Aktuelle Meldungen

Teilnehmende für ARIPro-Studie bis 30. April gesucht!

Untersucht werden Auswirkungen von akut respiratorischen Infektionen (ARI) auf Immunität, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden des Gesundheitswesens.

Das ehamlige CoVacSer-Studienteam auf dem Gelände des UKW.
Das ARIPro-Studienteam v.l.n.r.: Alexander Gabel, Nils Petri, Juliane Mees, Manuel Krone, Isabell Wagenhäuser, Julia Reusch; es fehlen Max Mayerhöfer und Helen Müller. © Daniel Peter / UKW
Aufbau der Studie ARIPro - Grafik

Wer im Gesundheitswesen arbeitet, die Wissenschaft unterstützen und regelmäßig Informationen über seinen Immunstatus erhalten möchte, hat noch bis zum 30. April die Chance an der ARIPro-Studie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) teilzunehmen. Ziel der Studie ist es, Auswirkungen von akut respiratorischen Infektionen (ARI), insbesondere SARS-CoV-2, Influenza und Respiratorisches-Synzytial-Virus (RSV) auf die Immunität, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden des Gesundheitswesens zu untersuchen und wie diese gegebenenfalls durch Impfungen verhindert werden können. 

ARI steht für akut respiratorische Infektionen, Pro für Protection. Teilnehmen können alle erwachsene Mitarbeitende des Gesundheitswesens, unabhängig davon, ob sie Kontakt zu Patientinnen und Patienten haben. 

Zwei Teilnahmezeitpunkte pro Person und Jahr

Der Einschluss in die Studie erfolgt bis zum 30. April 2024. Nach der Anmeldung werden die Studienteilnehmenden gebeten, einen Online-Fragebogen auszufüllen und eine Blutprobe mit der Einwilligungserklärung an das Studienteam zu senden. Weitere Datenerhebungen wird es vor der nächsten ARI-Saison im Herbst 2024 sowie im Frühjahr und Herbst 2025 und im Frühjahr 2026 geben. Alle im Rahmen der Studie ermittelten serologischen Befunde werden den Teilnehmenden individuell und baldmöglichst mitgeteilt.

Einladung an Personen, die im Gesundheitswesen im gesamten Bundesgebiet arbeiten

ARIPro ist eine Fortsetzungsstudie der CoVacSer-Studie mit modifiziertem Studien-Design. Die Teilnahme an der vorhergehenden CoVacSer-Studie, aus der zahlreiche wissenschaftliche und gesellschaftlich relevante Erkenntnisse gewonnen wurden (siehe Info weiter unten), ist jedoch nicht verpflichtend. Generell sind Interessierte aus dem gesamten Bundesgebiet herzlich eingeladen, an der ARIPro-Studie teilzunehmen. Für diejenigen die in Würzburg und Umgebung wohnen, bietet das Studienteam auch individuelle Blutentnahmetermine zu bestimmten Zeiten an.

Die ARIPro-Studie wird von einem interdisziplinären Team Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Zentralen Einrichtung für Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship, der Medizinischen Klinik und Poliklinik I, Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg sowie dem Institut für Hygiene und Mikrobiologie und dem Institut für Virologie und Immunbiologie der Julius-Maximilians-Universität durchgeführt.

Kontakt: 
Universitätsklinikum Würzburg
Institut für Hygiene und Mikrobiologie
ARIPro-Studienteam
Josef-Schneider-Str. 2 / Gebäude E1
97080 Würzburg

E-Mail: aripro@ ukw.de

Weiterführende Informationen und die genaue Anleitung zur Teilnahme finden Sie unter folgendem Link.

Über die erfolgreiche Vorgängerstudie CoVacSer

In der CoVacSer-Studie des Universitätsklinikums Würzburg wurde die immunologische Impfantwort sowie die Lebens- und Arbeitsqualität nach einer Covid-19-Impfung und/oder -Infektion in einer Kohorte von 1.800 Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten untersucht. Die Daten der CoVacSer-Studie unterstreichen zum Beispiel die Bedeutung von Grippe-Impfung für Beschäftigte in der Patientenversorgung. Die Studie wurde hochrangig publiziert im Journal of Infection. Hier geht es zur Pressemitteilung. Weitere Auswertungen im Rahmen der CoVacSer-Studie zu Faktoren, die die Konzentration von Antikörpern nach einer Corona-Infektion oder Covid-19-Impfung beeinflussen, zur Verträglichkeit der Varianten-adaptierten Covid-19 Impfstoffe und gemeinsamen Verabreichung mit der Influenza-Impfung sind hier zusammengefasst. Auch der Einfluss der psychischen Gesundheit und Schlafqualität auf die Immunogenität von Covid-19-Impfungen wurden im Rahmen der CoVacSer-Studie untersucht und sind hier nachzulesen. 
 

Das ehamlige CoVacSer-Studienteam auf dem Gelände des UKW.
Das ARIPro-Studienteam v.l.n.r.: Alexander Gabel, Nils Petri, Juliane Mees, Manuel Krone, Isabell Wagenhäuser, Julia Reusch; es fehlen Max Mayerhöfer und Helen Müller. © Daniel Peter / UKW
Aufbau der Studie ARIPro - Grafik

Neuer immuntherapeutischer Ansatz für das seltene, aber sehr aggressive Nebennierenrindenkarzinom

Zielmolekül ROR1 im Visier bei endokrinem Tumor

ROR1-spezifische CAR-T Zellen zeigen starke Antitumor-Wirksamkeit bei fortgeschrittenem adrenokortikalen Karzinom. Für dieses herausragende Kooperationsprojekt zwischen dem Lehrstuhl für Endokrinologie und dem Lehrstuhl für zelluläre Immuntherapie des Universitätsklinikum Würzburg (UKW) erhielten Marc Philipp Schauer und Laura-Sophie Landwehr den mit 12.000 Euro dotierten Schoeller-Junkmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

