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Vom Schmierzettel im Würzburger Steakhaus zur Millionenförderung

Nicolas Schlegel über den neuen Sonderforschungsbereich, der aufdecken will, wie Desmosomen wichtige Epithelfunktionen sowohl bei Gesundheit als auch bei Krankheit regulieren / Würzburger Fokus liegt auf entzündlichen Darmerkrankungen

Porträt von Nicolas Schlegel im weißen Kittel mit verschränkten Armen im Flur des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg und Standortsprecher des SFB/Transregio DEFINE © Ulrich Bender
Collage mit 37 Porträts der Personen, die im SFB/TRR forschen, in der Mitte sind die drei Standortsprecher etwas größer abgebildet.
Der neue SFB/Transregio DEFINE ist eine Kooperation der Universitäten Marburg, LMU München und Würzburg und wird geleitet von Nicolas Schlegel, Michael Hertl und Jens Waschke (größere Porträts in der Mitte von links nach rechts). © SFB/TRR DEFINE
Im Zentrum von DEFINE stehen Erkrankungen, die mit einer Fehlfunktion von Desmosomen in Verbindung stehen. Links sind die blasenbildende Hauterkrankung Pemphigus (oben) und die entzündete Schleimhaut bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (unten) zu sehen. Diese Erkrankungen dienen als Modell, um die Funktionen des Desmosoms in den verschiedenen Geweben zu verstehen. Desmosomen sind generell für die Zell-Zell-Adhäsion, die Barriere-Regulation, die Interaktion mit dem Immunsystem und die Regeneration von Geweben von Bedeutung. Das Fernziel besteht darin, neue Zielstrukturen zur spezifischen Stabilisierung der epithelialen Integrität als neue Therapieansätze zu identifizieren. Das Schema in der Mitte zeigt, wie die Membranproteine Desmoglein und Desmocollin, die hier wie grüne und dunkelrote „Perlenketten“ dargestellt sind, die Zellen außen zusammenhalten. Die in hell- und dunkelgrün abgebildeten „Kügelchen“ stellen die Plakoglobin- und Plakophilin-Koppelung im Innern der Zelle dar. Das blau gefärbte Desmoplakin verankert den Komplex schließlich an den dunkelblau abgebildeten Filamenten des Zellskeletts. © SFB/TRR DEFINE

Die Universitätsmedizin Würzburg darf sich gemeinsam mit der Universität Marburg und der LMU München über die Bewilligung des neuen Sonderforschungsgereich Transregio „Desmosomal dysfunction in epithelial barriers” (DEFINE) freuen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert den SFB TRR von 2026 bis 2029 mit voraussichtlich rund 14 Millionen Euro. Im Mittelpunkt stehen Desmosomen. Diese Proteinstrukturen vernetzen Zellen an den Grenzflächen des Körpers miteinander und tragen so zur Bildung von Barrieren im Körper bei. Funktionierende Barrieren in der Haut und im Darm sind lebenswichtig, sodass bei deren Fehlfunktionen schwerwiegende Erkrankungen wie die lebensgefährliche Autoimmunkrankheit der Haut Pemphigus vulgaris, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sowie Entzündungen der Speiseröhre (eosinophile Ösophagitis) entstehen. Die Forschenden haben mit dem SFB nun die Möglichkeit, das noch sehr begrenzte Wissen über die Regulation von Epithelbarrieren bei Gesundheit und Krankheit deutlich zu erweitern und neuartige therapeutische Strategien gegen die drei genannten Krankheiten zu entwickeln.

Ein Interview mit dem Standortsprecher in Würzburg, Professor Nicolas Schlegel, Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Viszeralchirurgie und Sektionsleiter Endokrine Chirurgie an der Klinik für Chirurgie I des Universitätsklinikums.

Herr Schlegel, herzlichen Glückwunsch zum neuen SFB/TRR DEFINE. Beteiligt sind die Universitätsstandorte Marburg, München und Würzburg. Wer hatte denn die Idee zu diesem Verbundprojekt? 

Die Idee kam um die Weihnachtszeit 2021 in einem Steak-Restaurant in Würzburg, als ich mich mit Jens Waschke zu unserem regelmäßigen Austausch traf. Jens hatte in Würzburg den Lehrstuhl für Anatomie und Zellbiologie inne, bevor er 2011 den Ruf der LMU München auf den Lehrstuhl für vegetative Anatomie annahm. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen und hatten ein Projekt im von der DFG geförderten Schwerpunktprogramm SPP 1782. Dabei hatten wir uns bereits eingehend damit beschäftigt, wie Zellen in Geweben über Desmosomen miteinander kommunizieren und auf Belastungen reagieren und wie Veränderungen dieser Desmosomen die Stabilität und Barrierefunktion des Gewebes beeinflussen. Wir überlegten, wie wir unsere Forschung nach dem Auslaufen des Programms fortsetzen und einen Schritt weiterkommen könnten.

Und da dachten Sie sich, wenn es jemals einen Sonderforschungsbereich zu diesem Thema geben kann, dann jetzt. Wie kam Michael Hertl, Direktor der Hautklinik des Universitätsklinikums Gießen und Marburg dazu?

