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„Jeder kann lernen, mehr oder weniger empathisch zu sein“

Prof. Dr. Grit Hein vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) hat im Fachjournal PNAS veröffentlicht, wie sich Empathie übertragen lässt. Beobachtungslernprozesse beeinflussen das Ausmaß, in dem sich eine Person in den Schmerz einer anderen Person einfühlt. Wir können also vom Umfeld Empathie lernen oder verlernen.

Porträtbild von Prof. Dr. Grit Hein
Prof. Dr. Grit Hein erforscht am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) Translationale Soziale Neurowissenschaften. © Cordula Buschulte

Würzburg. Mit ihren neuesten Auswertungen zur Empathiefähigkeit hat Prof. Dr. Grit Hein einmal mehr die alte Weisheit „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ widerlegt. Denn nicht nur Kinder können empathische Reaktionen zusätzlich zu ihren genetischen Anlagen von engen Bezugspersonen übernehmen. Auch Erwachsene sind formbar und können durch die Beobachtung anderer lernen, mehr oder weniger mitfühlend zu sein. Der Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) ist es gelungen, dieses komplexe soziale Phänomen über mathematische Modelle, so genanntes Computational Modeling, zu erfassen und mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) plastisch im erwachsenen Hirn abzubilden. Ihre in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) publizierten Ergebnisse liefern einen rechnerischen und neuronalen Mechanismus für die soziale Übertragung von Empathie. Dieser Mechanismus erklärt die Veränderungen individueller empathischer Reaktionen in empathischen und nicht-empathischen sozialen Umgebungen. Grit Hein hat gewissermaßen formalisiert, wie Empathie übertragen wird.

Soziale Übertragung von Empathie für Schmerz in verschiedenen Studien getestet 

Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stand die Frage, ob sich Empathie oder fehlende Empathie für den Schmerz einer anderen Person überträgt. In insgesamt vier Studien sahen die Studienteilnehmerinnen zuerst Videos von Händen, die gerade eine schmerzhafte Stimulation erhielten und gaben auf einer Rating-Skala an, wie sie sich dabei fühlen. Nachdem sie ihr eigenes Rating abgegeben hatten, wurden ihnen die empathischen oder nicht-empathischen Reaktionen anderer Personen auf die gleichen Videos gezeigt. Zuletzt gaben die Personen erneut ein Empathie-Rating ab, diesmal aber bezogen auf dem Schmerz einer neuen Person. Mit diesem Versuchsaufbau konnten Grit Hein und ihr Team testen, wie und ob sich die Empathie einer Person in Anwesenheit von empathischen und nicht-empathischen Mitmenschen ändert. 

Beobachtungsbasiertes Verstärkungslernen

Das Ergebnis: Durch die Beobachtung empathischer Reaktionen anderer Personen lernten die Versuchsteilnehmerinnen mehr oder weniger empathisch zu sein. „Je nachdem ob empathische oder nicht empathische Reaktionen beobachtet wurden, stiegen oder sanken die Empathie-Ratings. Interessanterweise änderte sich auch die neuronale Reaktion auf den Schmerz der anderen Person.“ sagt Grit Hein. Die im fMRT Scanner gemessenen neuronalen Veränderungen schlugen sich in einer veränderten Vernetzung der anterioren Insel nieder, einer Hirnregion die mit der Verarbeitung von Empathie in Verbindung gebracht wird. Hein und ihr Team können zeigen, dass diese neuronalen Veränderungen durch mathematische Lernmodelle erklärbar sind. Das bedeutet, dass die erhöhte oder abgeschwächte Empathie wirklich durch Lernen von anderen hervorgerufen wird und nicht nur bloße Nachahmung ist oder gezeigt wird um anderen zu gefallen. 

Es lohnt sich, in ein empathisches Umfeld zu investieren

Übertragen auf den beruflichen Kontext bedeutet das: Wer ein gutes Team haben möchte, muss für ein gutes Umfeld sorgen? „Unbedingt!“, antwortet Grit Hein. „Man muss einfach wissen, dass auch Erwachsene durch Beobachten Empathie erlernen oder verlernen, und zwar selbst von Personen die sie nicht kennen.“ Wer aus Gründen des Sparens, Zeitmangels oder Missmanagements eine Arbeitsumgebung schafft, in der es an Empathie mangelt, muss sich bewusst sein, dass dieses Verhalten langfristig die Mitarbeiter formt und sich dies wiederum auf den Umgang mit Kunden oder Patienten auswirkt. Frühere Studien haben gezeigt, dass positive Empathie in eine prosoziale Motivation übergehen kann und unter anderem die Kooperations- und Hilfsbereitschaft erhöht. Zu viel Empathie kann jedoch auch einen anderen Weg nehmen und Stress auslösen, der zu Burnout oder vollständigem Rückzug führt. Empathie kann also auch als anstrengend empfunden werden.