Preisträger Schauer und Preisträgerin Landwehr mit Urkunden in den Händen.
Marc Philipp Schauer und Laura-Sophie Landwehr erhielten den mit 12.000 Euro dotierten Schoeller-Junkmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). © Barbara Altieri / UKW
Bild von Justus Weber im Labor des Lehrstuhls für Zelluläre Immuntherapie.
Dr. Justus Weber hat im Research Hudecek-Lab die ROR1 CAR-T-Zellen entwickelt. © Daniel Peter / UKW
Abbildung zum Zielmolekül ROR1 beim Nebennierenrindenkarzinom
Glukokortikoid resistente ROR1 CAR-T-Zelle mittels CRISPR/Cas9 Genomeditierung, die gegen Glukokortikoid-produzierende ROR1+ ACC Tumore gerichtet wird, um diese effektiv in vitro als auch in vivo einzusetzen. © Marc Philip Schauer / UKW

Würzburg. Das Nebennierenrindenkarzinom, auch bekannt als adrenokortikales Karzinom oder kurz ACC, ist eine sehr seltene und aggressive Form von Krebs, die in der äußeren Schicht der Nebennieren, der sogenannten Cortex oder Rinde, entsteht. „Der einzige kurative Behandlungsansatz ist die komplette chirurgische Resektion“, sagt Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). „Gleichwohl zeigen sich auch nach vollständiger Resektion hohe Raten an Lokalrezidiven und Fernmetastasen mit nur eingeschränkten Behandlungsoptionen. Bislang liegt das mittlere Gesamtüberleben von ACC Patientinnen und -Patienten im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium mit etablierter Standardtherapie bei weniger als 15 Monaten.“

Schoeller-Junkmann Preis der DGE

Hoffnung bringen neue Erkenntnisse aus seiner Arbeitsgruppe, für die Marc Philipp Schauer und Dr. Laura-Sophie Landwehr auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Rostock mit dem Schoeller-Junkmann-Preis ausgezeichnet wurden. Mit 12.000 Euro ist er der höchstdotierte Preis der DGE. Die Biomedizinerin und der Doktorand zeigen in ihrem Forschungsprojekt, wie das onkogene Protein ROR1, das auf ACC Tumoren im Vergleich zu gesunden Nebennieren stark überexprimiert ist, mittels genetisch modifizierter Immunzellen gezielt angegriffen werden kann. 

Bei der neuartigen Therapieform werden patienteneigene T-Zellen des Immunsystems mit einem synthetischen Rezeptor, einem so genannten Chimären Antigen-Rezeptor (CAR) ausgestattet, um die körpereigenen Immunzellen gegen den Tumor zu sensibilisieren und diesen anzugreifen. Je nach Art der Tumorerkrankung muss ein Zielmolekül identifiziert und validiert werden, um den Sensor entsprechend maßzuschneidern. Bei endokrinen Tumoren hat sich das Zielmolekül namens ROR1 als möglicher Angriffspunkt erwiesen. 

ROR1 CAR-T-Zellen resistent gegen Glukokortikoide 

Marc Philipp Schauer und Laura-Sophie Landwehr beleuchten in ihrer Arbeit die Entwicklung sowie den präklinischen Nutzen von verschiedenen ROR1 CAR-T-Zellmodifikationen und den Einfluss durch die vom Tumor produzierten und das Immunsystem unterdrückenden Glukokortikoide. In 60 Prozent der Nebennierenrindenkarzinom-Fälle werden hohe Mengen an Glukokortikoiden produziert. Diese Hormone sind unter anderem an der Regulation des Immunsystems beteiligt. Eine Überproduktion führt zu einem Zustand, der als Cushing-Syndrom bekannt ist und unter anderem durch Gewichtszunahme, Fettansammlung im Gesicht und am Rumpf, Stiernacken, Muskelschwäche, Bluthochdruck, erhöhten Blutzuckerspiegel und Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist.

„Einen Quantensprung in unserer Forschung stellte die Verwendung fortschrittlichster Genom-Editierungstechniken dar, mit deren Hilfe es uns gelang, Glukokortikoid-resistente CAR-T Zellen herzustellen“, berichtet Dr. Justus Weber, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Hudecek am Lehrstuhl für zelluläre Immuntherapie die ROR1 CAR-T-Zellen entwickelt hat.

„Wir zeigen, dass Glukokortikoid-resistente CAR-T-Zellen Glukokortikoid-angereicherte Tumorumgebungen gezielt umgehen können und ACC Tumore sehr effizient in vitro und in vivo heilen können“, ergänzt Laura-Sophie Landwehr. Das heißt, die modifizierten ROR1 CAR-T-Zellen bekämpfen die Mechanismen eines immunsupprimierten Tumormikromilieus.

„Die hier entwickelte Therapie könnte einen neuartigen und potentiell kurativen Behandlungsansatz für Patienten und Patientinnen mit fortgeschrittenem ACC darstellen und somit ihr Gesamtüberleben effizient verlängern könnte“, kommentiert Marc Philipp Schauer. Denn bisherige Immuntherapieversuche im ACC mit Immuncheckpoint-Inhibitoren haben bislang lediglich moderate Erfolge verzeichnen können. 