Jens Waschke und Michael Hertl leiteten gemeinsam die DFG-Forschungsgruppe Pegasus, in dem sie das Krankheitsbild Pemphigus vulgaris untersuchten. Dabei handelt es sich um eine seltene, potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung von Haut und Schleimhäuten. Bei ihrer Entstehung spielen Desmosomen in der Haut eine entscheidende Rolle. Diese werden nämlich fälschlicherweise von Antikörpern der eigenen Immunzellen angegriffen. 

Sie konzentrieren sich jedoch auf die Desmosomen, die bei entzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle spielen. Sie haben maßgeblich zur Entdeckung beigetragen. Wie passt das zusammen? 

Wir fanden die Idee interessant, die Erkrankung der Haut, über die man bereits viel weiß, den Desmosomenveränderungen im Darm, über die noch nicht so viel bekannt ist, gegenüberzustellen. Was ist im Darm anders als in der Haut? Gibt es gemeinsame Nenner? Was sind gewebespezifische und was sind allgemeine Eigenschaften? Noch im Steakhaus haben wir einen Schmierzettel erstellt, Arbeitsgruppenleiter überlegt und die Idee an Michael Hertl herangetragen. Der war sofort Feuer und Flamme.

Wie ging es mit dem Projektantrag weiter – von der Idee bis zur Umsetzung? 

Wir lernten uns kennen, erstellten ein Konzept und luden im Juli 2022 alle potenziellen Projektleiter zu einem zweitägigen Treffen ein. Im Herbst reichten wir die erste Skizze ein. Nach der Begutachtung fand im Juli 2023 das erste Beratungsgespräch statt, in dem wir positives Feedback zur wissenschaftlichen Fragestellung erhielten. Wir mussten jedoch noch einige strukturelle Aspekte nachschärfen, zum Beispiel die Nachwuchsförderung, sowie wissenschaftliche Details zur Qualitätssicherung. Im Herbst 2023 gaben wir die überarbeitete Skizze ab. Im Juli 2024 fand das zweite Beratungsgespräch statt, bei dem die Gutachter uns mit einem sehr positiven Feedback bedachten. Nachdem unser Projekt im November 2024 durch den Senat gegangen war, wurden wir zur Einreichung des Vollantrags aufgefordert. Das heißt, wir hatten bis Juni 2025 Zeit, einen 400 Seiten starken Projektantrag zu erstellen und einzureichen. Im September 2025 erfolgte in Marburg zunächst die Begutachtung des allgemeinen Konzepts, dann der Zentralprojekte und schließlich der Einzelprojekte. Das war mit großer Anspannung und extrem viel Vorbereitung verbunden. Aber wir sind sehr gut bewertet worden. Im November kam schließlich und zur großen Freude die offizielle Bewilligung durch die DFG.

Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass dieser SFB derzeit der einzige in Deutschland ist, der maßgeblich unter chirurgischer Federführung entstand. 

Das Besondere ist, dass wir nicht nur ein solches grundlagenwissenschaftliches Projekt zu diesem speziellen Thema unter chirurgischer Federführung entwickelt haben, sondern dass auch sechs Projektleiter aus der Würzburger Chirurgie involviert sind. Sie sind alle in der Klinik aktiv und arbeiten als Clinician Scientists.

Die Interdisziplinarität des Projekts wurde besonders betont und gelobt. Es wurden viele unterschiedliche Fächer zusammengebracht. Welche Disziplinen sind denn konkret involviert? 

Das ist es, was aus unserer Sicht den SFB ausmacht. Wir haben Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Fächern zusammengebracht, die sonst nicht so eng miteinander arbeiten. Neben der Chirurgie und Dermatologie sind beispielsweise auch die Pädiatrie, Gastroenterologie und Kardiologie vertreten. Die klinische Expertise wird durch Zellbiologie und Immunologie ergänzt. Auch Biophysiker sind dabei, die uns dabei helfen, grundlegende Aspekte von Epithelzellen zu verstehen. Unser Ziel ist es, diese Riesenbrücke vom Einzelmolekül in die Klinik zu schlagen. Das ist unsere Perspektive für die nächsten zwölf Jahre.

Der SFB kann maximal zweimal um jeweils vier Jahre verlängert werden. Bei jeder Verlängerung soll die Projektleitung wechseln. Sind damit alle drei Standorte gleichberechtigt?

Ja, wir verstehen uns als Team und arbeiten auf Augenhöhe. Die Leitung haben wir nach Alter bestimmt. Michael ist der älteste von uns drei Sprechern und hat deshalb in der ersten Förderperiode den Lead. In der zweiten Phase, die hoffentlich gefördert wird, soll Jens Waschke als Zweitältester die Leitung übernehmen. Ich als Jüngster würde dann in der dritten Periode den Lead haben.

Kommen wir nun zum Würzburger Schwerpunkt, den chronischen Darmentzündungen. Welche klinischen Symptome haben die Betroffenen?