„Respekt ist der Nährboden für Empathie“

„Die gute Nachricht aus unseren Studien ist, dass wir Möglichkeiten haben, die Empathiefähigkeit auch bei Erwachsenen durch entsprechende Maßnahmen in beide Richtungen zu formen“, sagt Grit Hein. „Es ist möglich positive Empathie von anderen zu Lernen. Um langfristig zu gedeihen, braucht Empathie aber ein Klima gegenseitigen Respekts. Man kann jemanden respektieren, ohne Empathie mit dieser Person zu haben, aber es ist schwer Empathie zu entwickeln, wenn die andere Person nicht als Mensch respektiert oder Respektlosigkeit in der Gesellschaft akzeptiert wird.“ 

Sind Egoismus und Aggressionen übertragbar?

Die komplexen sozialen Interaktionen gehören zu den Forschungsschwerpunkten von Grit Hein. Um sie zu verstehen, müsse man sehr basal anfangen, die grundlegenden Mechanismen etablieren und puzzleartig aufbauen, also schrittweise um soziale Faktoren erweitern. Aus diesem Grund nahmen wurde die aktuelle Studie nur mit Frauen durchgeführt. Der Effekt wurde allerdings in unterschiedlichen Umgebungen, MRT und Labor, sowie mit Versuchsteilnehmerinnen unterschiedlichen Alters und Ethnizität repliziert. Jüngere und ältere, europäische und asiatische Teilnehmerinnen reagierten vergleichbar. Nachfolgende Studien zur Empathie mit gemischten Geschlechtern seien ein interessanter Ansatz. Im Moment prüft Grit Hein jedoch, ob sich das Modell auch auf andere soziale Verhaltensweisen wie Egoismus oder Aggression übertragen lässt. 

Publikation: 

Yuqing Zhou, Shihui Han, Pyungwon Kang, Philippe N. Tobler, Grit Hein. The social transmission of empathy relies on observational reinforcement learning. PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America – Psychological and cognitive sciences. February 2024. www.pnas.org/doi/abs/10.1073/pnas.2313073121


Computational modeling ist der Prozess der Erstellung und Analyse von mathematischen oder algorithmischen Modellen, die Phänomene oder Prozesse durch Computersimulationen nachbilden und verstehen.

Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ist eine bildgebende Technik, die die Aktivität des Gehirns misst, indem sie Veränderungen im Blutfluss und im Sauerstoffgehalt während bestimmter Aufgaben oder in Ruhezuständen erfasst.
 

Porträtbild von Prof. Dr. Grit Hein
Prof. Dr. Grit Hein erforscht am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) Translationale Soziale Neurowissenschaften. © Cordula Buschulte

Psychische Gesundheit junger Familien verbessern

Versorgungskonzept UPlusE: U-Untersuchung für Kinder Plus Eltern

Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) nimmt an der größten deutschen Studie zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von jungen Familien teil. Die Studie untersucht die Wirkung des Versorgungskonzepts UPlusE. Zur U-Untersuchung für Kinder kommt ein Screening der Eltern auf mögliche psychosoziale Belastungen und entsprechende Unterstützung.

 

Porträt von Freya Lancik und Andrea Gehrmann
Freya Lanczik (links) und Andrea Gehrmann koordinieren die Studie UPlusE am Universitätsklinikum Würzburg. © UKW

Würzburg. Etwa 15 Prozent der Mütter und 5 Prozent der Väter sind rund um die Geburt ihres Kindes von Depressionen und Angststörungen betroffen, oft auch in Kombination. Im Gegensatz zum harmlosen Baby-Blues, den 50 bis 80 Prozent aller Mütter nach der Geburt erleben und der vor allem durch starke Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist, handelt es sich bei Wochenbettdepressionen um schwere psychische Erkrankungen, die nicht selten bereits in der Schwangerschaft beginnen. Neben den negativen Auswirkungen auf die gesamte Familie, insbesondere auch auf die Entwicklung der Kinder, sind Suizide eine der häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit in den Industrieländern.