ROR1-Molekül im Visier bei verschiedenen Tumoren

Die gezeigten Forschungsergebnisse bieten aber nicht nur einen Therapieansatz für das Nebennierenrindenkarzinom, sondern auch für andere Tumorarten. So hat sich das Zielmolekül ROR1 ebenfalls als Angriffspunkt bei hämatologischen Krebserkrankungen und soliden Tumoren wie Lungen-, Brust- und Eierstockkrebs hervorgetan. Prof. Dr. Michael Hudecek, Leiter des Lehrstuhls Zelluläre Immuntherapie am UKW, konnte mit seinem Team als erster ein ROR1-spezifisches CAR-Konstrukt erstellen und dessen zytotoxischen Effekte gegen ROR1+ hämatologische Krebserkrankungen in vitro und in vivo zeigen. Den effektiven Einsatz von ROR1 CAR-T-Zellen gegen solide Tumore hat das Team aus Würzburg in einem fortschrittlichen mikrophysiologischen 3D-Tumormodell veranschaulicht. 

ROR1 geht in klinische Prüfung 

Als nächstes werden die entwickelten ROR1 CAR-T-Zellen in der first-in-human Phase I Studie (LION-1) am Menschen getestet, wo diese im Idealfall einen klinischen Nutzen entfalten können. Hierbei kommt zunächst ein Zellprodukt ohne Genom-Editierung zum Einsatz. In nächster Instanz sollen dann die Sicherheit und Effektivität eines Glukokortikoid-resistenten ROR1 CAR-T-Zellprodukts im Rahmen einer LION-1 2.0-Studie untersucht werden. Zudem wird am UKW auf präklinischer Ebene daran gearbeitet, weitere Ansätze im T-Zelltherapiebereich zu entwickeln und neue Modifikationen zu testen, die ebenfalls Einlass in die Klinik erhalten könnten.

Förderung und Kooperationspartner 

Das Forschungsprojekt zur Immuntherapie beim Nebennierenrindenkarzinom wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio Nebenniere (SFB TRR 205) und des Sonderforschungsbereichs/Transregio LETSIMMUN (SFB TRR 338). Beteiligt waren neben der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Fassnacht mit Dr. Laura-Sophie Landwehr und Marc P. Schauer die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Hudecek mit Dr. Justus Weber sowie Prof. Dr. Dr. Matthias Kroiss vom LMU Klinikum München (ehemals UKW) und Prof. Katja Kiseljak-Vassiliades von der University of Colorado.

Uniklinikum Würzburg: Infos zur Herzinsuffizienz beim Würzburger Residenzlauf 2024

Das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) und die Medizinische Klinik I des Uniklinikums Würzburg nutzen den 34. Würzburger Residenzlaufs am 28. April 2024, um an einem Stand über Herzschwäche und deren Prävention zu informieren.

Roter Herz Luftballon mit der Aufschrift Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg. im Hintergrund sieht man Läufer vom Residenzlauf.
Das DZHI und die Medizinische Klinik I des Uniklinikums Würzburg machen beim Würzburger Residenzlauf auf die Themen Herzgesundheit und Herzinsuffizienz aufmerksam. Bilder (Montage): Wolfgang Wünsch / Würzburger Residenzlauf Veranstaltungsgesellschaft UG + Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Am Sonntag, den 28. April 2024 findet die 34. Auflage des Würzburger Residenzlaufs statt. Erneut werden Tausende Läuferinnen und Läufer aller Altersklassen und Leistungsstufen sowie anfeuernde Zuschauerinnen und Zuschauer bei dem sportlichen Großevent erwartet. Das am Uniklinikum Würzburg (UKW) angesiedelte Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) nutzt gemeinsam mit der Kardiologie der Medizinischen Klinik I des UKW (Leitung: Prof. Dr. Stefan Frantz) diese prächtige Kulisse, um an einem Stand auf dem Residenzplatz über Herzschwäche und deren Prävention zu informieren. „Laufsport und Herzgesundheit passen bestens zusammen“, kommentiert Prof. Dr. Stefan Störk. Der Leiter des Departments Klinische Forschung und Epidemiologie am DZHI fährt fort: „Bewegung gehört zu den zentralen Vorbeugemaßnahmen für Herzschwäche. Wir empfehlen fünfmal pro Woche mindestens 30 Minuten Ausdauertraining. Wobei Spazierengehen oder mit dem Rad zur Arbeit fahren auch zählen!“ Nach seinen Worten gibt es mehr als genug Anlass, jetzt aktiv zu werden und zu bleiben. Schließlich leiden fast vier Millionen Menschen in der Bundesrepublik an Herzinsuffizienz – Tendenz steigend. Und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit 35 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland. 
Neben dem Infostand beteiligen sich das DZHI und die Medizinische Klinik I auch mit einem eigenen Laufteam am Residenzlauf 2024. 
 

Wie das Kunststoffzeitalter unsere Hormone beeinträchtigt

Bruno-Allolio-Nebennierenpreis 2024 für Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl

Ein Team der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) hat den Einfluss der chemischen Substanzen Bisphenol A, F und S auf die Hormonsynthese und den Hormonhaushalt der Nebenniere untersucht und warnt vor potentiellen Folgen für unsere Gesundheit.