Die Patienten haben schwere Durchfälle, bis zu zehn am Tag, die teilweise blutig sein können. Sie leiden unter Bauchkrämpfen und Gewichtsabnahme, betroffene Kinder zudem unter Gedeihstörungen. Eine langjährige Entzündung kann sich zudem zu Darmkrebs entwickeln. Von der Krankheit sind etwa 10 bis 15 von 100.000 Personen betroffen, wobei chronische Darmentzündungen vor allem in der westlichen Welt stetig zunehmen. Man geht davon aus, dass das Epithel durch Umweltfaktoren und den westlichen Lebensstil, insbesondere das Ernährungsverhalten und die damit einhergehenden Veränderungen des Darmmikrobioms, beeinflusst wird.

Laien stellen sich vor, dass ein Viszeralchirurg den entzündeten Abschnitt des Darms entfernt. Im Projekt geht es jedoch nicht nur um die chirurgische Therapie. Worum geht es konkret?

Eine Störung der Darmepithelbarriere ist ein zentraler Grund dafür, dass Patienten überhaupt erst krank werden. Dies ist ein Problem, das wir bisher nicht therapeutisch adressieren können. Wir können zwar den entzündeten Darmabschnitt herausoperieren und Medikamente geben, die das Immunsystem unterdrücken. Diese Medikamente wirken jedoch nur bei 50 bis 60 Prozent der Betroffenen und haben darüber hinaus starke Nebenwirkungen. Wenn wir aber in der Lage sind, das Darmepithel über das Verständnis der Funktion von Desmosomen und allem, was damit zusammenhängt, zu stabilisieren und die Entzündung einzudämmen, könnten wir diese möglicherweise durch eine zusätzliche Therapie in den Griff bekommen.

Kurz zur Begriffserklärung. Was ist die Darmepithelbarriere?

Die Darmepithelbarriere ist eine Zellschicht, die die Innenseite des Darms auskleidet. Sie verhindert, dass die zahlreichen Bakterien, die normalerweise im Darm leben, in den Körper gelangen. Dieser Vorgang wird als Translokation bezeichnet. Verändert sich die Darmflora oder gewinnen krankheitserregende Keime überhand, kann es zu einer Störung des Darmepithels kommen. Dies kann wiederum dazu führen, dass solche Translokationen stattfinden und schwerwiegende Entzündungen im Darm ausgelöst werden. Die Dichtigkeit des Darmepithels ist also von entscheidender Bedeutung. Sie wird durch zwei Komponenten gewährleistet: die Epithelzelle selbst und die Zell-Zell-Kontakte. Und daran arbeiten wir.

Welche Rolle spielen hier die Desmosomen? 

Die Desmosomen gehören zu den Verbindungen, mit denen sich die Epithelzellen gegenseitig festhalten und somit für eine gewisse Stabilität sorgen. Daneben gibt es noch die Tight Junctions, die vor allem dafür zuständig sind, den schmalen Raum zwischen den Zellen abzudichten, sodass nichts hindurchgelangen kann. 

Den Desmosomen schrieb man viele Jahre lang eine Art Kleberfunktion zu. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass sie neben dieser Funktion viele Prozesse im Epithel regulieren und die Regeneration des Darmepithels sowie die Differenzierung von Zellen beeinflussen. Sie ermöglichen überhaupt erst, dass Tight Junctions das Darmepithel abdichten.

Die Desmosomen scheinen also eine Art Schlüsselfunktion für die Aufrechterhaltung der Darmbarriere zu haben. 

Richtig. Wenn wir diese Schlüsselfunktion genau verstehen, können wir hoffentlich spezifische Therapien entwickeln, die die Darmepithelbarriere stabilisieren. Bislang wissen wir, dass dies über Transmembranproteine, die sogenannten Desmogleine, calciumabhängig im Zwischenzellraum geschieht. Diese Proteine greifen wie kleine Ärmchen zwischen den Zellmembranen ineinander und verbinden die Zellen. Innen in der Zelle sind diese Verbindungen an Plaque-Proteine gekoppelt. Diese leiten einerseits Signale weiter und koppeln andererseits die Verbindung an das innere Zellskelett, wodurch die Zelle besonders stabil wird und das Gewebe widerstandsfähig ist. 

Bei Entzündungen sind diese Desmosomen wesentlich herunterreguliert. Wir wollen herausfinden, aus welchen Gründen sie verschwinden und welchen Krankheitswert es tatsächlich hat, wenn Desmosomen nicht mehr vorhanden sind. Unsere Ergebnisse können wir dann gegebenenfalls auch auf andere Erkrankungen übertragen, bei denen Desmosomen eine Rolle spielen. 

Können Sie Beispiel nennen, wie und mit wem sie das herausfinden wollen? 

Unsere Projektleiter haben sich auf verschiedene Untereinheiten dieser Desmosomen fokussiert und untersuchen zellbiologische Aspekte mit verschiedenen Modellen - an Organoiden, Tiermodellen und Knock-out-Modellen. Mit Benjamin Misselwitz aus München haben wir beispielsweise einen weiteren Darmexperten an Bord. Er ist Professor für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in der Gastroenterologie und unter anderem in einem Zentralprojekt dafür zuständig, Proben aus Patientenmaterial für uns untersuchbar zu machen. Im Gegenzug bringt zum Beispiel Professor Goebeler, Direktor der Würzburger Hautklinik, seine dermatologische Expertise ein. 

