoden in der Neurologie einzuwerben.

Vom Tontechniker und Zivi zum Neurologen, Wissenschaftler und DJ

Ursprünglich studierte Maximilian U. Friedrich Germanistik, Philosophie und Klassische Philologie. Doch der Zivildienst als Krankenpfleger brachte ihn zur Medizin und schlussendlich zu einem anderen Blick auf den Geist. Nach der Aufnahme seines Medizinstudiums in Würzburg stellte sich schnell heraus, dass ihn besonders die Neurophysiologie begeisterte. „Das lag eigentlich nahe“, schmunzelt er. „In meiner Jugend habe ich mich als Tontechniker engagiert und viel mit Schaltkreisen und Signalprozessierung hantiert.“ Heute erzeugt er übrigens als DJ Musik aus elektrischen Schaltkreisen, sofern er nicht gerade an Hirnschaltkreisen forscht.

Den Funken für sein späteres Spezialgebiet - Störungen von Gleichgewicht, Augenbewegungen und Motorik – zündeten seine Mentoren während des Praktischen Jahres und der frühen Assistenzarztzeit: Dr. Mathias Pfau, Oberarzt im KWM Juliusspital und Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologie am UKW. „Sie schafften es, die komplexesten neurologischen Rätsel direkt am Patientenbett zu lösen, allein durch die nuancierte neurologische Untersuchung der Augen- und Körpermotorik, und fast ohne den Einsatz von Apparaten. Diese Kunstfertigkeit hat mich inspiriert“, schildert Maximilian U. Friedrich. Er absolvierte in der Neurologie des UKW eine vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) geförderte Ausbildung zum Clinician Scientist und baute zusammen mit Dr. Miriam Bürklein, Oberärztin der HNO-Klinik am UKW, ein interdisziplinäres Schwindelboard und eine Spezialambulanz für komplexe Gleichgewichtserkrankungen auf. In Kooperation mit Prof. Daniel Zeller, Oberarzt der neurologischen Klinik am UKW und Prof. Martin Nentwich, stellv. Direktor der Augenklinik am UKW, gelang es ihm weiterhin, ein klinisch-wissenschaftliches Labor mit weltweit führender Ausstattung für Augenbewegungsanalysen am UKW zu etablieren. 

Der Weg zum Clinician Scientist sei sicher nicht immer einfach, umso mehr freue er sich über die Auszeichnung. „Die Förderung ermöglicht es mir nun, an meine bisherigen Forschungen anzuknüpfen und mein ganzheitliches klinisch-wissenschaftliches Programm zu verwirklichen.“ Zum Schluss schimmert noch einmal der Philosoph durch, als Maximilian U. Friedrich sein an Seneca angelehntes Motto zitiert: Per aspera ad astra - Über steinige Wege gelangt man zu den Sternen.

Über die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung

Die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung mit Sitz in Hamburg ehrt mit drei jährlich vergebenen Preisen Projekte der Grundlagen- und weiterführenden Forschung von besonderer klinischer Relevanz. Mehr als 15 Mio. Euro hat die Stiftung damit bis heute in die Förderung von Forscherinnen und Forschern investiert, die mit ihren Projekten eine Brücke von der Forschung zum Krankenbett schlagen. Unter dem Motto „Ausgezeichnete Humanmedizin“ trägt die Stiftung so maßgeblich zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten bei. Der Jung-Preis für Medizin, die Jung-Medaille für Medizin in Gold und der Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung zählen in ihrer Gesamtsumme europaweit zu den höchstdotierten Medizinpreisen. Mit der zusätzlichen Vergabe von Fellowships und Deutschlandstipendien kommt die Stiftung so auf Förderungen im Wert von insgesamt bis zu 650.000 Euro jährlich. Mehr Informationen unter www.jung-stiftung.de

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

Erstmaliger Nachweis eines lokalen Biomarkers zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Interdisziplinäres Würzburger Team aus Neuroradiologie und Neurologie identifiziert das Enzym MMP-9 direkt in Blutgefäßen des betroffenen Hirnareals als entscheidenden Biomarker für schwerste Schlaganfallverläufe nach mechanischer Gerinnselentfernung, noch bevor therapeutische Schritte erfolgen.