Benedikt Pötzl hält die Preisrede
Benedikt Pötzl präsentiert beim Deutschen Kongress für Endokrinologie die Untersuchungen zu den Auswirkungen der Weichmacher Bisphenol A, F und S auf die Steroidogenese in Nebennieren, für die er gemeinsam mit Lydia Kürzinger den Bruno-Allolio-Nebennierenpreises 2024 erhielt. © EndoScience
Grafische Darstellung der Steroidsynthese
Schematischer Überblick über Veränderungen in der Steroidsynthese der Nebennierenzellen in Anwesenheit von Bisphenol A, F und S. Erstellt mit biorender.com. © UKW

Würzburg. Ob Trinkflaschen, Konservendosen, Bratpfannen, Kassenbons, Textilien, Wasserleitungen, Brandschutzmittel oder mit Pestiziden belastete Lebensmittel – wir alle kommen im heutigen Kunststoffzeitalter mit chemischen Substanzen in Verbindung. Viele dieser synthetischen Stoffe bringen jedoch nicht nur Vorteile mit sich, sondern bergen auch zahlreiche Risiken für die Umwelt und für unsere Gesundheit. Im Verbund von Mikro- und Nanoplastikpartikeln werden die Schadstoffe weltweit verteilt und tauchen in verschiedensten Ökosystemen und Nahrungsketten auf. Die genauen Folgen und Auswirkungen einer chronischen Exposition auf die menschliche Gesundheit sind schwer abschätzbar. 

Endokrine Disruptoren können Gesundheit beeinträchtigen 

In der gegenwärtigen Forschung werden die Schadstoffe, die wir durch die Nahrung, Luft oder Hautkontakt aufnehmen, als „endokrine Disruptoren“ bezeichnet. Denn sie stehen im Verdacht, Hormonkreisläufe zu stören oder zu beeinträchtigen und somit Einfluss auf Wachstum und Entwicklung, Stoffwechsel, Fortpflanzung, Stimmung und Verhalten zu haben. Die Folgen sind unter anderem Unfruchtbarkeit, Adipositas oder Diabetes. 

Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl vom Würzburger Lehrstuhl Endokrinologie und Diabetologie haben sich die Auswirkungen von Bisphenolen auf die Hormonsynthese der Nebenniere genauer angeschaut. Bisphenole sind eine Gruppe chemischer Substanzen, die in vielen Kunststoffen als Weichmacher oder Stabilisatoren verwendet werden. Die Assistenzärztin und der Doktorand konnten in aufwendigen Zellkulturexperimenten zum ersten Mal den Einfluss von Bisphenol A (BPA), F (BPF) und S (BPS) auf die Sekretion 15 verschiedener Nebennierenhormone nachweisen.  

Bisphenole hemmen Cortisol, Aldosteron und DHEA

Bei der Exposition mit BPA, BPF und BPS beobachteten die beiden Forschenden signifikante Veränderungen in der Freisetzung essentieller Hormone, wobei einzelne Hormone hoch- und andere herunterreguliert wurden. „Es ist daher davon auszugehen, dass die getesteten Bisphenole auf sehr komplexe Weise mit der Steroidsynthese der Nebennierenzellen interagieren, was dazu führt, dass die Ausschüttung klinisch relevanter Hormone wie Cortisol, Aldosteron und Dehydroepiandrosteron, kurz DHEA, gehemmt wird“, berichtet Benedikt Pötzl. 

„Die betroffenen Steroidhormone sind in verschiedene Systemen des menschlichen Organismus involviert, zum Beispiel Stressantwort, Blutdruckkontrolle, sexuelle Differenzierung und Pubertät“, fährt Lydia Kürzinger fort und resümiert. „Unsere Arbeit legt nahe, dass Bisphenole, die sich mittlerweile in nahezu allen untersuchten menschlichen Proben nachweisen lassen, den präzise regulierten Hormonhaushalt der Nebenniere beeinträchtigen.“ 

Bruno-Allolio-Nebennierenpreis 2024 für Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl

Für ihre Arbeit "Disruptive effects of plasticizers bisphenol A, F, and S on steroidogenesis of adrenocortical cells”, die von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio zur Nebenniere (SFB/TRR 205) und durch ein Stipendium der Graduate School of Life Sciences (GSLS) gefördert wurde, haben Lydia Kürzinger und Benedikt Pötzl beim 67. Deutschen Kongress für Endokrinologie (DGE) in Rostock den mit 8.000 Euro dotierten Bruno-Allolio-Nebennierenpreis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie 2024 erhalten. 

„Die Thematik der endokrinen Disruptoren stellt angesichts der Unmengen an Plastik und Kunststoffen, die jedes Jahr produziert und nahezu unreguliert in die Umwelt gelangen, ein sehr relevantes und alarmierendes Problem unserer Zeit dar, welches die planetare Gesundheit bedroht. Und die Brisanz nimmt zu, da die planetaren Belastungsgrenzen zur Einbringung neuartiger Substanzen bei Weitem überschritten sind“, kommentiert Privatdozent Dr. Ulrich Dischinger. Der Oberarzt und Leiter des endokrinologischen Routinelabors am UKW hat das Forschungsprojekt initiiert hat und als Mentor betreut. 

Regulatorische Maßnahmen im Sinne des Verbraucher- und Umweltschutzes

Die Forschenden hoffen, dass sie mit dieser Arbeit und weiteren Studien zu endokrinen Disruptoren und deren Risiken zu einer Vertiefung der wissenschaftlichen Evidenz über Risiken unserer kunststoffgeprägten Zeit beitragen und politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern wertvolle Informationen für regulatorische Maßnahmen liefern können, im Sinne des Verbraucher- und Umweltschutzes. 

Im Falle einzelner Substanzen wurden zwar dank langjähriger wissenschaftlicher Forschung inzwischen zumindest in der EU, sowie den USA, weitgehende Regulationen erreicht, doch der Status quo in der Verwendung neuer synthetischer Stoffe durch die Industrie sei weiterhin mangelhaft, denn die komplexen Interaktionen zwischen potenziell endokrin disruptiven Substanzen und Organismen müssen oft nicht ausreichend getestet werden. Besorgniserregend sei auch der gegenwärtige Trend, dass alternative Substanzen durch geringe chemisch-strukturelle Variation entwickelt und eingesetzt werden, obwohl deren potentiell schädlicher Einfluss oft mit der Ursprungssubstanz vergleichbar sei. 