Was bedeutet der SFB speziell für Würzburg – abgesehen von den Fördergeldern? 

Für mich geht es nicht nur um Gelder, sondern auch um Strukturen. Wir haben hier in Würzburg einen sehr starken immunologischen Schwerpunkt. Zur Immunologie gehört nicht nur das Immunsystem, sondern auch die Barrieren, die der Körper physiologisch aufrechterhalten muss. Diese müssen wir verstehen, adressieren und in den Kontext setzen. Warum entstehen entzündliche Erkrankungen? Wie beeinflussen sie Tumorerkrankungen, die ja auch hier am Standort intensiv untersucht werden? Unser SFB geht and dieser Stelle noch mehr in die Grundlagenwissenschaft und kann eine wichtige Lücke am Standort schließen.

Sie hatten bereits die Nachwuchsförderung angesprochen. Ein Teil des Zentralprojekts, das sich speziell mit diesem Thema beschäftigt, ist in Würzburg angesiedelt. Die Sprecherin ist Stefanie Hahner. Als langjährige Prodekanin der Medizinischen Fakultät kümmert sich die stellvertretende Leiterin der Endokrinologie um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. 

Die Nachwuchsförderung in Würzburg ist bereits sehr stark und wird durch den SFB sowie die sogenannte „Integrated Research Training Group“ (IRTG) weiter ausgebaut. Dieses Programm ist mir persönlich sehr wichtig. Denn hier bringen wir Mediziner und Naturwissenschaftler bereits auf der frühesten Karrierestufe zusammen. Eine frühe Verbindung der verschiedenen Sichtweisen – Klinik und Naturwissenschaften – kann sehr erfolgreich sein, wurde im Alltag jedoch lange vernachlässigt. 

Die Grundlagenforscher haben oft tolle Tools, ihnen fehlt jedoch der direkte Link in die Klinik und umgekehrt. Das wollen wir mit einer frühen Verknüpfung untereinander ändern. Die IRTG ist aber auch an den anderen Standorten mit aktiven Leitern vertreten, so dass über alle 3 Standorte hinweg die gleichen Ideen gelebt werden. 

Das Interview führte Kirstin Linkamp von der Wissenschaftskommunikation am UKW. 

Porträt von Nicolas Schlegel im weißen Kittel mit verschränkten Armen im Flur des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg und Standortsprecher des SFB/Transregio DEFINE © Ulrich Bender
Collage mit 37 Porträts der Personen, die im SFB/TRR forschen, in der Mitte sind die drei Standortsprecher etwas größer abgebildet.
Der neue SFB/Transregio DEFINE ist eine Kooperation der Universitäten Marburg, LMU München und Würzburg und wird geleitet von Nicolas Schlegel, Michael Hertl und Jens Waschke (größere Porträts in der Mitte von links nach rechts). © SFB/TRR DEFINE
Im Zentrum von DEFINE stehen Erkrankungen, die mit einer Fehlfunktion von Desmosomen in Verbindung stehen. Links sind die blasenbildende Hauterkrankung Pemphigus (oben) und die entzündete Schleimhaut bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (unten) zu sehen. Diese Erkrankungen dienen als Modell, um die Funktionen des Desmosoms in den verschiedenen Geweben zu verstehen. Desmosomen sind generell für die Zell-Zell-Adhäsion, die Barriere-Regulation, die Interaktion mit dem Immunsystem und die Regeneration von Geweben von Bedeutung. Das Fernziel besteht darin, neue Zielstrukturen zur spezifischen Stabilisierung der epithelialen Integrität als neue Therapieansätze zu identifizieren. Das Schema in der Mitte zeigt, wie die Membranproteine Desmoglein und Desmocollin, die hier wie grüne und dunkelrote „Perlenketten“ dargestellt sind, die Zellen außen zusammenhalten. Die in hell- und dunkelgrün abgebildeten „Kügelchen“ stellen die Plakoglobin- und Plakophilin-Koppelung im Innern der Zelle dar. Das blau gefärbte Desmoplakin verankert den Komplex schließlich an den dunkelblau abgebildeten Filamenten des Zellskeletts. © SFB/TRR DEFINE

Neue Sonderforschungsbereiche: Erfolgsrate 100 Prozent

Großartiges Ergebnis für die Universität und das Uniklinikum: In der neuesten Runde zur Vergabe von Sonderforschungsbereichen wurden alle sechs Anträge aus Würzburg bewilligt.

Der Universität und dem Universitätsklinikum Würzburg sind zwei neue Sonderforschungsbereiche (SFB) bewilligt worden. Vier weitere SFB mit Würzburger Beteiligung haben so erfolgreich geforscht, dass sie ihre Arbeit fortführen können. Das hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) heute in einer Pressemitteilung bekannt gegeben.

Universitätspräsident Paul Pauli gratuliert allen Beteiligten: „Ich freue mich sehr über Ihren Erfolg! Herzlichen Glückwunsch und gutes Gelingen bei den exzellenten und anspruchsvollen Forschungsprojekten, die nun bald starten oder weitermachen können. Mein großer Dank geht an alle, die sich bei dem aufwändigen Vorbereiten der Anträge engagiert haben.“

Die Erfolgsrate könnte damit besser nicht sein: Alle sechs Anträge aus Würzburg wurden bewilligt. Ein neuer Sonderforschungsbereich startet in der Chemie, die anderen forschen im Bereich der Medizin.