Bei frühzeitiger Diagnosestellung gut und schnell behandelbar

Umso wichtiger ist das neue Versorgungsprojekt UPlusE, das nun im Rahmen einer multizentrischen Studie unter der Leitung des Klinikums Nürnberg untersucht wird. Es ist die größte deutsche Studie zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Schwangeren und jungen Familien. Das Universitätsklinikum Würzburg ist maßgeblich an der Studie beteiligt, die am 12. Februar 2024 startet. 

„Obwohl Ärztinnen und Ärzte vor allem in der Gynäkologie und Pädiatrie regelmäßig junge Familien sehen, wird bisher nur ein Bruchteil der psychischen Erkrankungen vor und nach der Geburt tatsächlich frühzeitig erkannt und behandelt. Dabei sind diese Erkrankungen bei frühzeitiger Diagnose in der Regel gut und schnell behandelbar“, berichtet Dr. Andrea Gehrmann, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und am UKW verantwortlich für die Mutter-Kind-Sprechstunde und Spezialambulanz für peripartale psychische Erkrankungen.

Screening in gynäkologischen und pädiatrischen Praxen mittels Praxis-App

Im Rahmen von UPlusE werden Schwangere und junge Eltern bis zur U6-Untersuchung des Kindes von ihrer Gynäkologin bzw. ihrem Gynäkologen oder ihrer Kinder- und Jugendärztin bzw. ihrem Kinder- und Jugendarzt im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen mittels einer Praxis-App regelmäßig zu ihrem psychischen Befinden und möglichen Belastungen befragt. Ergeben sich aus dem Screening Hinweise auf eine mögliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit, werden Kontaktdaten für eine Beratung oder Behandlung psychischer Erkrankungen vermittelt. Bei Bedarf unterstützen die Praxisteams die Studienteilnehmenden bei der Kontaktaufnahme. „Mit dem Screening sollen langwierige und schwere Krankheitsverläufe vermieden und die daraus resultierenden psychischen Belastungen für die betroffenen Familien reduziert werden. Das trägt zu einer gesunden Entwicklung des Kindes bei“, sagt die Psychologische Psychotherapeutin Freya Lanczik, die gemeinsam mit Andrea Gehrmann die Studie am UKW koordiniert.

Bundesweit werden 10.000 Mütter und Väter im Rahmen von UPlusE rekrutiert

Insgesamt sollen bis Mitte 2026 bundesweit 10.000 Mütter und Väter rekrutiert werden. Das Projekt wird mit 4,6 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (g-BA) gefördert. Ziel der Studie ist es, das Screening auf peripartale psychische Störungen in gynäkologischen und pädiatrischen Praxen künftig in die gesetzlichen Leistungen der Krankenkassen aufzunehmen.

Weitere Informationen erhalten Sie auf der Website https://upluse.de/ und beim Würzburger UPlusE-Studienteam M.Sc. Freya Lanczik und Dr. Andrea Gehrmann (Spezialambulanz für Peripartale Psychische Erkrankungen) über die E-Mail-Adresse: Lanczik_F@ ukw.de
 

Porträt von Freya Lancik und Andrea Gehrmann
Freya Lanczik (links) und Andrea Gehrmann koordinieren die Studie UPlusE am Universitätsklinikum Würzburg. © UKW

Veranstaltungen des ZEP 2024

Sie möchten eine unserer vielen interessanten Veranstaltungen am ZEP besuchen?

Bereits jetzt stehen die Termine für Symposien, Talks, Tagungen und Präsentationsrunden fest. Informieren Sie sich vorab, in unserem Veranstaltungskalender als PDF zum Download.  

Große und kleine Forschende für Studien gesucht

Am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg wird in mehreren Studien untersucht, wie Menschen lernen und Entscheidungen treffen. Hierfür werden Personen zwischen acht und 30 Jahren gesucht, die an Experimenten – meist kleinen Spielen oder Rätseln am Computer oder Smartphone – teilnehmen.