Neben Benedikt Pötzl und Lydia Kürzinger haben Sabine Kendl, Hanna Urlaub, Antonia Dohles, Max Kurlbaum sowie Martin Fassnacht und Ulrich Dischinger am Projekt mitgewirkt. 

Benedikt Pötzl hält die Preisrede
Benedikt Pötzl präsentiert beim Deutschen Kongress für Endokrinologie die Untersuchungen zu den Auswirkungen der Weichmacher Bisphenol A, F und S auf die Steroidogenese in Nebennieren, für die er gemeinsam mit Lydia Kürzinger den Bruno-Allolio-Nebennierenpreises 2024 erhielt. © EndoScience
Grafische Darstellung der Steroidsynthese
Schematischer Überblick über Veränderungen in der Steroidsynthese der Nebennierenzellen in Anwesenheit von Bisphenol A, F und S. Erstellt mit biorender.com. © UKW

FIRST-MAPP liefert höchsten Grad an Evidenz

Sunitinib wird zur medizinischen Option mit dem bisher höchsten Evidenzgrad für die Antitumor-Wirksamkeit bei bösartigem Phäochromozytom und Paragangliom

In der in The Lancet publizierten randomisierten FIRST-MAPPP-Studie erweist sich erstmals eine Therapie – nämlich Sunitinib – als wirksame Standardtherapie beim sehr seltenen malignen Phäochromozytom und Paragangliom.

 

Die PET/CT-Aufnahme zeigt Anreicherung des Tracers
In dieser PET/CT-Aufnahme eines Patienten mit einem metastasiertem Phäochromozytom fallen neben der natürlichen Traceranreicherung in Leber, Milz, Nieren und Harnblase vor allem die zahlreichen Metastasen im Skelettsystem auf. © Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Würzburg

Würzburg. Paragangliome sind Stresshormonproduzierende Tumore, die im Bauch-, Brust, und Kopf-Hals-Bereich auftreten können. Wenn sie in der Nebenniere entstehen, werden sie Phäochromozytome genannt. Die Tumore sind selten, meist gutartig und können gut behandelt werden. „Bei einem malignen, progredienten Phäochromozytom und Paragangliom hingegen, das durch Metastasen gekennzeichnet ist und jedes Jahr bei etwa 50 Personen in Deutschland neu diagnostiziert wird, überlebt nur jeder zweite Erkrankte die folgenden fünf Jahre. Das mittlere 5-Jahres-Überleben der Patientinnen und Patienten liegt bei 45 Prozent“, berichtet Prof. Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW). 

Eine effektive Standardtherapie gab es bislang noch nicht. Doch die FIRST-MAPP-Studie (First International Randomised Study in MAlignant Progressive Phaeochromocytoma and Paraganglioma), die das UKW maßgeblich mitkoordiniert hat, liefert nun erstmals die Evidenz, dass der Multityrosinkinase-Inhibitor Sunitinib eine wichtige neue Therapieoption ist. Sunitinib blockiert mehrere molekulare Angriffspunkte, die am Wachstum und der Ausbreitung von verschiedenen Tumoren beteiligt sind. Die Auswertung der Studie, die von Prof. Dr. Eric Baudin vom französischen Institut Gustave Roussy gemeinsam mit Martin Fassnacht geleitet wurde, ist jetzt im renommierten Journal The Lancet erschienen. 

Nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 Sunitinib oder Placebo zugewiesen

Insgesamt wurden in 15 Zentren aus vier europäischen Ländern über fast zehn Jahre hinweg 78 Personen mit metastasiertem Phäochromozytomen und Paragangliomen rekrutiert. Das Durchschnittsalter betrug 53 Jahre, 41 Prozent der Studienteilnehmenden war weiblich. Die Gruppenzuteilung erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Insgesamt erhielten 39 Studienteilnehmende im Schnitt ein Jahr lang das Medikament Sunitib - 37,5 mg pro Tag. Weitere 39 Personen wurden im Schnitt vier Monate lang mit einem Scheinmedikament behandelt. Insgesamt hatten 59 % der Patientinnen und Patienten bereits eine Vorbehandlung erhalten. 

Sunitinib stellt die beste validierte therapeutische Option dar

Der primäre Endpunkt wurde erreicht, die Hypothese des Studienkonzepts bestätigt und Sunitinib als wirksam eingestuft: Die Rate der Patientinnen und Patienten, die nach zwölf Monaten noch lebten und frei von einer Progression waren, lag unter Sunitinib bei 36 % während sie in der Placebogruppe 19 % betrug. Das heißt, unter Sunitinib schritt bei 14 von 39 Studienteilnehmenden der Tumor nicht fort. Darüber hinaus blieb die Lebensqualität erhalten und die Intensität der Knochenschmerzen nahm ab. Auch die Toxizität von Sunitinib war überschaubar. 

"Die FIRST-MAPPP-Studie ist die erste randomisierte Studie bei Patientinnen und -Patienten mit malignem Phäochromozytom/Paragangliom und eine der wenigen dieser aufwendigen Studien generell im Bereich der extrem seltenen Krebsarten, die kürzlich durch eine jährliche Inzidenz von weniger als 1 pro Million definiert wurden. Sie liefert damit den höchsten Grad an Evidenz, der jemals erreicht wurde, um die antitumorale Rolle einer systemischen Behandlungsoption beim bösartigen Phäochromozytom/Paragangliom zu unterstützen, und verändert damit weltweit das therapeutische Vorgehen", fasst Martin Fassnacht zusammen. Fassnacht und das gesamte Team der Würzburger Endokrinologie sind stolz darauf, dass man diese langwierige Studie bei diesem ultraseltenen Tumor ohne Unterstützung von Pharmafirmen und nur mit öffentlichen Geldern nun erfolgreich abschließen konnte, um damit eine neue Standardtherapie zu etablieren. 