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg: „Die Bewilligung von fünf Sonderforschungsbereichen im Bereich der Medizin ist ein herausragender Erfolg für die Universitätsmedizin Würzburg. Diese Entscheidung bestätigt unsere Strategie zur Entwicklung exzellenter Forschungsstrukturen und ist ein weiterer wichtiger Meilenstein. Ich danke allen Beteiligten, die hier mit großem Engagement mitgewirkt haben.“

Innovative und anspruchsvolle Forschungsthemen

Sonderforschungsbereiche sind langfristige Programme zur Förderung der Spitzenforschung, die von der DFG finanziell gefördert werden. Die Forschenden in SFBs arbeiten fächerübergreifend an innovativen, anspruchsvollen Fragen.

In der aktuellen Vergaberunde hat die DFG neun neue Sonderforschungsbereiche bewilligt. Sie fördert sie ab April 2026 für jeweils drei Jahre und neun Monate mit insgesamt rund 120 Millionen Euro. Der Bewilligungsausschuss stimmte außerdem für die Verlängerung von 32 SFB um je eine weitere Förderperiode. Details zu allen Sonderforschungsbereichen liefert die Pressemeldung der DFG

Im Folgenden kurze Erläuterungen der zwei neuen und die vier fortgesetzten Würzburger Sonderforschungsbereiche.

Neu: Boron as Property-Determining Element (BORONPro)

Neu eingerichtet wird an der Uni Würzburg ein Sonderforschungsbereich, der sich um das Element Bor dreht. „Molekulare Verbindungen, die Bor enthalten, bestechen durch ihr breites Anwendungspotenzial“, sagt Professor Maik Finze, der Sprecher des neuen Sonderforschungsbereichs BORONPro. Überraschenderweise liegt dieses Potenzial bisher weitgehend brach: Aktuell werden Borverbindungen meist nur als Einweg-Moleküle bei chemischen Synthesen eingesetzt, in deren Verlauf sie dann verloren gehen.

Das wollen die Forschenden des SFB ändern: Sie möchten Strategien entwickeln, mit denen sich innovative borhaltige Funktionsmaterialien herstellen lassen. Die Erfolgsaussichten dürften sehr gut sein: An keinem anderen Ort weltweit ist das Fachwissen über Bor stärker konzentriert als an der Uni Würzburg mit ihrem Institut für nachhaltige Chemie und Katalyse mit Bor (ICB) sowie ihrem Institut für Anorganische Chemie.

Borhaltige Moleküle haben derart vielfältige Eigenschaften, dass sie besonders für die Materialwissenschaft, die Medizin und die Pharmazie interessant sind. Funktionsmaterialien mit Bor als eigenschaftsbestimmendem Element kommen unter anderem für die Energietechnik und die Optoelektronik in Frage.

  • Im Rahmen von BORONPro werden Elektrolyte für Batterien und Superkondensatoren sowie Materialien für organische Leuchtdioden erforscht.
  • Ein weiteres Anwendungsfeld ist die chemische Synthese: Hier liegt ein Fokus auf der Entwicklung borbasierter Katalysatoren für die effiziente und ressourcensparende und somit nachhaltige Herstellung von Feinchemikalien.
  • Das dritte Themenfeld sind borhaltige Biomoleküle. Hier stehen potentielle Anwendungen in der medizinischen Diagnostik und beim Wirkstofftransport im Vordergrund, bei denen das Element Bor neuartige und vielversprechende Möglichkeiten bietet.

Am neuen SFB sind JMU-Arbeitsgruppen aus Chemie, Physik und Pharmazie beteiligt. Dazu kommen Teams von den Universitäten Bonn, Frankfurt/Main und Köln sowie vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung Würzburg. Die DFG fördert den neuen SFB in den Jahren 2026 bis 2029 mit voraussichtlich rund 12 Millionen Euro.

Neu: Desmosomale Dysfunktion epithelialer Barrieren (DEFINE)

Der neue SFB/Transregio ist eine Kooperation der Universitäten Marburg (Sprecheruniversität), LMU München und Würzburg. Standortsprecher in Würzburg ist Professor Nicolas Schlegel, Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Viszeralchirurgie und Sektionsleiter Endokrine Chirurgie an der Klinik für Chirurgie I des Universitätsklinikums. Die DFG fördert den SFB von 2026 bis 2029 mit voraussichtlich rund 14 Millionen Euro.

Im Mittelpunkt des SFB stehen Desmosomen. Diese Proteinstrukturen vernetzen Zellen an Grenzflächen des Körpers so miteinander, dass eine Barriere entsteht. Funktionierende Barrieren in der Haut und im Darm sind lebenswichtig, so dass bei deren Fehlfunktionen schwerwiegende Erkrankungen entstehen können. 