Mit einem vertieften Verständnis darüber, wie Prozesse beim Lernen und Entscheidungentreffen aussehen, können Risiko- und Schutzfaktoren für die Entstehung psychischer Probleme identifiziert werden. Zukünftig könnte dies zu einer besseren Früherkennung, Diagnostik und Intervention führen – doch zuvor müssen diese Verhaltensweisen und Prozesse besser untersucht werden. Dazu führt die Arbeitsgruppe „Lernen und Motivation in der Entwicklungspsychiatrie, Psychotherapie und Prävention“ von Prof. Dr. Andrea Reiter am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg (UKW) mehrere Studien durch. Für diese werden Teilnehmende zwischen acht und 30 Jahren gesucht.

Spielerische Experimente und Knobelaufgaben

In den Studien nehmen sie an altersgerechten, spielerischen Experimenten am PC Teil, in denen zum Beispiel ein Raumschiff gesteuert werden muss. Außerdem sind Fragebögen auszufüllen und Knobelaufgaben zu lösen. Die Arbeitsgruppe führt zum einen Onlinestudien durch, an denen von zu Hause aus mitgemacht werden kann. Zum anderen gibt es Experimente in den Räumen des UKW, wodurch der Einsatz einer VR-Brille möglich ist. Bei Studien, in denen die Bildgebungsverfahren EEG oder MRT verwendet werden, können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch einen Blick auf das eigene Gehirn und die Hirnaktivität werfen. Je nach Studie sind ein oder mehrere Termine erforderlich, die zwischen einer und 2,5 Stunden lang sein können. Pro Stunde gibt es eine Aufwandsentschädigung von rund zehn Euro und meist zusätzlich Gewinne aus den Computerspielen.

Interessierte, die sich über die untenstehenden Kontaktmöglichkeiten melden, bekommen die Studien vorgestellt und können Fragen stellen. Anschließend entscheiden sie, ob sie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Teilnahme unterstützen möchten. Bei Minderjährigen muss das Einverständnis einer oder eines Sorgeberechtigten zur Kontaktaufnahme und Teilnahme vorliegen.

Kontakt:

E-Mail: kj_science@ ukw.de

Online-Formular: https://kjppp-onlineresearch.ukw.de/AGReiter/kontaktformular/probandenpool.html

 

Kann die Angst vor Spinnen aus dem Gedächtnis entfernt werden?

Universitätsmedizin Würzburg sucht für eine neue von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie Personen, die unter Angst vor Spinnen, auch als Arachnophobie bekannt, leiden.

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW

Würzburg. In der psychologischen Forschung* konnte gezeigt werden, dass Gedächtnisinhalte nach dem Aufruf wieder aktiv abgespeichert werden müssen und dass dieser Prozess gestört werden kann. „Somit besteht die Möglichkeit, emotionale Gedächtnisinhalte langfristig aus dem Gedächtnis zu entfernen“, schlussfolgert Prof. Dr. Martin Herrmann, leitender Psychologe am Zentrum für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). „Im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojekts versuchen wir nun dieses Prinzip auf die Angst vor Spinnen zu übertragen.“ 

Mit Transkranieller Magnetstimulation Arachnophobie löschen 

Dabei werde das Angstgedächtnis zunächst kurz aktiviert, um dann mit dem Verfahren der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS), eine nicht-invasive, nebenwirkungsarme Form der Hirnstimulation, die Wiederabspeicherung zu unterbrechen. 
Personen, die unter Angst vor Spinnen leiden, sind herzlich willkommen, an unserem Forschungsprojekt teilzunehmen.

Aufwand: Ein Telefonat und drei Termine vor Ort 

Der Zeitaufwand beträgt etwa vier Stunden, verteilt auf ein Telefongespräch und drei Termine vor Ort in einem Gesamtzeitraum von etwa vier Monaten. Alle Termine werden in persönlicher Absprache mit den Studienteilnehmenden vereinbart. Die Teilnahme an der Studie ist kostenlos und anonym.
Bei Interesse melden Sie sich gerne unverbindlich bei unserem Studienteam per Mail an: Spider_VR@ ukw.de

Über die Spinnenphobie 

Die Angst vor Spinnen zählt zu den häufigsten spezifischen Phobien. Die irrationale Angst vor den achtbeinigen Tieren, die mit Schweißausbrüchen, Herzrasen, Zittern oder sogar Atemnot einhergehen kann, lässt sich trotz des Wissens, dass eigentlich keine Gefahr droht, nicht vertreiben. Allein das Wort Spinne kann Stressreaktionen auslösen. Mehrheitlich sind Frauen von einer Spinnenphobie betroffen, die im Fachjargon als Arachnophobie bezeichnet wird. Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW werden symptomorientierte Therapien entwickelt, die mit innovativen Methoden die bewährten Expositionstherapien bei Angst vor Spinnen, aber auch bei Höhenangst, erweitern und ihre Wirksamkeit verbessern. 