Das Forscher-Team im Labor
An der Studie beteiligte Forscher am Fluoreszenzmikroskop mit aktiven MMP-9 positiven Entzündungszellen aus einem betroffenen Hirngefäß (v.l.n.r.): Alexander Kollikowski, Michael Schuhmann, Guido Stoll und Mirko Pham. © Vivian Vogt
MMP-9-expressierende Zellen unterm Fluoreszenzmikroskop
Erstmalige Beobachtung stark MMP-9-expressierender neutrophiler Granulozyten aus einer betroffenen Hirnregion bei hyperakutem ischämischem Schlaganfall. © Alexander Kollikowski

Würzburg. Plötzliche Lähmung, Taubheit, Verwirrung, Geh-, Sprach- und Sehstörungen können auf einen Schlaganfall hinweisen, der schnellstmögliche medizinische Hilfe erfordert. Bei einem ischämischen Schlaganfall, der einen Großteil der Schlaganfälle ausmacht, wird ein Teil des Gehirns aufgrund einer Unterbrechung der Blutversorgung geschädigt. Das wirkstärkste Therapieverfahren ist die mechanische Thrombektomie, die allein oder in Kombination mit medikamentöser Thrombolyse durchgeführt werden kann. Dabei wird das für den Schlaganfall verantwortliche Gerinnsel mittels eines interventionell-radiologischen Katheterverfahrens - minimalinvasiv - aus dem betroffenen Blutgefäß des Gehirns entfernt und die Blutversorgung wiederhergestellt. 

Risiken für Komplikationen nach einem Schlaganfall 

Auch bei schneller und effizienter Behandlung können bedauerlicherweise im Verlauf bisher unvorhersehbare, schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie beispielsweise eine raumfordernde Blutung im betroffenen Hirnareal oder neurologische Beeinträchtigungen mit hohem Behinderungsgrad aufgrund ausgedehnter Gewebeschäden. Obwohl allgemeine Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder eine lange Zeitdauer bis zum Therapiebeginn in nachträglichen Analysen einiger Therapiestudien zur mechanischen Thrombektomie beschrieben wurden, ist bisher noch nicht verstanden, welche individuellen Faktoren dazu führen, dass bestimmte Patientinnen und Patienten ein höheres Risiko für schwere Verläufe haben. Deshalb war es bisher noch nicht möglich, die klinische Praxis für potenzielle Risikogruppen frühzeitig und individuell anzupassen. 

Sogenannte Matrix-Metalloproteinasen (MMP) werden seit langem mit Blutungskomplikationen und neurologischen Beeinträchtigungen nach einem ischämischen Schlaganfall in Verbindung gebracht. Allerdings existieren noch keine Studien, welche die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung in einem therapeutischen Kontext untersucht haben.

Intravaskuläre weiße Blutkörperchen - neutrophile Granulozyten - als Quelle von MMP-9 identifiziert 

Das hat Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) nun gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des klinischen Labors der Neurologie, und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe geändert. Ihre Forschungsergebnisse zu verschiedenen Matrixmetalloproteinasen und ihrer prognostischen Relevanz, die anhand von winzigen Blutproben direkt aus dem Gehirn von Schlaganfallpatientinnen und -patienten gewonnen wurden, noch bevor das Gerinnsel mechanisch entfernt wurde und das wiedereinströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte, wurden in eBioMedicine, dem translationalen Fachjournal der international führenden Lancet-Gruppe, veröffentlicht. 

Das endovaskuläre Schlüsselverfahren hierzu hatte das interdisziplinäre Team in mehrjähriger Vorarbeit etabliert. Dabei konnten die Forschenden erstmals belegen, dass beim Menschen während eines Schlaganfalls eine sofortige massive Entzündungsreaktion im Gehirn stattfindet, die durch bestimmte Botenstoffe sowie eine Immunzellinvasion in das abgeriegelte Gefäßsystem über Umgehungskreisläufe charakterisiert ist. Nun haben die Forschenden aus Würzburg bei ihrer Analyse von 264 Proben von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten belegen können, dass von eindringenden Neutrophilen, einer Art weißer Blutkörperchen, enzymatisch aktive Matrixmetalloproteinase (MMP)-9, nicht aber das zur gleichen Enzymfamilie gehörende MMP-2, in die Blutgefäße des betroffenen Hirnareals freigesetzt wird.