Die Forschenden konzentrieren sich auf drei Krankheiten: Lebensgefährlich ist die Autoimmunkrankheit Pemphigus vulgarisSie entsteht, wenn die eigenen Immunzellen fälschlicherweise Desmosomen in der Haut angreifen. Unter anderem aus Würzburg stammt die Entdeckung, dass Desmosomen auch bei entzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle spielen. Zusätzlich nehmen die Forschenden Entzündungen der Speiseröhre (eosinophile Ösophagitis) in den Blick, bei deren Entstehung Mutationen von Desmosomen beteiligt sind.

„Ich freue mich sehr und bin stolz darauf, dass unser SFB “Desmosomale Dysfunktion in Epithelien” von der DFG als einer der neu eingerichteten SFBs für eine Förderung ausgewählt wurde. Damit haben wir die Möglichkeit, das noch sehr begrenzte Wissen über die Regulation von Epithelbarrieren bei Gesundheit und Krankheit deutlich zu vergrößern und neuartige therapeutische Strategien gegen die genannten Krankheiten zu entwickeln“, sagt Standortsprecher Nicolas Schlegel.

Was diesen SFB wirklich auszeichnet, ist Nicolas Schlegel zufolge sein hochgradig interdisziplinärer Ansatz: Grundlagenforscher aus den Bereichen Zellbiologie und Immunologie werden Hand in Hand mit Klinikern aus den Bereichen Pädiatrie, Dermatologie, Innere Medizin und Viszeralchirurgie arbeiten. Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass dieser SFB der derzeit einzige in Deutschland ist, der wesentlich unter chirurgischer Federführung entstanden ist. Elf der 35 Projektleitungen sind in Würzburg angesiedelt, davon sechs aus der Viszeralchirurgie.

Fortsetzung: From the Fundamentals of Biofabrication towards Functional Tissue Models (Biofab)

Der SFB/Transregio wird gemeinsam von den Universitäten Würzburg (Sprecheruniversität), Bayreuth und Erlangen-Nürnberg getragen. Sprecher des Verbunds ist Professor Jürgen Groll, Leiter des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde am Universitätsklinikum Würzburg. 

Für die nun dritte Förderperiode (2026 bis 2029) erhält der Sonderforschungsbereich voraussichtlich rund 14 Millionen Euro von der DFG.

Im Zentrum der Arbeiten steht die Entwicklung automatisierter 3D-Druckverfahren, mit denen lebende Zellen und Biomaterialien zu Gewebekonstrukten verarbeitet werden. Diese Konstrukte ähneln menschlichem Gewebe und können zu voll funktionsfähigen Modellen weiterreifen. Solche biofabrizierten Gewebe bieten das Potenzial, Tierversuche zu reduzieren, neue Ansätze für die Pharma- und Krebsforschung zu eröffnen und langfristig als regenerativer Ersatz bei Herz-, Knochen- oder Knorpeldefekten eingesetzt zu werden.

Seit seiner Einrichtung im Jahr 2018 hat der Verbund bedeutende wissenschaftliche Fortschritte erzielt: Mehr als 360 Publikationen in renommierten Fachzeitschriften, dreizehn Patentanmeldungen sowie ein erfolgreich wachsendes Spin-off unterstreichen die wissenschaftliche und technologische Relevanz des Projekts.

In der dritten Förderperiode möchten die Forschenden insbesondere den Reifungsprozess der 3D-gedruckten Gewebekonstrukte weiter optimieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Modellen für das zentrale Nervensystem sowie auf Anwendungen in der Infektionsforschung.

Webseite des SFBs https://trr225biofab.de/de/

Fortsetzung: Lymphocyte Engineering for Therapeutic Synthetic Immunity (LETSimmun)

Eine SFB/Transregio-Kooperation der Technischen Universität München (Sprecheruniversität) mit der LMU München und der Universität Würzburg. Standortsprecher in Würzburg ist Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums. 

In seiner jetzt zweiten Förderperiode (2026 bis Mitte 2029) fördert die DFG den SFB/Transregio mit voraussichtlich rund elf Millionen Euro.

Der seit 2021 geförderte SFB arbeitet an neuen Techniken und Strategien, um Lymphozyten und andere Immunzellen so zu verändern, dass sie sich für eine optimierte Bekämpfung von Infektionen, Tumorerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen wie Rheuma nutzen lassen. Die therapeutischen Immunzellen sollen außerdem resistent gegen körpereigene Regulationsmechanismen gemacht werden, die ihr Funktionieren herabsetzen oder verhindern.

Webseite des SFB https://letsimmun.de/

Fortsetzung: The Adrenal: Central Relay in Health and Disease

Eine SFB/Transregio-Kooperation der Technischen Universität Dresden (Sprecheruniversität) mit der LMU München und der Universität Würzburg. Standortsprecher in Würzburg ist Professor Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie des Universitätsklinikums. 

In seiner dritten Förderperiode (2026-2029) fördert die DFG den SFB/Transregio mit voraussichtlich 14 Millionen Euro.

Der seit 2017 geförderte SFB erforscht die Rolle der Nebennieren für die Gesundheit sowie als Auslöser vieler Erkrankungen. Sein Ziel ist es, Grundlagen für neue diagnostische und therapeutische Strategien für die Behandlung von Nebennierenerkrankungen zu entwickeln. Dabei geht es vor allem um Krankheiten mit Hormonüberschuss, die häufig durch Nebennierentumoren ausgelöst werden, aber auch um Hormonmangelerkrankungen. Im Fokus stehen auch Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes, die eng mit Erkrankungen der Nebennieren zusammenhängen. Die Forschenden haben bereits mehrere diagnostische Methoden und neue Therapiekonzepte entwickelt, die Eingang in die Patientenversorgung gefunden haben. Die enge Kooperation der drei Standorte hat die Forschungsthematik deutlich gestärkt.