Spider VR - Expositionstherapie in virtueller Realität 

In einem vorhergehenden Forschungsprojekt namens Spider VR hat das Uniklinikum Würzburg gemeinsam mit dem Uniklinikum Münster eine Expositionstherapie in virtueller Realität (VR) untersucht. Insgesamt wurden 174 Personen mit Angst vor Spinnen in einer virtuellen Welt mit den angstauslösenden Tieren konfrontiert. Ziel der Studie war es, die grundsätzlich aussagekräftigen Charaktereigenschaften, Umstände oder Merkmale einer Person – die Prädiktoren – für eine erfolgreiche Expositionstherapie aus der Vielzahl möglicher Variablen herauszuarbeiten. Betroffene, die aufgrund der Erkenntnisse auf die alleinige Standardtherapie vermutlich nicht optimal ansprechen, könnten so zukünftig von Beginn ihrer Therapie an ergänzende Therapieangebote erhalten., haben sich zahlreiche Publikationen ergeben. Die wichtigsten Ergebnisse des im Rahmen des Sonderforschungsbereich Furcht, Angst, Angsterkrankungen (SFB Transregio 58) geförderten Projekts wurden im Journal of Anxiety Disorders veröffentlicht. 


*Das DFG-Projekt baut auf zwei Studien auf. In den Fachzeitschriften Current Biology und iScience beschrieben Sara Borgomaneri et al und Sizhen Su et al, wie eine gezielte Theta-Burst-Stimulation die Rekonsolidierung des Angstgedächtnisses stört und die Rückkehr der Angst verhindert.

Wuerzburg Web Week 2023 - VR in der Psychotherapie

Am Montag, 20. November von 16:00 bis 17:00 Uhr, demonstriert Martin Herrmann in einer Online-Veranstaltung, wie VR zunehmend als effektives Therapiewerkzeug in der Psychotherapie zur Behandlung von Angsterkrankungen eingesetzt wird. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Zoom-Link ist hier hinterlegt.
 

Spinne Aragog im Terrarium des Zentrums für Psychische Gesundheit in Würzburg
Im Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW wird untersucht, wie sich eine übermäßige Angst vor Spinnen therapieren lässt. © Martin Herrmann, UKW

Duale Lotsenstruktur zeigt Erfolg bei unklarer Diagnose

Eine vom Uniklinikum Würzburg (UKW) geleitete multizentrische Studie zeigt, dass die Einbeziehung einer Fachärztin beziehungsweise eines Facharztes aus dem Bereich Psychiatrie oder Psychosomatik in den Beurteilungsprozess von Personen mit Verdacht auf eine Seltene Erkrankung die Diagnosefindung verbessert und beschleunigt, mehr Patientinnen und Patienten in die Regelversorgung überführt werden können, und die Zufriedenheit bei einer dualen Betreuung steigt.

Ärztinnen und Ärzte aus dem ZESE und dem Zentrum für Psychische Gesundheit an einem Tisch.
Interdisziplinäre Diagnostik im ZESE: Prof. Dr. Helge Hebestreit (zweiter von links) hat in einer multizentrischen Studie gezeigt, dass es bei der Beurteilung einer Seltenen Erkrankung förderlich ist, eine Expertin oder Experten für psychische Gesundheit in sämtliche Aspekte der Diagnostik einzubeziehen – von der Bewertung der Krankenakten über Klinikbesuche, telemedizinische Versorgung bis hin zu Fallkonferenzen. © Kirstin Linkamp / UKW

Weltweit sind schätzungsweise 300 Millionen Menschen von einer der rund 7.000 bis 10.000 Seltenen Erkrankungen betroffen. Aufgrund der unspezifischen Symptome und Auswirkungen auf mehrere Organsysteme gleicht der Weg bis zur Diagnose oft einer strapaziösen und frustrierenden Odyssee. Die Psyche leidet zusätzlich, bisweilen sind psychische Erkrankungen auch (mit-)ursächlich für die komplexe Symptomatik, was wiederum eine schlüssige Diagnose und angemessene Behandlung verzögert. Prof. Dr. Helge Hebestreit, Direktor des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) am Uniklinikum Würzburg (UKW), hat nun zusammen mit einem interdisziplinären Expertenteam in der multizentrischen Kohortenstudie „ZSE-Duo“ gezeigt, dass die Einbeziehung einer Expertin oder eines Experten für psychische Gesundheit den gesamten diagnostischen Prozess verbessern kann. Das Projekt wurde durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Deutschland gefördert.