Finanzielle Unterstützung

Die FIRST-MAPPP-Studie wurde vom französischen Gesundheitsministerium, vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie mit einem Zuschuss aus dem Siebten Rahmenprogramm der EU finanziert. 

Publikation:

Sunitinib for metastatic progressive phaeochromocytomas and paragangliomas: results from FIRSTMAPPP, an academic, multicentre, international, randomised, placebo-controlled, double-blind, phase 2 trial. Eric Baudin, Bernard Goichot, Alfredo Berruti, Julien Hadoux, Salma Moalla, Sandrine Laboureau, Svenja Nölting, Christelle de la Fouchardière, Tina Kienitz, Timo Deutschbein, Stefania Zovato, Laurence Amar, Magalie Haissaguerre, Henri Timmers, Patricia Niccoli, Antongiulio Faggiano, Moussa Angokai, Livia Lamartina, Florina Luca, Deborah Cosentini, Stefanie Hahner, Felix Beuschlein, Marie Attard, Matthieu Texier*, Martin Fassnacht*; on behalf of the ENDOCAN-COMETE and ENSAT Networks. The Lancet. February 22, 2024. doi.org/10.1016/S0140-6736(23)02554-0

Die PET/CT-Aufnahme zeigt Anreicherung des Tracers
In dieser PET/CT-Aufnahme eines Patienten mit einem metastasiertem Phäochromozytom fallen neben der natürlichen Traceranreicherung in Leber, Milz, Nieren und Harnblase vor allem die zahlreichen Metastasen im Skelettsystem auf. © Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Würzburg

Zehn Jahre Selbsthilfegruppe Adipositas: Umfangreicher Informationstag am Uniklinikum Würzburg

Anlässlich ihres zehnjährigen Jubiläums organisiert die Selbsthilfegruppe Adipositas gemeinsam mit dem Uniklinikum Würzburg am Samstag, den 23. März dieses Jahres einen thematisch breit aufgestellten Informationstag für Betroffene, deren Angehörige sowie alle sonstig Interessierte.

Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Würzburg
Der Patiententag Adipositas findet im Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Würzburg statt. Bild: Wolfgang Dürr

Fettleibigkeit (Adipositas) ist eine chronische Erkrankung, die unbehandelt schwerwiegende körperliche, psychische und soziale Folgen haben kann. Am Uniklinikum Würzburg (UKW) widmet sich das interdisziplinäre Team des Adipositaszentrums unter Leitung von Prof. Dr. Florian Seyfried der Therapie der Betroffenen. Der Chirurg erläutert: „Zu unseren zentralen Partnern zählt die Selbsthilfegruppe Adipositas. Seit nunmehr zehn Jahren fungiert sie als Anlaufstelle, Ratgeber und Sprachrohr für die Patientinnen und Patienten. Sie gibt ihnen Halt, Orientierung und eine Plattform, um sich auf Augenhöhe auszutauschen.“ Anlässlich des runden Jubiläums veranstalten die Selbsthilfegruppe und das für seine Selbsthilfefreundlichkeit ausgezeichnete Klinikum am Samstag, den 23. März 2024 gemeinsam einen großangelegten Patiententag Adipositas.

Fachvorträge zu einem breiten Themenspektrum

Um 10:00 Uhr startet im Hörsaal 1 des Zentrums für Innere Medizin (ZIM) des UKW an der Oberdürrbacher Straße eine Folge von vier laiengerechten Fachvorträgen. Dabei werden sowohl die medikamentösen, als auch die operativen Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung beschrieben. Außerdem kommen der Stellenwert der Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie psychosomatische Aspekte zur Sprache.

Persönliche Gespräche an Info- und Aktionsständen

„Das große Engagement anlässlich unseres Jubiläums verdeutlicht nochmals die hohe Wertschätzung, die wir auch im sonstigen Kontakt mit den Beschäftigten und der Selbsthilfebeauftragten des UKW erfahren dürfen“, kommentiert Dagmar Feder, die Leiterin der Selbsthilfegruppe Adipositas. Sie fährt fort: „Ergänzend zu den Hörsaalvorträgen finden sich am Patiententag Informations- und Aktionsstände in der Magistrale des ZIM. Neben einem Wissensgewinn aus den Bereichen Ernährung und Bewegung besteht dort auch die Möglichkeit, unsere Gruppe kennenzulernen und in einen persönlichen Austausch zu treten.“

Die Teilnahme am Patiententag ist kostenfrei.
Wichtig ist eine Anmeldung bis 15. März 2024 bei Gabriele Nelkenstock, der Selbsthilfebeauftragten des UKW, unter E-Mail: selbsthilfe@ukw.de.