„Es ist uns in den letzten acht Jahren mit der DFG-Förderung gelungen, den europäischen Leuchtturm im Bereich der Nebennierenforschung zu etablieren. Und jetzt freuen wir uns natürlich darüber, dass wir diesen nun noch weiter ausbauen können", kommentiert Martin Fassnacht. 

Webseite des SFB https://tu-dresden.de/med/mf/forschung-internationales/forschungsprofil/sfb-transregio-205

Fortsetzung: Modulation of graft-versus-host and graft-versus-leukemia immune responses after allogeneic stem cell transplantation

Eine SFB/Transregio-Kooperation der Universitäten Regensburg (Sprecheruniversität), Erlangen-Nürnberg und Würzburg. Standortsprecher in Würzburg ist Professor Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums.

In seiner jetzt dritten Förderperiode (2026 bis 2029) fördert die DFG den Sonderforschungsbereich mit voraussichtlich rund 15 Millionen Euro.

Die Teams des SFB erforschen seit 2018 grundlegende immunologische Mechanismen, die bei der Behandlung von Leukämien durch Stammzelltransplantationen ablaufen. Sie möchten die positiven Effekte besser verstehen, welche die Immunzellen der Spender im Körper der Empfänger haben. Ziel ist es, diese Effekte zu verstärken, um ein Wiederauftreten der Leukämie zu verhindern. Untersucht werden außerdem unerwünschte Einflüsse der gespendeten Immunzellen auf den Darm, die Haut oder andere Organe der Empfänger. Hier geht es darum, diese Wirkungen zu verhindern oder zumindest abzuschwächen.

Webseite des SFB https://gvhgvl.de/

Prof. Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) resümiert: „Dieser Erfolg ist Ausdruck der Würzburger Spitzenmedizin. Davon werden auch die Patientinnen und Patienten spürbar profitieren. Ich gratuliere allen Beteiligten zu diesem außergewöhnlichen Erfolg.“ 

Wer hat welches Tumormodell?

WISSENSCHAFTLER IM DIREKTEN AUSTAUSCH: DER BZKF-LEUCHTTURM „PRÄKLINISCHE MODELLE“

Der BZKF-Leuchtturm „Präklinische Modelle“ unter der Leitung des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat bereits zwei standortübergreifende Datenbanken aufgebaut: die Organoid-Datenbank und die Datenbank für onkologische Tierversuchsmodelle. Die Plattformen geben einen Überblick über die Verfügbarkeit von Organoid-Modellen verschiedener Tumorentitäten und von Tiermodellen. Insgesamt soll das Projekt eine effizientere Forschung, verbesserte Genehmigungsprozesse und die Optimierung präklinischer Modelle im Sinne des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) ermöglichen.

 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW

Würzburg. Präklinische Modelle sind für die medizinische Forschung unverzichtbar: Sie helfen, Krankheitsmechanismen zu verstehen, Therapieansätze zu testen, die Sicherheit zu bewerten und Hinweise für eine mögliche Dosierung neuer Therapeutika zu erhalten. Um die Lücke zwischen Grundlagenforschung und früher klinischer Anwendung zu verkleinern und die translationale Forschung einschließlich Proof-of-Concept-Studien zu beschleunigen, fördert das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) seit dem 1. Januar 2024 für den Leuchtturm „Präklinische Modelle“. 

Prof. Dr. Nicolas Schlegel, Sprecher des Leuchtturms und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg (UKW), zieht mit seinem Team – Prof. Dr. Christoph Otto, Anne Rech und Dr. Mahasen Saati – Zwischenbilanz: „Wir haben inzwischen zwei standortübergreifende Datenbanken als interaktive Informations-, Dokumentations- und Austauschplattform für die präklinische Forschung realisiert. Eine Plattform für die Target-Validierung ist im Aufbau“, informiert Nicolas Schlegel. 

Plattform für Target-Validierungen

Mit der zentralen Einheit für Target-Validierungen sollen Ansatzpunkte für neue Arzneimittel erforscht werden. „Hier etablieren wir gerade mit dem Auxin-System ein präklinisches Modell, das uns hilft, bestimmte, bisher unzugängliche Zielstrukturen in Tumorzellen zu charakterisieren. Dies ist eine Validierungsmöglichkeit für die Entwicklung von PROTACs, eine neue Klasse von Arzneistoffen, die krankmachende Proteine im Körper gezielt abbauen kann“, berichtet Prof. Dr. Gabriele Büchel. Die Molekularbiologin im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist ebenfalls Teil des Leuchtturms. Die Etablierung läuft derzeit im Tiermodell und in humanen Organoiden.