Tandem aus somatischer und psychischer Gesundheit 

Für die im EClinicalMedical publizierte Studie wurden an elf deutschen Zentren für Seltene Erkrankungen jeweils knapp 700 überwiegend erwachsene* Patientinnen und Patienten, die sich mit einer unklaren Diagnose an die Einrichtung gewandt hatten, der Standardversorgung oder einer innovativen Versorgung zugeteilt. Die innovative Versorgung umfasste die kombinierte Betreuung durch eine Fachärztin beziehungsweise einen Facharzt aus dem Bereich Psychiatrie oder Psychosomatik. Das heißt, die Expertin oder der Experte für Psychische Gesundheit wurde in sämtliche Aspekte der Diagnostik – von der Bewertung der Krankenakten über Klinikbesuche, telemedizinische Versorgung bis hin zu Fallkonferenzen – einbezogen. 

Anteil der Diagnosen mehr als doppelt so hoch bei dualer Versorgung

Ergebnis: Der Anteil der Jugendlichen und Erwachsenen, bei denen innerhalb von zwölf Monaten nach dem ersten Besuch eine schlüssige Diagnose gestellt wurde, oder eine Kombination von Diagnosen, die das gesamte vorgestellte Symptomspektrum erklären, war beim innovativen dualen Ansatz mit 42 Prozent (N = 286 von 686) mehr als doppelt so hoch im Vergleich zur Standardversorgung (19 Prozent, N = 131 von 672). Im Schnitt wurde in der innovativen Versorgung die Zeit bis zur Diagnose um einen Monat verkürzt, und die Zahl der erfolgreich an die reguläre Versorgung überwiesenen Personen verdoppelte sich, von 12,3 Prozent in der Standard-Kohorte auf 27,5 Prozent in der innovativen Versorgung. Die duale Betreuung hatte zwar keinen Einfluss auf die Lebensqualität, doch die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten war hier deutlich höher als in der bislang üblichen Versorgung. „Das hat uns überrascht. Denn unsere große Sorge war, dass wir die Patientinnen und Patienten mit der zusätzlichen psychiatrisch-psychosomatischen Betreuung, die ja für die Betroffenen durch zusätzliche Termine einen Mehraufwand bedeutet, belasten. Doch die Patientinnen und Patienten in der dualen Betreuung waren zufriedener als diejenigen, die standardmäßig betreut wurden.“ Und es gab noch eine Sorge vor Studienbeginn, die nicht bestätigt wurde: Dass nun manche Seltene Erkrankungen übersehen und auf die psychische Schiene geschoben werden. 

Tatsächlich wurde bei je 30 Prozent der untersuchten Personen im dualen Ansatz eine psychische Erkrankung diagnostiziert und eine Seltene Erkrankung mit hoher Sicherheit ausgeschlossen. Doch Helge Hebestreit betont, dass mit dem dualen Ansatz mindestens genauso viele Seltene Erkrankungen gefunden wurden wie in der Standard-Betreuung. 

Psychische (Ko-)Morbidität bei Menschen mit komplexer Symptomatik und unklarer Diagnose

„Unsere Patientinnen und Patienten haben in der Regel nicht die EINE Erkrankung, sondern ihr Leiden setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen, für die wir verschiedene Behandlungsansätze benötigen“, erklärt Helge Hebestreit. Prof. Dr. Jürgen Deckert, Sprecher des Zentrums für Psychische Gesundheit am UKW fügt hinzu: „Die komplexe Symptomatik von Personen, die sich zur diagnostischen Abklärung in ein Zentrum für Seltene Erkrankungen begeben, umfasst häufig psychische Symptome bis hin zu psychischen Erkrankungen. Manchmal entwickeln sich die Symptome erst im Laufe der langwierigen Diagnostik, manchmal treten sie unabhängig von der Seltenen Erkrankung auf oder ahmen diese sogar nach. Schließlich kann eine Seltene Erkrankung als psychische Erkrankung fehldiagnostiziert werden. Umso wichtiger ist es, eine Expertin oder Experten für psychische Gesundheit frühzeitig in den interdisziplinären diagnostischen Prozess mit einzubeziehen.“ 