 

Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Würzburg
Der Patiententag Adipositas findet im Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Würzburg statt. Bild: Wolfgang Dürr

Würzburg ist Zentrum der Immunkardiologie – „the place to be“

Gustavo Ramos hat seit 1. Dezember 2023 eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Heisenberg-Professur für Immunkardiologie

Porträt von Gustavo Ramos im Labor
Der Biologe Gustavo Ramos ist seit Dezember 2023 Professor für Immunkardiologie am Uniklinikum Würzburg. © Kirstin Linkamp / UKW
Aufnahme eines infarzierten Herzens mit markierten Immunzellen
Bild aus dem diesjährigen wissenschaftlichen Adventskalender (www.ukw.de/advent) – Kläppchen Nummer 2: Massive Infiltration von Immunzellen in das Herz nach einem Infarkt. In Grün ist die Morphologie des Herzens zu sehen, in Gelb leuchten die Antikörper (Anti-CD45), die an das CD45-Antigen der Leukozyten gebunden haben. Die Probe wurde von Murilo Delgobo aus der AG Ramos im DZHI hergestellt und von Lisa Popiolkowski und Anne Auer mit einem Lichtblatt-Fluoreszenz-Mikroskop in der Core Unit Fluorescence Imaging am RVZ aufgenommen. © Anne Auer / DZHI

Die Laufbahn von Gustavo Ramos ist geprägt von Idolen. So war der Biologe aus Brasilien bei der Wahl seines Dissertationsthemas zwischen zwei Professoren - einem kardiologischen Wissenschaftler und einem Immunologen - hin und hergerissen. Er bewunderte beide. Also vereinte er im Jahr 2007 die Themen und forschte zum damals noch unbekannten und namenlosen Fach „Immunkardiologie“. Als er 2012 an der Federal University of Santa Catarina in Florianópolis die Promotion abschloss, veröffentlichten zeitgleich auf der anderen Seite des Ozeans die Professoren Stefan Frantz und Ulrich Hofmann vom Uniklinikum Würzburg (UKW) ihre bahnbrechenden Erkenntnisse zur Rolle von T-Zellen bei der Wundheilung nach einem Herzinfarkt. Gustavo Ramos war klar, er musste nach Würzburg. Er bewarb sich bei Stefan Frantz und arbeitete als Postdoc in dessen Arbeitsgruppe. 2014 folgte er dem Kardiologen nach Halle/Sachsen-Anhalt, etablierte ein eigenes Forschungsteam und sog nebenbei das historische Flair der Umgebung auf. „Als Teenager habe ich in Brasilien die Biografie von Johann Sebastian Bach gelesen. Ich hätte mir nie erträumt, dort zu arbeiten, wo er einst gewirkt hat.“ Ebenso gut erinnert er sich an die Mischung aus Schock und Bewunderung, die er für Werner Karl Heisenberg empfand, als er dessen Unschärferelation studierte. „Und nun habe ich die unbeschreibliche Ehre aber auch große Verantwortung, eine Professur mit seinem Namen inne zu haben“, sagt Ramos, der seit 2018 eine Juniorforschungsgruppe am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) leitet. 

Respekt vor Heisenberg hemmte bei der Bewerbung

Er habe einige Anläufe gebraucht, um sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für das prestigeträchtige Heisenberg-Programm bewerben. Zu groß sei der Respekt vor dem Werk des Physikers gewesen, der mit 31 Jahren für seinen Beitrag zur Quantenmechanik den Nobelpreis erhielt. Schließlich hat er sich Heisenberg über dessen Biografie genähert. Und, ob Zufall oder Wink des Schicksals: Heisenberg wurde in Würzburg geboren. Gustavo Ramos bewarb sich und hatte Erfolg. Seit dem 1. Dezember finanziert ihm die DFG eine Heisenberg-Professur für Immunkardiologie, die, sofern die Evaluation nach fünf Jahren erfolgreich ist, von der Universität in eine permanente Professur überführt wird. 

SFB 1525 – Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem

Würzburg ist für Ramos „the place in the world to be“. Inzwischen konzentrieren sich in der Würzburger Universitätsmedizin Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen auf die „Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem“. In dem gleichnamigen Sonderforschungsbereich 1525 bündeln insgesamt 14 Einrichtungen in 17 Teilprojekten und zwei Serviceprojekten ihre Expertise. Als wissenschaftlicher Sekretär war Gustavo Ramos gemeinsam mit Ulrich Hofmann maßgeblich beteiligt an dem fast 500 Seiten umfassenden SFB-Antrag bei der DFG. „Ich blättere fast jeden Tag in dem Buch und entdecke Neues“, gesteht Gustavo Ramos. Stefan Frantz, Sprecher des SFB 1525 erklärt: „Durch die Zusammenführung von Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Kardiologie, Immunologie, RNA-Biologie, Bioinformatik und Bildgebung ein einzigartiges Team entstanden. Die intensive und vielschichtige Informationsgewinnung im neuen Verbund verspricht Dynamik im aufstrebenden Forschungsfeld.“

Worauf antworten die Immunzellen? Die Suche nach kardialen Antigenen

Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren, in denen er nun in Deutschland forscht, getan? „Sehr viel“, sagt Ramos, der inzwischen mit seiner Frau und Tochter eingebürgert wurde. „Der Forschungsbereich wächst weltweit, und wir haben Material und Werkzeug etabliert, mit dem wir exakt untersuchen, wie das Immunsystem nach einem Infarkt arbeitet.“ Anders als bei bakteriellen oder viralen Infektionen wie etwa Covid-19, wo schnell klar war, dass man einen Impfstoff gegen das Spike-Protein benötigt, waren die Immunantworten nach einem Herzinfarkt oder einer Herzinsuffizienz noch unklar. 