Datenbank mit derzeit 100 humanen Tumor-Organoiden

Die Organoid-Technologie ist ein großer Schwerpunkt der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie am UKW. Aus Gewebespenden von Patientinnen und Patienten baut das Team Organoid-Modelle. „Wir züchten Organoide aus Tumoren, aus entzündlichem Gewebe, aber auch aus gesundem Gewebe“, schildert Anne Rech. Die Wissenschaftlerin ist im Leuchtturm für die Organoid-Datenbank zuständig, welche bereits 100 patientenabgeleitete Organoide (PDO für Patient-Derived Organoids) aus den bayerischen BZKF-Standorten umfasst. Zusätzlich sind Protokolle zur Kultivierung und zum Austausch der PDOs hinterlegt.“ Kooperationen mit anderen BZKF-Translationsgruppen wie CaR-EpiSafe, Pädiatrische Hirntumoren und Omis/Genomics sollen die Implementierung weiterer PDOs ermöglichen. Die Erweiterung der Datenbank um Informationen zu Maus-Organoiden ist ebenfalls geplant.

Datenbank mit aktuell 13 Tiermodellen

Die Datenbank „Onkologische Tiermodelle“ sammelt Informationen über Tiermodelle, die an den BZKF-Standorten durchgeführten werden. Derzeit sind die Beschreibungen von 13 Tiermodellen aus den BZKF-Standorten hinterlegt. Die Eingabe weiterer etablierter Modelle ist in Vorbereitung. Darüber hinaus soll die Datenbank auch um Modelle für tumorfördernde Erkrankungen wie Adipositas oder chronische Entzündungen erweitert werden. „Unsere Datenbank für onkologische Tiermodelle dient dazu, relevante Angaben zum Versuchsvorhaben zu standardisieren und damit den Weg zum Erkenntnisgewinn zu beschleunigen Außerdem sind Schulungsvideos für diese Modelle geplant“, erläutert Dr. Mahasen Saati, die für die onkologischen Tiermodelle zuständig ist. „Insgesamt wollen wir mit unserem Projekt den Informationsaustausch zwischen Genehmigungsbehörde, Tierschutzbeauftragen und Antragstellern informativer und transparenter machen.“ Eine Optimierung und der Austausch, die letztlich die Reduktion solcher Versuche ermöglichen ist hierbei ein wichtiges Ziel.

Verknüpfung der Datenbanken, um mit umfangreichem Repertoire an humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen ein optimales Vorgehen im Sinne des 3R-Prinzips zu ermöglichen

Langfristiges Ziel ist die inhaltliche Verknüpfung beider Datenbanken, die auf der webbasierten Plattform REDCap (Research Electronic Data Capture) entwickelt wurden. Die Kombination von humanen und murinen Organoiden in Verbindung mit Tiermodellen soll eine optimale Strategie für die präklinische Krebsforschung ermöglichen. „Mit diesen Maßnahmen leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung innovativer Krebsforschung und zur Umsetzung des 3R-Prinzips: Vermeiden von Tierversuchen, Replace, Minimieren der Anzahl von Versuchen und Versuchstieren, Reduce, und die Vermeidung der Belastung, Refine“, kommentiert Christoph Otto, stellvertretender Sprecher des Leuchtturms. 

Zur Veranschaulichung führt Nicolas Schlegel ein Beispiel an: In Modell- oder Zellkulturexperimenten wurde eine potenziell interessante Zielstruktur für eine neue oder ergänzende Therapie in einem bestimmten Tumor entdeckt. Diese kann ex vivo in einem Tumor-Organoid auf ihre Wirksamkeit getestet und gegebenenfalls im nächsten Schritt im lebenden Organismus im Tiermodell validiert werden. Damit nicht alles neu etabliert werden muss, informiert die Datenbank, wo welche Modelle vorgehalten werden und wer für die Durchführung der Experimente kontaktiert werden kann.

„Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Die Daten und Modelle kommen bislang von den BZKF-Standorten in Augsburg, Erlangen, München, Regensburg und Würzburg. „In erster Linie ist die Datenbank für alle Kooperationspartner des BZKF gedacht, aber natürlich können sich auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerinnen registrieren, die translational forschen und sich einen standortübergreifenden Überblick über die Verfügbarkeit humaner Organoid-Modelle verschiedener Tumorentitäten und Tiermodelle verschaffen möchten“, sagt Nicolas Schlegel. „Je mehr sich registrieren, desto besser wird das Netzwerk“

Ein Kontaktformular für die Registrierung gibt es auf der Webseite des Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie.
 

Nicolas Schlegel, Anne Rech, Mahasen Saati und Christoph Otto stehen in weißen Kittel in einer Reihe an einem Geländer
Das Team des BZKF-Leuchtturms Präklinische Modelle am UKW v.l.n.r. Prof. Dr. Nicolas Schlegel (Sprecher), Anne Rech (Organoid-Datenbank), Dr. Mahasen Saati (Präklinische Tiermodelle), Prof. Dr. Christoph Otto (stellvertretender Sprecher). © Ulrich Bender
Collage aus drei mikroskopischen Bildern von Organoiden.
Organoid aus gesundem Gewebe (links), aus einem Darmpolypen (Mitte) sowie rechts ein Tumor-Organoid aus dem Gewebe eines Patienten mit kolorektalem Karzinom. © UKW

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