Gemeinsamer Einsatz für die Aufnahme der dualen Betreuung in die Regelversorgung 

Die Ergebnisse der Studie seien den Autoren zufolge eindeutig und legen nahe, dass die Einbeziehung einer Spezialistin oder eines Spezialisten für psychische Gesundheit ein integraler Bestandteil der Beurteilung von Personen mit einer vermuteten Seltenen Krankheit sein sollte.

Gemeinsam mit dem Dachverband ACHSE Allianz für Chronische Seltene Erkrankungen e.V., der mehr als 130 einzelne Patientenorganisationen vertritt und maßgeblich an der Planung und Durchführung der Studie beteiligt war, setzt sich das Konsortium unter der Leitung von Helge Hebestreit nun für die Aufnahme der dualen Lotsenstruktur in die Regelversorgung ein. Für den Übergang können Krankenkassen sogenannte Selektivverträge abschließen. 

*Von den 1.379 Patientinnen und Patienten waren 67 noch nicht volljährig.

Publikation: 

Helge Hebestreit et al, Effect of the addition of a mental health specialist for evaluation of undiagnosed patients in centres for rare diseases (ZSE-DUO): a prospective, controlled trial with a two-phase cohort design, eClinicalMedicine, Volume 65, 2023, https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2023.102260.

Beteiligte Einrichtungen: 

Für die Studie wurden Patientinnen und Patienten in den Zentren für Seltene Erkrankungen an den (Universitäts-)Klinika in Aachen, Bochum, Frankfurt/Main, Hannover, Magdeburg/Halle, Mainz, Münster, Regensburg, Tübingen, Ulm und Würzburg rekrutiert. An der Datenanalyse waren Einrichtungen des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Medizinische Hochschule Hannover und der Universität Würzburg beteiligt. 

Weitere Konsortialpartner waren ACHSE e.V., sowie die Techniker Krankenkasse und IKK gesund plus. Die AOK Hessen war als Kooperationspartner dabei. 

Die Studie wurde durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses in Deutschland finanziert, Förderkennzeichen 01NVF17031.

Hier geht es zur Studienwebseite.


Kontakt: Prof. Dr. Helge Hebestreit: zese@ukw.de, Telefon: +49 931 201-29029 
 

Ärztinnen und Ärzte aus dem ZESE und dem Zentrum für Psychische Gesundheit an einem Tisch.
Interdisziplinäre Diagnostik im ZESE: Prof. Dr. Helge Hebestreit (zweiter von links) hat in einer multizentrischen Studie gezeigt, dass es bei der Beurteilung einer Seltenen Erkrankung förderlich ist, eine Expertin oder Experten für psychische Gesundheit in sämtliche Aspekte der Diagnostik einzubeziehen – von der Bewertung der Krankenakten über Klinikbesuche, telemedizinische Versorgung bis hin zu Fallkonferenzen. © Kirstin Linkamp / UKW

Deutschlandweites Telemedizin Netzwerk gestartet

Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) legt Grundlagen für ein standardisiertes Universitäres Telemedizinnetzwerk (UTN) als Forschungsinfrastruktur an allen deutschen Universitätskliniken. Bisher fehlt ein einheitlicher Telemedizin-Standard an Universitätskliniken.

Während der COVID-19 Pandemie war Telemedizin oft die einzige Methode mit Patienten in Kontakt zu bleiben. So konnten viele Patienten, die den Weg zum Arzt wegen der Ansteckungsgefahr vermeiden wollten, weiterhin versorgt werden. Auch hoch versorgungsrelevante Forschung konnte wegen der Kontaktbeschränkungen nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden und wurde - wo es möglich war - telemedizinisch fortgeführt. Allerdings war schnell klar, dass die Voraussetzungen für eine flächendeckende und standardisierte telemedizinische Studien-Versorgung noch nicht ideal waren.