Tatsächlich hat Gustavo Ramos im Jahr 2019 die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gefunden (Journal of Clinical Investigation). Unter 20.000 Proteinen, die sich im Herzen nachweisen lassen, hat er mit seinem Team den Teil des Proteins identifiziert, der für die Bildung der T-Zellen verantwortlich ist, welche als Helferzellen des Immunsystems eine frühe Heilung nach einem Herzinfarkt unterstützen. Es handelt sich um das Strukturprotein Myosin Heavy Chain Alpha (MYHCA). Gleichzeitig konnte Ramos mit seinem Team zeigen, wo sich die Zellen bilden: in den mediastinalen Lymphknoten, also in den Lymphknoten, die in der Mitte des Brustkorbs zwischen beiden Lungenflügeln liegen. Anschließend wandern diese Zellen ins Herz. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen am Mausmodell konnten in Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg an Herzinfarktpatienten bestätigt werden. Sie fanden zudem folgende Korrelationen heraus: Je schwerer der Infarkt, desto mehr herzreaktive T-Zellen bildet der Körper. Und je größer die Lymphknoten, desto besser die Heilung. Aufbauend auf dieser bahnbrechenden Studie hat seine Arbeitsgruppe im Februar 2023 im Journal Circulation Research veröffentlicht, was genau die Myosin-spezifischen T-Zellen im infarzierten Herz machen. „Sie infiltrieren, nehmen einen regulatorischen Phänotyp an und schwächen die lokale Entzündung ab“, erklärt Ramos. 

T-Zellen: Die guten von den schlechten „Heilern“ unterscheiden

Entscheidend sei, die Entzündung nach dem Infarkt zunächst nicht zu blockieren, da erst durch diese entzündlichen Prozesse das Immunsystem und somit die T-Zellen aktiviert werden und damit der Heilungsprozess angeregt wird. Bei einigen Patienten ist die Wundheilung jedoch beeinträchtigt. Sie bilden nicht so viele und möglicherweise auch schlechte T-Zellen. Denn nicht alle Zellen haben eine positive Wirkung auf die Wundheilung. Daher liegt ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Juniorgruppe Ramos auf der Identifizierung spezifischer T-Zell-Profile, um die guten von den schlechten „Heilern“ zu unterscheiden und zu prüfen, ob und wann sich gute T-Zellen in schlechte entwickeln und mehr schaden als helfen. 

Zwischenzeitlich hat die AG Ramos im Journal of Molecular and Cellular Cardiology ein weiteres kardiales Antigen beschrieben, welches bei einigen Patientinnen und Patienten nach einem Myokardinfarkt T-Zellen aktiviert. 

Biomarker für die Charakterisierung von Risikofaktoren

„Wir untersuchen aber nicht nur die Wundheilung, wir versuchen auch das Immunsystem zu charakterisieren, bevor sich eine Herzkrankheit manifestiert“, fügt Ramos hinzu. Dafür haben wir das Glück und können auf die Proben aus der Kohortenstudie STAAB zurückgreifen. In STAAB werden am DZHI 5000 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 79 Jahren ohne bekannte Herzinsuffizienz über einen längeren Zeitraum mehrfach untersucht. Ziel ist es herauszufinden, wie häufig eine noch unentdeckte Herzschwäche in der Bevölkerung auftritt und welche Faktoren zur Entstehung einer Herzinsuffizienz beitragen. „Anhand der Basis-Charakterisierung des Immunsystems von supergesunden Menschen und Menschen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Übergewicht haben wir immunologische Veränderungen gefunden, die in Verbindung mit den Risikofaktoren zu stehen scheinen. Für den Longitudinal-Aspekt müssen wir diese Studienteilnehmenden jedoch weiterverfolgen, um zu prüfen, ob diese immunologischen Veränderungen auch mit einem höheren Risiko für eine Herzinsuffizienz einhergehen“, bemerkt Ramos. Ein weiterer Aspekt liegt auf den Alterungsprozessen, wie verändert sich das Immunsystem im Alter und wie wirkt es sich auf das alternde Herz aus. Ihre im Cardiovascular Research veröffentlichen Erkenntnisse aus Studien an Mausmodellen will die AG Ramos nun an der STAAB-Kohorte untersuchen. 

„Ich bin 100 Prozent für kollaborative Wissenschaft!“

Ob im Team mit seinen zehn Mitarbeitenden, auf dem Campus, Europa oder der Welt, Gustavo Ramos liebt die Zusammenarbeit. „Ich bin 100 Prozent für kollaborative Wissenschaft. Die Zusammenarbeit ist der beste Teil meiner Arbeit.“ Vor wenigen Tagen hat er erst eine Bewerbung für eine der Marie-Sklodowska-Curie-Maßnahmen, kurz MSCA, eingereicht. Die hochkompetitiven MSCA sind Teil des europäischen Programms „Horizont Europe“. Ramos hat sich federführend mit einem internationalen Training-Netzwerk beworben, an dem zehn Länder beteiligt sind. Ferner steht im Juni 2024 ein europäischer Kongress für Cardio-Immunology im Kloster Banz an, den er koordiniert. Es gibt noch viel zu tun. Und wer weiß, vielleicht wird Gustavo Ramos selbst eines Tages ein Idol, oder er ist es schon längst. 
 

Porträt von Gustavo Ramos im Labor
Der Biologe Gustavo Ramos ist seit Dezember 2023 Professor für Immunkardiologie am Uniklinikum Würzburg. © Kirstin Linkamp / UKW
Aufnahme eines infarzierten Herzens mit markierten Immunzellen
Bild aus dem diesjährigen wissenschaftlichen Adventskalender (www.ukw.de/advent) – Kläppchen Nummer 2: Massive Infiltration von Immunzellen in das Herz nach einem Infarkt. In Grün ist die Morphologie des Herzens zu sehen, in Gelb leuchten die Antikörper (Anti-CD45), die an das CD45-Antigen der Leukozyten gebunden haben. Die Probe wurde von Murilo Delgobo aus der AG Ramos im DZHI hergestellt und von Lisa Popiolkowski und Anne Auer mit einem Lichtblatt-Fluoreszenz-Mikroskop in der Core Unit Fluorescence Imaging am RVZ aufgenommen. © Anne Auer / DZHI

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