Lokale Freisetzung von MMP-9 ist ein Prädiktor für schwerste Verläufe

Und tatsächlich: „Die lokale Freisetzung von MMP-9 vor Thrombektomie war ein starker unabhängiger Prädiktor für raumfordernde Einblutungen und schwerste Behinderung oder Tod im frühen klinischen Verlauf trotz erfolgreicher Rekanalisation“, schildert Alexander Kollikowski. „Die Daten aus den gewonnen Proben deuten darauf hin, dass lokal stärkste Konzentrationserhöhungen von MMP-9 einen erheblichen Informationswert für die Vorhersage dieser Ereignisse haben, womit wir erstmals einen Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker vor einer therapeutischen Rekanalisation erbracht haben.“ Damit ist örtlich freigesetztes MMP-9 ein pathophysiologisch relevanter Biomarker zur Identifizierung der klinisch relevantesten Hochrisikogruppen für schwere Verläufe nach einer mechanischen Thrombektomie, noch bevor die eigentlich therapeutischen Schritte eingeleitet werden, um den Blutfluss zum betroffenen Hirnareal wiederherzustellen. 

Für diesen Befund gibt es eine plausible Erklärung aus der Grundlagenforschung: Es ist seit langem bekannt, dass MMP-9 die schützende Blut-Hirn-Schranke schwer schädigen kann, was wiederum eine erhöhte Blutungsneigung zur Folge hat. Michael Schuhmann resümiert: „Unsere Ergebnisse haben damit weitreichende Implikationen für die zukünftige präklinische und klinische Schlaganfallforschung, insbesondere für die Implementierung erweiterter Behandlungskonzepte für die Akutphase zur Verbesserung des Outcome. Im Rahmen weiterführender Untersuchungen zeichnen sich schon jetzt vielfältige erweiterte Konzepte für zukünftige Schlaganfalltherapien ab.“

Forschungsförderung

Diese Untersuchungen wurden durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Würzburg (Projekt T-516; Kollikowski/Schuhmann: Integration von zerebraler Hämodynamik, Hämorheologie und Inflammation im hyperakuten Schlaganfall) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG  (TR240 Projekt B02; Stoll/Pham: Thrombozyten-abhängige Schädigungs- und Schutzmechanismen im akuten Schlaganfall) gefördert. Aktuell wird Michael Schuhmann durch die Hentschel-Stiftungsprofessur unterstützt.

Zahlen, Daten und Fakten zum Schlaganfall

Jedes Jahr erleiden etwa 250.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Laut Robert-Koch-Institut hatten bereits 2,5 Prozent der Erwachsenen hierzulande einen Schlaganfall, das entspricht einem von 40 Menschen in Deutschland. Trotz Fortschritten in der Vorsorge und Behandlung wird die globale Krankheitslast infolge von Schlaganfällen bis zum Jahr 2050 stetig ansteigen, sodass es zu diesem Zeitpunkt weltweit rund 200 Millionen Überlebende von Schlaganfällen geben wird, einhergehend mit jährlich über 30 Millionen Neuerkrankungen und 12 Millionen Todesfällen. Weitere Informationen: Deutsche Schlaganfall Gesellschaft, Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe und Hentschel-Stiftung

Literatur; The Lancet Discovery Science:
Kollikowski, A. M. et al. MMP-9 release into collateral blood vessels before endovascular thrombectomy to assess the risk of major intracerebral haemorrhages and poor outcome for acute ischaemic stroke: a proof-of-concept study. EBioMedicine 103, 105095 (2024). doi.org/10.1016/j.ebiom.2024.105095 

Text: Kirstin Linkamp 
 

Das Forscher-Team im Labor
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