Das Universitäre Telemedizin Netzwerk schafft Standards in der Telemedizin

Das NUM-Projekt Universitäres Telemedizin Netzwerk (UTN) unter Beteiligung des Universitätsklinikums Würzburg ist offiziell gestartet. Das Hauptziel des UTN-Projekts ist es, Grundlagen für eine nationale standardisierte elektronische Datenerfassung mittels Telemedizin für die universitäre Forschung zu legen und infrastrukturell dauerhaft zu unterstützen. Dabei sollen Standards für bestehende telemedizinische Strukturen der deutschen Universitätskliniken formuliert werden. Ziel der Projektbeteiligen ist es, die bereits bestehenden heterogenen telemedizinischen Strukturen an deutschen Universitätskliniken zu vereinheitlichen und eine einfache und kostengünstige Nutzung an allen Universitätskliniken zu ermöglichen. Durch einen gemeinsamen Standard und regelmäßige Updates will UTN einen breiten telemedizinischen Studien-Support für Kliniker und Wissenschaftler erreichen.

Erste Erprobung anhand eines konkreten Anwendungsbeispiels

Im Use Case des Projekts soll die Erfassung von Langzeitfolgen von COVID-19 und deren Risikofaktoren erfolgen, insbesondere bei Patientinnen und Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus. Hierbei wird UTN zudem die Anwendung von Telemedizin durch die Beobachtung von Patientengruppen analysieren und zielt darauf ab, eine langfristige telemedizinische Infrastruktur aufzubauen.

UTN ist Teil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM)

Das Universitäre Telemedizinnetzwerk (UTN) wird nahtlos in das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) und die Medizininformatik-Initiative (MII) eingebettet, um die Basis für eine gemeinsame, interoperable, standardisierte und sichere telemedizinische Infrastruktur zu schaffen. Dabei werden die NUM-Standorte als zentrale Anlaufstellen dienen. 

Das Netzwerk Universitätsmedizin hat das Ziel, die Maßnahmenpläne, Diagnose- und Behandlungsstrategien aller deutschen Universitätskliniken für (Long) COVID-19-Patienten zu bündeln und zu analysieren. Das Programm konzentriert sich auf schnelle Unterstützung und betont die Bedeutung der kliniknahen Forschung, die unmittelbar in die Versorgung einfließt. Es strebt auch nachhaltige Strukturen an, die über das Projekt hinaus bestehen bleiben und die Reaktionsfähigkeit auf zukünftige Krisen verbessern sollen.

Konsortialpartner mit großer Expertise in Telemedizin 

Die Gesamtleitung des Projekts liegt in den Händen des Sprecherduos Prof. Dr. Anja Schneider und Prof. Dr. Gernot Marx. Am Standort Aachen werden sie dabei durch Frau Prof. Dr. Carina Benstöm unterstützt. Sie wird die Projektsteuerung und Koordination übernehmen, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Am Universitätsklinikum Würzburg sind die Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (Prof. Dr. Patrick Meybohm, Prof. Dr. Peter Kranke, Priv.-Doz. Dr. Stephanie Weibel, Tamara Pscheidl, Prof. Dr. Heike Rittner), das Zentrum für Seltene Erkrankungen (Prof. Dr. Helge Hebestreit, Paula Wessels) sowie die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (Prof. Dr. Jürgen Deckert) in mehreren Arbeitspaketen dieses NUM-Projektes zum Teil in Leitungsfunktionen vertreten. Im UTN haben sich international renommierte Top-Experten aus Wissenschaftlern und Klinikern zusammengefunden. Gerade dieser interdisziplinäre Ansatz, der sich bereits in anderen Projekten des NUMs als sehr erfolgreich herausgestellt hat, wird zum Gelingen des Projekts beitragen, betonen Anja Schneider und Gernot Marx.


Das Verbundprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 3.8 Mio. Euro gefördert.

 
 

Kontakt, Öffnungszeiten, Sprechzeiten

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Poliklinik
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E-Mail: ep_poli@ ukw.de 

Stationäre Behandlung 
Telefon: +49 931 201-76050
E-Mail: ep_poli@ ukw.de 

Direktion

Prof. Dr. med. Jürgen Deckert

Sekretariat
Telefon: +49 931 201-77010
Fax: : +49 931 201-77020
E-Mail: ps_sekr@ ukw.de


Anschrift

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums | Margarete-Höppel-Platz 1 | 97080 Würzburg